Remote-Arbeit ist gekommen, um zu bleiben. Ortsunabhängiges Arbeiten ist zwar kein neuer Trend, wurde aber dennoch von der Corona-Pandemie beschleunigt. Das bestätigt auch die IDC-Studie zum Thema "Work Transformation in Deutschland 2021". Branchenübergreifend planen knapp 80 Prozent der befragten Entscheider aus 250 deutschen Unternehmen ihre Arbeitsplatzmodelle anzupassen. 36 Prozent davon wenden sich hybriden Arbeitsmodellen zu, einer Mischung aus Präsenz- und Remote-Arbeit. 11 Prozent möchten auf ihre Büroflächen vollkommen verzichten und rein virtuell arbeiten. Doch nicht nur zunehmend virtuelle Arbeitsplatzmodelle führen zu einer digitalen Teamarbeit. Für Teams, die über Standorte, Länder oder Zeitzonen verstreut sind, ist das bereits Standard.
Virtuelle Stolpersteine
Die ausschließliche Kollaboration über Meeting-Plattformen legt auch viele Stolpersteine in den Weg, die vor allem die Leistung und den Teamspirit schwächen. Bisher war die Teamentwicklung eine bewährte Methode, um Teams in turbulenten Zeiten zu unterstützen und ihnen zu helfen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Dazu wurden die bisherigen Konzepte für die Teamentwicklung für eine Zusammenarbeit in Präsenz entwickelt und das reicht heute nicht mehr aus. Der neue Status quo muss sowohl im Präsenz- als auch im Online-Format funktionieren. Hier kommt mediative Teamentwicklung ins Spiel.
Mediative Teamentwicklung
In der mediativen Teamentwicklung treffen bewährte Methoden der Teamentwicklung und der strategischen Konfliktlösung - der Mediation - aufeinander. Hier dreht sich alles um die Verfeinerung der Konfliktkompetenz und anderer Fähigkeiten, die für eine reibungslose Teamarbeit unerlässlich sind. Mit diesem Ansatz können Teams Hindernisse wie ineffiziente virtuelle Kommunikation, mangelnden Teamgeist oder unzureichende Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Teams überwinden. Das volle Leistungspotenzial kann nachhaltig freigesetzt werden.
Der Unterschied zur klassischen Teamentwicklung, die sich am Modell der Teamentwicklung nach Tuckman orientiert, besteht vor allem darin, dass das Team das Steuer in der Hand hält. Klassische Teamentwicklungsangebote ähneln dabei meist einer Expertenberatung, bei der, vereinfacht dargestellt, ein teamfremder Experte hinzugezogen wird, um Ratschläge oder Entscheidungshilfen zu geben und Probleme zu lösen.
Demgegenüber spricht der mediative Ansatz dem Team die Expertenrolle zu. Denn wer weiß besser, was das Team braucht, als das Team selbst. In dieser Teamentwicklung sitzt somit das Team am Steuer und der Mediator führt es durch den Prozess.
Mediative Teamentwicklung - so funktioniert‘s
Die mediative Teamentwicklung in Anlehnung an Waas L. (2017) basiert auf einem 5-stufigen iterativ-dialogischen Verfahren:
Auftragsklärung
Einzelinterviews
Rückspiegelungsworkshop
Themenspezifische Workshops
Abschluss
Im ersten Schritt wird der Auftragsrahmen mit dem Auftraggeber abgesteckt. Anschließend sammelt der Mediator Daten, indem er die Beteiligten mittels eines standardisierten Fragebogens interviewt. Die gesammelten Daten spiegelt er innerhalb eines Rückspiegelungsworkshops an die Befragten anonym zurück. Auf Grundlage der gemeinsamen Daten gewinnt das Team somit Erkenntnisse über die Themenbereiche, die den einzelnen Teammitgliedern unter den Nägeln brennen, was das weitere Vorgehen bestimmt. Der Mediator begleitet das Team in den darauffolgenden themenspezifischen Workshops. Diese konzentrieren sich auf vier Schwerpunkte:
Ich im System: z. B. Selbstkompetenz erweitern
Ich und Du im System: z. B. Sozialkompetenz erweitern
Wir – das ganze Team im System: z. B. Kommunikation und Kooperation im Team optimieren
Das Team in der Organisation: z. B. Interaktion mit anderen Teams/Abteilungen optimieren
Jeder themenspezifische Workshop endet mit konkreten Maßnahmen, die das Team bis zum nächsten Workshop testet, anschließend reflektiert und gegebenenfalls nachjustiert. Dieses iterative Vorgehen bringt Teams schneller ins Handeln und damit schneller ans Ziel. So kann mediative Teamentwicklung lt. Waas sowohl kurzfristige Veränderungsimpulse setzen, als auch längerfristige Spitzenleistungen ermöglichen.
Lesetipp: 6 Tipps - So gelingen Hybrid-Meetings
So profitieren Teams
Sowohl die klassische als auch die mediative Teamentwicklung haben sich über Jahre hinweg im Präsenzformat bewährt. Bisher war die Entscheidung zwischen den beiden Ansätzen lediglich eine Frage der persönlichen Präferenzen. Aufgrund des weitaus höheren Bekanntheitsgrades gewann diesen Wettstreit meist der klassische Ansatz. Doch das könnte sich in einer Digitalwirtschaft ändern, denn die mediative Teamentwicklung bietet remote-arbeitenden Teams zahlreiche Vorteile:
Virtuelles Mindset: Die Überzeugung “Virtuell ist gut, Präsenz ist besser", hält sich in vielen Teams hartnäckig - aus gutem Grund. In Onlinemeetings sind die Kameras oft ausgeschaltet, die meiste Zeit wird der Bildschirm geteilt oder man ist mehr damit beschäftigt, in digitalen Kollaborationsplattformen zu navigieren, als der Diskussion zu folgen. Das schafft Distanz. Bedenkt man, dass Remote Teams die meiste Zeit im virtuellen Raum verbringen, führt diese Distanz oft zu Antriebslosigkeit, denn es wird den guten alten Zeiten hinterher getrauert.
Mediative Teamentwicklung kann dabei helfen, die Motivation und Leidenschaft im Team wieder zu entfachen. Das gelingt durch die mediativen Wurzeln, die Teams dabei unterstützen, Wertschätzung, Empowerment und Verbundenheit in die tägliche Zusammenarbeit zu bringen.Schneller am Ziel: Als eine der größten Herausforderungen bei der Teamentwicklung entpuppt sich oft der volle Terminkalender aller Beteiligen. Einen passenden Zeitraum zu finden, wird oft zur Herausforderung und sorgt nicht selten für monatelange Verzögerungen. Hier ein kritisches Projekt, da ein Go-live und dann beginnt schon wieder die Urlaubszeit. Ein virtuelles Format ist für das Team flexibler planbar und somit bekommt es schneller die Unterstützung, die es braucht, um voranzukommen.
Praxisnahe Umsetzung: Die Online-Zusammenarbeit in einem Präsenz-Workshop zu verbessern endet oft in recht theoretischen Diskussionen und Lösungsansätzen. Kaum ist das Team zurück im Alltag, bereitet der Praxistransfer Schwierigkeiten und es kann passieren, dass das Team wieder ins alte Fahrwasser zurückrutscht. Feedback zu geben ist manchmal schon im persönlichen Gespräch ein Drahtseilakt. Im virtuellen Raum hingegen, mit reduzierter Körpersprache oder sogar ohne Kamera, wird es zum Minenfeld. Die virtuelle Teamentwicklung analysiert die Schwierigkeiten unter realen Bedingungen und hilft diese zu lösen. Zudem verbessert sich nebenbei die digitale Kommunikations- und Kollaborationskompetenz der Beteiligten.
Kosten reduzieren: Teamentwicklung scheitert oft an den Kosten, insbesondere bei global verteilten Teams. Die Aufwendungen für An- und Abreise sowie Unterbringungen sind oft ein kostspieliger Faktor, der in der virtuellen Teamentwicklung entfällt. So kann der Zugang zur Teamentwicklung erleichtert werden.
Chancengleichheit schaffen: Teams, die nah am Kunden oder an Projekten mit hoher Managementaufmerksamkeit arbeiten, haben es oft nicht leicht. An eine Teamentwicklung ist meist nicht zu denken, denn je geschäftskritischer die Aufgaben, desto geringer die Chance. Ob im Releasemanagement oder im Roll-out - die Abwesenheit der Teammitglieder trifft selten auf Verständnis bei Kunden. Die mediative, virtuelle Teamentwicklung läuft heute hinter den Kulissen, ganz nach dem Motto: "Nobody left behind". So erhalten auch geschäftskritische Teams die Wertschätzung und Förderung, die sie verdienen, um Bestleistung zu erbringen.
Mediative Teamentwicklung macht Teams fit für eine digitale Arbeitsumgebung. Wer möchte nicht Teil eines fortschrittlich denkenden Unternehmens sein, dem es wichtig ist, dass seine Mitarbeiter sich als Teil einer Gemeinschaft fühlen - ob offline oder online?