Verträge laufen aus

Szenarien für Großprojekt Herkules nach 2016

11.10.2013 von Johannes Klostermeier
Das Projekt Herkules der Bundeswehr geht 2016 zu Ende. Ein Whitepaper mit Wünschen von Atos zirkuliert in den Ministerien. Doch noch ist nichts entschieden.

Herkules, die öffentliche-private Partnerschaft zwischen Bund, Siemens und IBM, dient dazu ,die IT der Bundesweher umfassend zu modernisieren. Das Projekt sollte zur Standardisierung und Modernisierung der nichtmilitärischen Informations- und Kommunikationstechnologie führen sowie SAP bei der Bundeswehr einführen, dieses unter dem Projektnamen SASPF (Standard-Anwendungs-Software-Produkt-Familien). Das Projekt ist auf zehn Jahre angelegt und hat ein Volumen von rund 7,1 Milliarden Euro.

Herkules startete 2006 und endet demnach im Jahr 2016. Im Laufe der zehn Jahre sollten unter anderem 140.000 Computerarbeitsplätze, 7000 Server, 300.000 Festnetz-Telefone und 15.000 Mobiltelefone an 1500 Standorten in Deutschland auf einer gemeinsamen Systembasis eingerichtet werden.

Alles neu bei Telefonie und Computern. Das war ein wichtiger Auftrag des Projekts Herkules.
Foto: BWI

Ein umfassendes redundantes Verkehrsnetz über alle Liegenschaften in zwei Achterringen mit 6000 Kilometer Länge ist als WAN seit 2008 im Einsatz. Ein 24 Stunden zur Verfügung stehendes, übergreifendes User Help Desk wurde ebenfalls eingerichtet.

Ende Dezember 2006 wurde dazu die gemeinsame Firma BWI Informationstechnik GmbH (BWI IT) mit Sitz in Meckenheim neu gegründet. Siemens und IBM halten an der IT-Gesellschaft mit 50,1 Prozent die Mehrheit, Siemens besitzt 50,05 Prozent, IBM 0,05 Prozent. Der Bund ist mit 49,9 Prozent Minderheitsgesellschafter. Darunter hängen die Siemens-Tochter BWI Services GmbH und die IBM-Tochter BWI Systeme GmbH.

Die Siemens IT-Solutions und Service genannte Siemens-IT-Sparte (SIS) wurde Ende 2010 an den französischen IT-Konzern Atos verkauft, das Projekt Herkules wurde jedoch im Siemens-Konzern gehalten.

Geschäftsanteile fallen 2016 an die Bundesrepublik Deutschland zurück

Nach dem Vertragsende 2016 fallen die Geschäftsanteile an die Bundesrepublik Deutschland zurück. Bis dahin muss die Politik entscheiden, ob die BWI IT die Leistungen erst einmal oder auf Dauer weiterführen soll - dazu gibt es eine Option -, oder ob neu ausgeschrieben wird.

Doch vieles wird derzeit noch diskutiert. Unklar ist, ob eine Neuausschreibung nicht in jedem Fall erfolgen muss. Unklar ist auch, ob das Projekt mit den bisherigen Anforderungen weiter geführt werden soll oder ob nicht der Leistungsumfang verändert werden soll.

Peter Blaschke und Brigadegeneral Klaus Veit bei der Verleihung des Innovationspreises Public Private Partnership (PPP) 2011 in der Kategorie "IT" .
Foto: BWI

Auch könnte der Bund die BWI IT ohne Beteiligung der Industrie weiter führen, quasi als Behördentochter des Bundesverteidigungsministeriums. Diese Variante gilt aber als unwahrscheinlich. Auch könnte die formelle Privatisierung der BWI IT erfolgen, was den Zustand vor Herkules wiederherstellen würde. Dann würden aber auch wieder die alten Begrenzungen durch die Rahmenbedingungen von Haushaltsrecht, Dienstrecht oder Stellenplänen greifen, von denen man ja gerade durch Herkules weg wollte.

In einem Whitepaper von Atos, das derzeit in Ausschüssen des Bundestages und in verschiedenen Ministerien als Grundlage für Gespräche zirkuliert, bewirbt sich die Firma um die Weiterführung des Projekts Herkules. „Namhafte Unternehmen der IT-Industrie sind bereit, das Wissen sowie Erfahrungen aus dem Projekt Herkules ebenso wie aus nationalen und internationalen Projekten in dieser wichtigen Entscheidungsphase über die Zukunft der Bundeswehr-IT konzentriert zur Verfügung zu stellen", heißt es dort.

Neue Wünsche für die Zeit nach 2016

Laut Atos sollte Herkules II neue Ziele verfolgen, die in dem Projekt Herkules I nicht enthalten waren. Dazu gehört nach Meinung des Unternehmens ein Mandat, um:

  1. - Reaktionen auf eine „Black-Out"-Katastrophe oder einen Terroranschlag in Deutschland

  2. - aktuellen Auslandseinsätzen auf krisenhafte Entwicklung, Feindeinwirkung oder Terroranschlag

  3. - neuen Einsatzaufträgen wie zusätzlichen Herausforderungen, schwierigen Rahmenbedingungen oder Evakuierungsoperationen

  4. - Cyberangriffen auf IT-Systeme der Bundeswehr oder der Bundesrepublik Deutschland.

Abschließend heißt es: „Ein starkes Konsortium aus maximal drei Mitgliedern – aber unter Einbeziehung weiterer notwendiger Partner – sollte im Mittelpunkt der Überlegungen stehen."

Bis 2016 ist zwar noch etwas Zeit, doch die Ausschreibungen müssten bald erfolgen. Die Vertragsverhandlungen mit zwei Industriekonsortien für das aktuelle Herkules-Projekt dauerten immerhin von 2002 bis 2006. Der Vertrag umfasst damals sage und schreibe 18.000 Seiten.

Einige Service-Levels konnten noch nicht erreicht werden

Und bis 2016 sollte auch das Projekt Herkules I fertig sein. In dem vertraulichen 8. Bericht des Verteidigungsministeriums an den Haushaltsausschuss des Bundestags „über die begleitende Evaluierung der Zielerreichung und der Wirtschaftlichkeit" für die zweite Jahreshälfte 2012, der CIO.de vorliegt, steht, dass noch einige Service Levels nicht erreicht wurden. Insgesamt befindet sich das Projekt im Zielbetrieb, die Integrationsphase sei weitgehend abgeschlossen.

51 vereinbarte Service Level in acht Leistungskategorien gibt es. Davon hat die BWI IT 41 erreicht. In den Kategorien User Help Desk, Client/Server Services, Rechenzentren und Applikationen wurden alle 33 Service Level erreicht. In den Kategorien WAN wurden drei von sechs, bei der Kategorie LAN zwei von vier, bei der Kategorie Telefonie drei von sechs - und beim Desktop Management keine von zwei Service Level erreicht.

Für das Nichterreichen hat der Auftraggeber insgesamt Vertragsstrafen von rund 150.000 Euro gefordert, heißt es in dem Papier. Der IT-Betrieb sei jedoch insgesamt, trotz einzelner Verletzungen der Service Level, „nicht wesentlich beeinträchtigt" gewesen.

Im zweiten Quartal 2013 sollte erneut eine Befragung zur Anwenderzufriedenheit stattfinden. Die Ergebnisse sollen bald zur Verfügung stehen. Über die vorhergehenden Ergebnisse hatte CIO.de bereits regelmäßig berichtet.