Alle Entscheider kennen es: Eine wichtige Stelle kann nicht besetzt werden, weil leider kein Experte zu finden ist. Selbst der Blick über die Landesgrenzen hilft nicht weiter, weil der Fachkräftemangel einer McKinsey-Erhebung zufolge ein globales Phänomen ist. Beispiele für fehlende Spezialisten gibt es genug: Schon jetzt fehlen in den Firmen Cloud-Experten, oder im Mainframe.
Was also tun, um konkurrenzfähig zu bleiben? Die Berater von Accenture haben sich in der Studie "The Rise of the Extended Workforce" dazu Gedanken gemacht, wie Personal-Abteilungen in Zukunft darauf reagieren können. Sie setzen auf die "erweiterte Workforce", also auf Fachkräfte außerhalb des Unternehmens.
Freie Experten sind die Zukunft
Der Schlüssel zum Erfolg sind nicht mehr nur die fest an das Unternehmen gebundene Mitarbeiter, sondern Experten, die nur mit Zeitverträgen ihre Expertise verleihen. Freelancer, Berater, Anbieter und Outsourcing Partner werden, so die Studie, entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens sein.
Vorteile der "erweiterten Workforce"
Die Vorteile der neuen "Zeitarbeiter": Sie sind mobiler und dynamischer als andere Mitarbeiter und oft stärker spezialisiert. Als Beispiel führen die Studienleiter Konsumgüterhersteller Procter & Gamble (P&G) an: Mehr als 50 Prozent der Produktinitiativen entstand aus einer Zusammenarbeit mit Externen. Aber die "erweiterte Workforce" hat noch andere Vorteile.
Freelancer können Impulse geben
Externe bringen oft frischen Wind in Unternehmen. Oft sind Prozesse und Strukturen historisch gewachsen, machen aber in der Jetzt-Zeit wenig Sinn. Sie bringen einen neuen Blickwinkel auf Produkte und Prozesse und bringen so einen erheblichen Vorteil mit. Unternehmen bekommen so neue Ideen und frische Denkweisen, die ihnen einen Wettbewerbsvorteil bringen können.
Die Aufgaben in Unternehmen werden immer spezialisierter, die Arbeit zunehmend nur noch in Projekten abgewickelt. Kaum ein Unternehmen hat genügend Mitarbeiter, die auf allen Gebieten Experten sind: Wer sich aber einen externen Talentpool aufgebaut hat, kann jederzeit auf ihn zurückgreifen. Externe bringen Fähigkeiten und Erfahrungen aus vielen veschiedenen Bereichen mit, von denen Sie nur profitieren können.
In Zeiten hoher Nachfrage können die Spezialisten schnell eingesetzt werden und ohne lange Vorlaufzeit in ein Projekt starten. Das verkürzt die Time-To-Market und kann den Ausschlag für Ihr Produkt geben. Die Accenture-Berater können sich sogar vorstellen, in besonderen Zeiten die Position des CFOs oder COOs extern zu besetzen. Das sollte aber die Ausnahme bleiben. Entscheider sollten es sich gut überlegen, ob sie auf solch sensible Stellen wirklich jemanden Externes setzen wollen, der nicht fest an das Unternehmen gebunden ist und die Abläufe nicht kennt. Mitunter kann das nach hinten losgehen.
Es wäre falsch, die "erweiterte Workforce" nur als Notnagel anzusehen. Behandeln Sie sie stattdessen als Key Asset für Ihr Unternehmen. Auch HR muss sich umstellen. Ihre neue Kunden sind nun nicht mehr die Mitarbeiter im Unternehmen, sondern auch die Mitglieder der "erweiterten Workforce". Schließlich sind die Märkte turbulenter geworden und erwarten höhere Flexibilität von allen.
Verbessert das auch die eigenen Leute?
Die Berater von Accenture gehen davon aus, dass eine große Basis an "erweiterter Workforce" schließlich auch zu einer intelligenteren und besseren Firma führe. Denn statt eines Interviews oder Arbeitsproben könne man einen künftigen Mitarbeiter erst testen, bevor man ihn einstellt.
Tipps, um die "erweiterte Workforce" zu managen
Neue Organisationsstrukturen schaffen: Einzelne Abteilungen müssen stärker zusammen arbeiten, um die Externen besser ins Unternehmen einzubinden. Accenture schlägt vor, dass Firmen unter Umständen sogar eine eigene Abteilung dafür schaffen könnten, die dafür sorgt, die Talente an der richtigen Stelle zu platzieren.
Analysetools nutzen: Ohne Analysetools sind die HR-Professionals von morgen aufgeschmissen, denn sie müssen eine Menge an Daten über ihren Talente-Pool im Auge behalten.
Fortbilding anbieten: Klingt erstmal paradox, aber: Auch für Externe sollten Firmen Seminare und Trainings anbieten, um nicht auf Freelancer angewiesen zu sein, die schon die richtigen Skills mitbringen. Schulungen haben zudem einen Werbeeffekt, weil sie Experten anziehen, die sich noch auf anderen Gebieten weiterbilden möchten. Zudem binden die Maßnahmen gute Experten stärker ans Unternehmen. Und verärgern sollte niemand seine Freiberufler.
Nicht jeder Externe ist gleich: Jeder Freelancer hat andere Vorstellungen und Bedürfnisse. Firmen sollten sich darauf einstellen, wenn sie bestimmte Verträge anbieten. Ein Vertrag oder gleiche Arbeitsbedingungen für alle funktioniert nicht mehr, wenn die besten Talente anziehen will. So wollen die einen lieber Weiterbildungsmaßnahmen, während andere Externe eher auf Arbeitsverhältnisse abstellen.
Die Nachteile spart Accenture aus
Die Schattenseite der Freiberuflertums erwähnt die Studie allerdings nicht. Aktuell zeigt sie sich in der Reutax-Pleite, die sowohl Freelancer als auch Kunden in Nöte stürzt: Die Freiberufler bekommen während des laufenden Insolvenzverfahren kein Geld, sind rechtlich aber dazu verpflichtet, ihren Job zu erledigen. Die Kunden fürchten um den Fortschritt ihrer gestarteten Projekte.
Auch was den Datenschutz angeht, schweigt die Studie. Betriebsgeheimnisse zu wahren ist schwieriger und kann die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen. Ob Sie also tatsächlich immer mehr Freiberufler und eine "erweiterte Workforce" nutzen wollen, hängt wohl letztendlich vom firmeneigenen Talente-Pool ab.