Mitten in der Großstadt stehen die Verräter stumm und aufgereiht auf eigenen Parkplätzen. Sie sind begehrte Zeugen. In etlichen Fällen haben Daten aus der Bord-Elektronik einer beschlagnahmten Luxuskarosse bereits Raser und Poser nach fatalen Unfällen und illegalen Autorennen hinter Gitter gebracht. Die Autos, die auf den Sicherstellungsgeländen der deutschen Polizeien stehen, besitzen oft eine ausgefeilte Technik. Waghalsige Fahrmanöver und rasantes Tempo lassen sich per Mausklick abrufen. Für Staatsanwälte ist es ist der sicherste Weg, um Straßenrowdys zu überführen.
Was lässt sich sonst noch machen gegen diese Rennen und auch gegen Raser? Fünf Möglichkeiten - und ihre Nachteile:
Technik
"Das eigene Auto kann durchaus die Täter verpfeifen", sagt Andreas Winkelmann. Er leitet bei der Berliner Amtsanwaltschaft die Abteilung, in der seit 2018 verbotene Rennen gesammelt und verfolgt werden. Neben den klassischen Beweismitteln verfolgt sein Team immer stärker den technischen Ansatz über die Blackbox. "Wichtig sind für uns vor allem digitale Fahrzeugdaten, Navigationsdaten und Videoaufzeichnungen", sagt Winkelmann.
Mit Hilfe des sogenannten EDR (Event Data Recorder) können die letzten fünf Sekunden Fahrt nachvollzogen werden. "So können wir verfolgen, wie tief das Gaspedal vor dem Auslösen des Airbags eingedrückt wurde, wir können das Bremsniveau ablesen und die Radrollgeschwindigkeit." Premiere feiert dieses Beweismittel nach Angaben Winkelmanns im spektakulären Fall eines mittlerweile rechtskräftig wegen Mordes verurteilten Berliner Ku'damm-Rasers.
Er schätzt, dass mit den Daten der kleinen Festplatte im Airbag-Steuergerät allein in Berlin Rennen oder Rasen in etwa 100 bis 120 Verfahren mit den Daten nachgewiesen werden konnten. "Ebenso viele Fälle werden es bei Daten außerhalb des Fahrzeugs sein, also bei Daten aus GPS-Systemen aus dem Navi oder bei Daten von den Herstellern", sagt er. Tendenz steigend. Denn ab 2022 müssen EDR verbindlich in konventionelle Autos eingebaut werden.
Abschreckung und Strafe
Seit Oktober 2017 gelten illegale Autorennen nicht mehr als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat. Seitdem kann schon die Teilnahme an solchen Rennen mit bis zu zwei Jahren Haft geahndet werden. Der neue Paragraf 315d im Strafgesetzbuch sieht zudem bis zu zehn Jahre Gefängnis vor, wenn der Tod eines anderen Menschen durch ein "verbotenes Kraftfahrzeugrennen" verursacht wird. Außerdem werden die meist sündhaft teuren Autos oder Leihwagen an Ort und Stelle eingezogen. Den Führerschein darf ein Raser in vielen Fällen auch gleich neu machen.
Eine abschreckende Wirkung hat das aber selten. Denn allen angedrohten Strafen und Gerichtsurteilen zum Trotz geben Autofahrer weiter Gas: Eine bundesweite Statistik zu illegalen Straßenrennen gibt es zwar nicht. Aber aus veröffentlichten Zahlen geht hervor, dass allein in Baden-Württemberg im Jahr 2019 mehr als 250 Fälle erfasst wurden, in Nordrhein-Westfalen waren es sogar über 650. Allein in Berlin sind seit der Verschärfung des sogenannten Raser-Paragrafen 2017 bis Anfang Oktober 2020 mindestens 1560 Verfahren anhängig geworden.
"Die Zahl von Autorennen nimmt trotz des härteren Gesetzes nicht ab, leider eher im Gegenteil", sagt Winkelmann. "Und die Dunkelziffer ist unendlich hoch." Sicher ist sich das baden-württembergische Innenministerium da nicht: Andere Autofahrer reagierten wegen der tragischen Unfälle und Prozesse vergangener Jahre sensibler als früher und zeigten häufiger an.
Und das eingezogene Auto? Schmerzt auch kaum. "In rund 90 Prozent der Fälle gehört es gar nicht dem Täter", sagt Winkelmann. Die teuren Sportwagen werden meist bei Autovermietungen geliehen, beliebt sind auch Carsharing-Anbieter. So war es auch bei einem Raser, der im März 2019 mitten in Stuttgart mit einem ausgeliehenen Luxussportwagen einen Kleinwagen rammte, in dem zwei Menschen starben.
Zeugen
Wird eine Tat beobachtet, ist der Zeuge oft ein wichtiger Beweis. "Das wichtigste Mittel ist nicht die Technik, sondern die Wahrnehmung der Bürginnen und Bürger sowie der Polizeibeamtinnen und -beamten", sagte ein Sprecher des baden-württembergischen Innenministeriums. Zeugenaussagen hätten großes Gewicht.
Amtsanwalt Winkelmann ist da weniger überzeugt: "Zeugenaussagen allein sind nicht immer ein sicherer Nachweis." Die Anforderungen seien sehr hoch. "Sie müssen sich Monate nach der Tat sehr exakt über das Fahrverhalten, über den Verlauf eines Rennens, die Geschwindigkeit, über Abstand, Licht- und Witterungsverhältnisse auslassen." Das subjektive Empfinden von Zeugen sei sehr unterschiedlich ausgeprägt. Teilweise würden auch akustische und optische Signale vertauscht. "Ein typischer Satz ist dann: "Ich konnte hören, dass er schnell fährt"", sagt Winkelmann.
Blitzer und Hindernisse
Hier ein Blumenkübel auf dem Straßenstreifen, dort mobile Blitzer, wie sie der ADAC fordert. Oder engere Fahrbahnen, mehr Zivilstreifen, vielleicht auch stationäre Radaranlagen, wie sie Berliner Bezirksverordnete nach mehreren Unfällen auf dem Kurfürstendamm verlangen - lang ist die Liste der Ideen, mit denen man Raser zum Abbremsen zwingen will oder es gerne tun würde. Nicht alle sind praktikabel. Denn Kübel oder stationäre Radargeräte können auch als "Schikane" und für Nervenkitzel im Rennen eingeplant werden. "Und wenn die Leute wissen, dass da ein Blitzer steht, ziehen sie sich halt eine Maske auf und werden nicht erkannt", sagt Winkelmann.
Stufenführerscheine und andere Hürden
Für viele Experten liegen Fehler und Lösungsansatz bei der Zulassung. Nach ihrem Geschmack werden zu viele hochmotorisierte Fahrzeuge für die Straße zugelassen. Und was früher mit 100 bis 150 PS als hochmotorisiertes Fahrzeug galt, ist heute eher Durchschnitt. Außerdem wird es jungen Menschen wie dem Stuttgarter Raser nach Ansicht von Anwälten zu leicht gemacht, an solche hochmotorisierten Geschosse zu gelangen. "Da will keiner wissen, wie lange man den Führerschein schon hat oder wie alt man ist", sagt der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie, Thomas Wagner.
Nicht nur die Polizei fordert zudem die Einführung eines Stufenführerscheins, der abhängig ist von der Motorisierung der Fahrzeuge. Außerdem sollte es nach Ansicht Wagners möglich sein, Raser zur Medizinisch-Psychologischen Untersuchung zu schicken, dem sogenannten Idiotentest. "Setzt er sich damit auseinander, überlegt es sich der eine oder andere vielleicht zweimal, ob er aufs Gaspedal tritt", meint der Psychologe aus Saarbrücken. (dpa/ad)