Bei T-Systems rumort es. Die seit Jahren kriselnde Großkundensparte der Deutschen Telekom hat zu Beginn dieses Jahres mit Adel Al-Saleh einen neuen Chef bekommen. Der hat nur wenige Wochen nach seinem Amtsantritt weitreichende Umbaupläne angekündigt und damit für viel Unruhe im Konzern gesorgt.
In einer internen Mitteilung an die Mitarbeiter geht Al-Saleh hart mit seinen Vorgängern ins Gericht. Umsätze und Auftragseingänge seien in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen. Er kritisiert die Komplexität des Geschäfts sowie veraltete und schwerfällige Strukturen, die zu Mehrkosten und Produktivitätseinbußen geführt hätten. Die hauseigenen Angebote seien nicht standardisiert genug, die Organisation insgesamt zu träge, moniert der Manager. Zwar gebe es innovatives Potenzial im Unternehmen, doch gelinge es derzeit nicht Kapital daraus zu schlagen. Die Telekom-Tochter habe sich in der Vergangenheit zu sehr mit sich selbst beschäftigt und darüber die Kundenbedürfnisse vernachlässigt.
Die identifizierten Missstände will Al-Saleh nun mit einem Umbau beheben. Geplant ist offenbar, das Geschäft in zwei Teile aufzuspalten, die jeweils als selbständige Einheiten agieren sollen, berichtete das Handelsblatt unter Berufung auf interne Quellen bei T-Systems. In dem einen Bereich soll das klassische Outsourcing und das IT-Service-Geschäft gebündelt werden.
Die andere Sparte soll sich um Zukunftsthemen kümmern, beispielsweise die Digitalisierung in den Branchen, autonomes und vernetztes Fahren oder E-Health. Innerhalb dieser Einheiten soll das Geschäft zudem in verschiedene Einzelbereiche und -Portfolios unterteilt werden. So soll es einfacher werden, Transparenz im jeweiligen Business zu gewinnen. Außerdem erhofft sich Al-Saleh offenbar davon, schneller Schieflagen zu erkennen und frühzeitig die Reißleine ziehen zu können.
Wird die Outsourcing-Sparte verkauft?
Insider mutmaßen jedoch, dass dies nur der Anfang eines viel weiterreichenden Umbaus bei T-Systems sein wird. Insbesondere im Outsourcing-Geschäft wächst seit Jahren der Druck. Wettbewerber aus Indien heizen den Preiskampf immer weiter an. Zudem ist die Ära lukrativer Langzeit-Verträge mit hohen Volumina vorüber. Viele Anwenderunternehmen wollen sich in Zeiten schnelllebiger Cloud-Services nicht mehr langfristig an einen Outsourcing-Provider binden. Sie bevorzugen kleine, flexibel handhabbare Projekte, mit denen sie schnell Erfolge erzielen können.
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Angesichts dieser Marktveränderungen wird bereits seit Jahren darüber spekuliert, T-Systems könnte sich vom klassischen Outsourcing verabschieden und diesen Geschäftsbereich verkaufen. Angeblich gab es dem Handelsblatt zufolge im Sommer 2017 sogar Gespräche mit dem französischen IT-Serviceanbieter Atos über einen Teilverkauf. Allerdings seien die Verhandlungen ergebnislos abgebrochen worden. Die Beteiligten wollten die Spekulationen damals nicht kommentieren. Nun erhalten die Verkaufsgerüchte mit den Plänen von Al-Saleh neue Nahrung.
Belegschaft warnt vor neuen Mauern
In Reihen der Belegschaft und auf Gewerkschaftsseite finden die Ideen des neuen T-Systems-Chefs wenig Gegenliebe. Die Begründung, eine Aufteilung führe zu mehr Einfachheit und Transparenz, können die Arbeitnehmervertreter nicht nachvollziehen. Hier werde vielmehr eine interne Mauer hochgezogen, die das Zusammenarbeiten der T-Systems-Bereiche Telecommunications Division (TC), Information Technology Division (IT), Digital Division (DD) und dem Security-Bereich (T-Sec) deutlich erschweren werde, heißt es in einem offenen Brief der Gewerkschaft Verdi an die Beschäftigten.
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Offenbar geht es aber auch um den Kommunikationsstil und um persönliche Eitelkeiten: "Wir sind von der Art und Weise, die Mitbestimmungsgremien links liegen zu lassen und die bei weitem nicht in ausreichender Tiefe vorgestellten Ideen jetzt durchzupeitschen, im höchsten Maß verstimmt", schimpfen die Verdi-Vertreter. "Falls dies die Vorboten eines neuen Management-Stils sind, werden wir uns der ruppigeren Herangehensweise des Arbeitgebers bei unseren Reaktionen anpassen müssen."
Kritisiert wird zudem, dass noch nicht klar sei, welche Teile der T-Systems überhaupt in die neuen Gesellschaften verschoben werden sollen. Es sei zu vermuten, dass die auszugründende GmbH nur die Teile übernehmen werde, die nicht direkt für den Konzern arbeiten oder deren Ertrag unter den vom Konzern gewünschten Zielen bleibt, mutmaßen die Belegschaftsvertreter. "In einem solchen Szenario ist diese Gesellschaft eine 'Bad Bank', in der schlecht laufende Geschäftsbereiche gebündelt werden", so das Fazit der Gewerkschaft. "Die Hoffnung, dass dieser Ansatz in der Belegschaft nicht erkannt wird, ist naiv."
Arbeitnehmervertreter sehen Veränderungsbedarf
Die Arbeitnehmervertreter signalisieren dennoch Gesprächsbereitschaft: "Trotz dieses nicht gelungenen Auftakts sind wir bereit, mit der Arbeitgeberseite in den mitbestimmungsrechtlichen Gremien über die vorgestellten Maßnahmen zu sprechen." Es müsse in der Tat Veränderungen geben, beispielsweise im Vertrieb. Auch den Forderungen nach einfacheren und schlankeren Prozessen sowie mehr Automatisierung und einer engeren Zusammenarbeit sei prinzipiell zuzustimmen. Allerdings macht Verdi klar: "Ohne eine Beteiligung der angesprochenen Gremien und der Gewerkschaft kann das Ganze nicht funktionieren."
Al-Saleh wird sich also auf Gegenwind einstellen müssen. Aber das dürfte dem neuen T-Systems-Chef nichts ausmachen. Er gilt in der Branche als erfahrener Restrukturierer und Sanierer, der auch vor dem Verkauf von Unternehmensteilen nicht zurückschreckt. Der US-Amerikaner, der in Großbritannien lebt, war zuvor CEO der Northgate Information Solutions (NIS). Vor dieser Tätigkeit war Al-Saleh fünf Jahre bei IMS Health tätig, einem Lösungsanbieter für Informatik im Gesundheitswesen. Ferner war es von 1988 bis 2006 für immerhin 19 Jahre bei IBM beschäftigt. Dort bekleidete er etliche Führungspositionen in unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens.
Telekom suchte und fand einen Sanierer
Was der Mutterkonzern von Al-Saleh erwartet, hatte Telekom-Chef Timotheus Höttges bereits im vergangenen Jahr bei seiner Begrüßung durchblicken lassen: "Ob Einstellung, Haltung oder Know-how, er bringt alles für die Aufgabe mit. Adel hat bewiesen, dass er Unternehmen auf Kurs bringen kann." Indirekt bestätigte Höttges damit die Gerüchte, wonach er für T-Systems nach einem Sanierer gesucht habe, weil die Großkundensparte seit Jahren Verluste schreibt.
Al-Salehs Vorgänger Reinhard Clemens, der die Geschicke der Telekom-Tochter etwa zehn Jahre gelenkt hatte, traute Höttges diese Aufgabe nicht mehr zu. Mitte September 2017 hatte der Carrier mitgeteilt, dass man mit Clemens übereingekommen sei, seinen Vertrag mit Wirkung zum 1. Januar 2018 zu beenden.
Clemens, und mit ihm die T-Systems waren lange Jahre auch im gesamten Telekom-Konzern für die Themen Digitalisierung, Cloud und Technik zuständig. Doch 2015 übernahm Claudia Nemat das Vorstandsressort Technologie und Innovation, und der Stern von Clemens begann zu sinken. Im Verantwortungsbereich von Nemat liegen seitdem nicht nur interne IT und Technik, sondern auch das Thema Innovationen. T-Systems adressierte fortan 'nur' noch Themen wie das externe IT-Business mit Großkunden und die von Clemens ins Leben gerufene Security-Sparte.
Clemens: Haben noch nicht alles erreicht!
Beobachter sahen in diesen Maßnahmen ein Zeichen dafür, dass Telekom-Chef Höttges auch mit der Cloud-Bilanz von Clemens unzufrieden sei. In den offiziellen Mitteilungen zum Wechsel an der T-Systems-Spitze war allerdings kein Hinweis auf mögliche Verwerfungen zu finden. Höttges dankte Clemens für sein Engagement und die Bereitschaft, den Übergang konstruktiv mitzugestalten: "Reinhard Clemens mit seiner Kompetenz bei IT-Innovationen wird mir fehlen."
Clemens selbst kommentierte seinen Abschied allerdings durchaus mit selbstkritischen Zwischentönen. Ihm sei es vor allem darum gegangen, das Unternehmen fit für die Zukunft zu machen und für die Herausforderungen der Digitalisierung zu wappnen. "Das ist uns gelungen, auch wenn wir noch nicht alles erreicht haben, was wir uns vorgenommen hatten." Clemens sprach auch von schwierigen Jahren des Umbaus, die allen viel abverlangt hätten.
Schon 2014 ließ Clemens in einem Gespräch mit der COMPUTERWOCHE keinen Zweifel daran, dass das Outsourcing-Geschäft in seiner bisherigen Form nicht weiter zu betreiben sei. Hier müsse es zu Stellenstreichungen kommen, weil die Personalkosten zu hoch seien. Zudem sollten Leistungen in Niedriglohnländer nach Osteuropa verlagert werden. Im Auslagerungsgeschäft erwartete der Manager auch keine Wende zum Wachstum mehr. Es gehe nun darum, den Unternehmensbereich profitabel aufzustellen. "Die Kunden wollen die bekannte Leistung zu indischen Preisen", steckte Clemens damals den Rahmen ab.
Millionen-Deal mit ThyssenKrupp
Wie schwer sich T-Systems derzeit tut, zeigt auch der jüngst in die Brüche gegangene Millionen-Deal mit ThyssenKrupp. Ende 2014 hatte der Dienstleister das Geschäft an Land gezogen. Rund 80 000 Computerarbeitsplätze und 10 000 Serversysteme des Essener Traditionskonzerns sollten in die Cloud von T-Systems verlagert werden. Der Auftrag sei einer der größten der Konzerngeschichte in diesem Geschäft, hieß es damals.
Nun ist Clemens weg, und auch der Großauftrag, der bis 2022 hätte laufen sollen, ist futsch. Anfang Februar sickerte durch, dass sich die Vertragspartner gerichtlich geeinigt haben, den 700-Millionen-Euro-Deal vorzeitig zu beenden. T-Systems sei dem Projekt nicht gewachsen gewesen, hieß es hinter vorgehaltener Hand. Der Dienstleister hätte Lösungen versprochen, die das Unternehmen überhaupt nicht liefern konnte, berichteten Insider. Das Ganze sei technologisch und kommerziell für T-Systems eine Nummer zu groß gewesen.
[Update] Telekom weist die Kritik zurück und will nicht von Aufspaltung sprechen
Von Seiten der Telekom ist die Kritik an den Maßnahmen des neuen T-Systems-Chef nicht nachvollziehbar. Al-Saleh habe vier Initiativen ins Leben gerufen. In diesem Rahmen werde bis März zunächst einmal ausgearbeitet, wie sich die Firma weiterentwickeln müsse. "Das ist nicht in Stein gemeisselt", verlautete aus der Kommunikationsabteilung des Konzerns. Die Beteiligung der Mitarbeiter an diesen Initiativen sei ausgesprochen hoch. Al-Saleh erhalte dafür großen Zuspruch aus den Reihen der Belegschaft. Die wöchentlichen VLogs, die Klarheit, mit denen er Dinge anspricht und die stetige Aufforderung an alle Mitarbeiter, sich in den vier Initiativen zu engagieren, ihm persönlich Mails zu schicken, die internen Social-Plattformen zum Austausch und für Verbesserungsvorschläge zu nutzen, stünden in keinerlei Widerspruch zur üblichen Einbeziehung der Betriebsratsgremien in Beschlüsse.
Verteidigt wird auch die mögliche Verteilung des Gesamtgeschäfts auf zwei selbständige Einheiten. Das sei in der Branche nicht unüblich, hieß es seitens der Telekom. Darüber werde aber erst nach einer intensiven Analyse des Portfolios entschieden. Die Umsetzung - frühestens 2019 - richte sich ganz nach den Ergebnissen dieser Analyse. "Wir haben ein sehr breites Portfolio und es hat Vorteile, unterschiedliche Themen auch unterschiedlich zu steuern", konstatieren Konzernvertreter. Die Kunden schätzten genau diese Breite unseres Portfolios, weil sie von T-Systems für die Digitalisierung praktisch alles bekommen könnten. "Diesen Wettbewerbsvorteil wollen wir unbedingt erhalten, deshalb ist der Begriff 'Aufspaltung' nicht zutreffend."