Am 16. April 2008 stellte T-Systems auf dem Analystentag für Industrieanalysten in Bonn ihre neue Struktur sowie die Kernaspekte der neuen Unternehmensstrategie vor. Das meiste davon macht für T-Systems durchaus Sinn. Dennoch liegt die Neuausrichtung hinter dem was wir für notwendig halten würden, um eine langfristig erfolgreiche Strategie für den Deutsche-Telekom-Konzern zu entwickeln. Wir glauben, dass die Deutsche Telekom weiterhin den wirklichen Wert von T-Systems verkennt.
Der "neue" T-Systems-Chef Reinhard Clemens unterstrich die bekannten Probleme des Umsatzrückgangs, zu hohe Kosten und eine unterdurchschnittliche Kundenzufriedenheit, als die Hauptherausforderungen, denen sich T-Systems konsequent stellen muss. Bis 2010 soll das Umsatzwachstum im mittleren einstelligen Bereich liegen. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) soll bis 2010 von 1,3 Prozent in 2007 auf einen mittleren einstelligen Bereich steigen. Für uns ist klar, dass man um einen radikalen Personalab- und umbau bei T-Systems nicht herumkommt.
Ist T-Systems nun auf dem richtigen Pfad? Wir denken, dass die richtigen Weichen gestellt werden. T-Systems will vor allem mit einer einfacheren Organisationsstruktur und mit einem Fokus auf den europäischen Markt auf die Herausforderungen reagieren. Nun muss T-Systems beweisen, dass es die Pläne effektiv umsetzen kann.
Die angekündigte Vereinfachung der Organisationsstruktur basiert dabei in erster Linie auf der Zusammenführung der früheren Einzelsparten Enterprise Services und Business Services. T-Systems kreiert einen neuen Geschäftsbereich ICT Operations, dessen Aufgabe die Entwicklung innovativer, standardisierter ITK-Angebote für Kerngeschäftsfelder ist (Business Process Outsourcing sowie Medien & Fernsehen sind hier nicht mit eingeschlossen). Die Sparte Systemintegration bleibt weiterhin bestehen.
Zudem soll ein neuer Geschäftsverantwortungsbereich namens "Corporate Customers" sich um Großaufträge in der privaten Wirtschaft, Kunden der öffentlichen Hand sowie das internationale Telekommunikationsgeschäft kümmern. Ein separater Business-Customers-Bereich fokussiert sich verstärkt auf das inländische KMU-Segment, also den Mittelstand. Wichtig dabei ist, dass die Bereiche Corporate Customers und Business Customers in Zukunft nicht mehr - wie früher die Sparten Enterprise Services und Business Services - rechtlich selbstständige juristische Einheiten sind, die unabhängig voneinander mit den Kunden agieren. Sie sind vielmehr gewissermaßen Distributionskanäle mit direktem Kundenkontakt, die zum einen das ICT Operations Portfolio und zum anderen die Dienstleistungen der Systemintegrationssparte vertreiben. Diese vereinfachte Organisationsstruktur sowie bessere Verkaufsanreize sind durchaus sinnvoll und waren überfällig.
Europäischer Fokus
Geografisch richtet T-Systems sein Augenmerk in Zukunft verstärkt auf den europäischen Markt und europäische Unternehmen. Weltweit agierenden Kunden mit Sitz in den europäischen Kernmärkten von T-Systems werden globale Services geboten. Lokal agierende Unternehmen außerhalb Europas werden nicht adressiert, mit Ausnahme von Nischenangeboten, z.B. SAP Hosting in den USA im Zuge des Shell-Deals. Die Allianz mit Cognizant spielt bei dieser Strategie eine wesentliche Rolle, da man dadurch Fuß in weiteren geografischen Märkten gefasst hat.
Der Fokus auf Europa ist angesichts der T-Systems-Kundenbasis und des Ansehens der Telekom-Tochter in dieser Region sinnvoll. Allerdings ist Europa keineswegs ein homogener Markt, sondern besteht aus vielen unterschiedlichen Märkten. IDC vertritt die Meinung, dass regionale Märkte, ja sogar einzelne Unternehmen heutzutage sehr stark in globalen Wechselbeziehungen stehen. Es bleibt daher abzuwarten, ob der erneute Fokus auf Europa auf Kosten eines unausgereiften globalen Delivery-Mechanismus geht.
Kann T-Systems mit den auf dem Analystentag vorgestellten Initiativen nun seine Position im europäischen Dienstleistungsmarkt verbessern? Viele dieser Initiativen laufen darauf hinaus, dass entsprechende Know-how-Träger angestellt werden müssen; das ist z.B. für die Neuorganisation des Großkundenvertriebs, der Systemintegrationssparte und der Partnerschaft mit Cognizant der Fall.
Bezüglich der Wandlung von T-Systems hin zum führenden europäischen ICT-Dienstleister stellen sich zwei Fragen:
Wird es T-Systems gelingen, die passenden Experten einzustellen? Einerseits müssen in Bereichen, wo die Mitarbeiter nicht die benötigten Skills einbringen, Stellen gestrichen werden. Andererseits gilt es, neue Kräfte mit der passenden Lösungskompetenz und den erforderlichen Qualifikationen anzuwerben und einzustellen. Dabei steht T-Systems als Arbeitgeber in direkter Konkurrenz zu Firmen wie Accenture. Es sind zwar bereits eine Handvoll von "Neuankömmlingen" von Unternehmen wie EDS und Microsoft eingetroffen. Aber bei weitem noch nicht genug um eine "Skillls-Trendwende" einzuläuten. T-Systems muss sich für hoch qualifiziertes Personal als Arbeitgeber der ersten Wahl etablieren. Dieser Prozess kostet Geld und verlangt - unserer Meinung nach - ein dynamischeres Arbeitsumfeld.
Wird es T-Systems gelingen, echte Alleinstellungsmerkmale aufzubauen, um Kunden zu gewinnen? Das Hauptproblem dabei ist vornehmlich die Wahrnehmung als Anbieter mit hohen Preisen. Darüber hinaus glauben wir, dass es T-Systems nicht immer leicht fällt ,eine klare Differenzierung zur Konkurrenz zu finden. T-Systems selbst sieht ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal in seiner Position als Systemintegrator. Doch das Systemintegrationsgeschäft hatte bis dato mit dem Rest des Unternehmens nur sehr wenig zu tun. Ohne echte Integration sind diese SI-Aktivitäten keine besondere Stärke. Heute wollen Kunden nicht mehr in erster Linie One-Stop-Shopping, also alles aus einer Hand, sondern ziehen Best-of-Breed Lösungen vor. IDC sieht T-Systems noch nicht in der Rolle eines führenden Systemintegrators und auch nicht als integrierten SI-Outsourcing-Anbieter wie beispielsweise IBM, Accenture oder HP.
Während T-Systems als separate Einheit seine Weichen richtig stellt, scheint es uns, dass die Deutsche Telekom mit ihrer derzeitigen Strategie nicht die Herausforderungen adressiert, die sich im Zuge der weiteren Entwicklung des Technologiemarktes abzeichnen. Die Zukunft des ITK-Marktes hängt neben einer hochwertigen Netzanbindung entscheidend von Software ab. Die Geschäftsbereiche T-Mobile und T-Home müssen sich in den Bereichen Business Intelligence, Online Marketing und Enterprise Mobility erheblich verbessern. Sie sehen sich Angriffen von allen möglichen Seiten ausgesetzt, u.a. von Webfirmen, Handset-Anbietern, Systemintegratoren, Softwarefirmen, Infrastrukturanbietern usw.
Telekommunikationsanbieter, die mehr als nur ein Netzbetreiber sein wollen, müssen sich zu ITK-Anbietern entwickeln. Jeder glaubwürdige ITK-Anbieter wiederum muss über ein "ITK-Labor" verfügen und entsprechende ITK-Kompetenzen aufbauen bzw. erwerben. Für Telkos heißt das: es müssen glaubwürdige IT-Services und Software-Skills her.
Unserer Meinung nach sollte T-Systems eine zentralere Rolle bei der Bereitstellung solcher Lösungen für die Deutsche Telekom spielen als das der Fall ist. Der Analystentag hat deutlich gemacht, daß die Deutsche Telekom weiterhin versucht, T-Systems als separate Division zu restrukturieren. Wir argumentieren dafür, den gesammten Deutsche-Telekom-Konzern um die T-Systems herum zu restrukturien.
Dan Bieler ist Director Consulting, European Telecommunications & Networking bei IDC.