Jeder kennt den Audi-Slogan. Mit der Technik, die dem bayerischen Autobauer danach einen Vorsprung verschafft, haben die Manager zum Leidwesen der IT-Abteilungen insbesondere Automobil- und Produktionstechnik und weniger Informationstechnologie gemeint. "Die IT spielte bislang eher eine Nebenrolle", sagt Mathias Stach, seit 1. Juni neuer Leiter des Bereichs Informationsmanagement. Doch das soll sich nun ändern. "Ohne eine stimmige IT sind auch die Einsparungen in Produktion und Logistik nicht zu erreichen", sagt Stach. Er macht sich damit Mut für sein Vorhaben, den autotechnischen Dominanzanspruch mit einer ausgeprägten Business Intelligence zu verbinden.
Ein Anlass ist die Neuregelung der Gruppenfreistellungsverordnung (GVO); sie zwingt die Autoindustrie auch im Bereich BI zum Handeln. In der Vergangenheit hat die EU-Ausnahmeregelung der europäischen Automobilindustrie ein eigenes, exklusives Vertriebssystem zugestanden. Künftig soll die zwangsweise Verknüpfung von Neuwagenverkauf und Service entfallen; Händler sollen Marken mehrerer Hersteller in einem Autohaus verkaufen dürfen. Audi muss Daten künftig also sehr viel strukturierter aufbereiten, weil das Unternehmen mit zahlreichen verschiedenen Spediteuren, Händlern und Vertriebsorganisationen zu tun haben wird. "Die GVO deckt die Vielzahl an Vertriebsinformationssystemen auf, die im Hause Audi entstanden ist", sagt Stach.
Container verschwinden einfach
Doch auch ohne GVO besteht Änderungsbedarf: So werden bei Audi immer wieder Container mit wichtigen Teilen falsch angeliefert, weil beim Informationsabgleich Fehler passiert sind. Bislang hat das Unternehmen keinen Überblick über den Standort seiner Container. Manchmal würden bei Audi Behälter einfach verschwinden und erst nach zwei Jahren wieder auftauchen, sagt Michael Reuse, bis vor kurzem Leiter des Competence Center Business Intelligence. Nun soll unter anderem das Projekt Lanis Abhilfe schaffen. Das "Logistische Analyse- und Informationssystem" ist ein großes Data Warehouse für die Logistik. "Wir müssen analysieren, wie viele Container mit Teilen beim Händler stehen und wie viele auf dem Lastwagen mitfahren, damit wir wissen, wo Engpässe entstehen", erklärt Reuse. Drei bis vier Millionen Euro pro Jahr will Audi so sparen. "Durch den Einsatz von BI hätten wir einen zentralen Daten-Pool und könnten auf diese Weise Fehllieferungen vermeiden."
Vor sieben Jahren kam Business Intelligence bei Audi erstmals auf die Tagesordnung. "Das Thema war bei uns stark durch das Controlling geprägt", erinnert sich Reuse. Heute ist dafür die IT-Abteilung verantwortlich; das ursprünglich dreiköpfige Team ist auf acht Mitarbeiter angewachsen. "Wir sind sehr pragmatisch vorgegangen - das ist für Audi normal", sagt Reuse. Es bedeute aber auch, dass es anfangs keine große Strategie gegeben habe. Mittlerweile sind rund 25 BI-Anwendungen im Unternehmen verstreut. "Das führte aber bei Audi auch zu dem Problem, dass die Abteilungen Daten doppelt vorhielten, mit unterschiedlichen Definitionen arbeiteten und viele Einzelapplikationen entwickelten."
Inzwischen hat man bei der VW-Tochter erkannt, dass zu BI-Anwendungen eine BI-Strategie gehört. Vor zwei Jahren haben die Verantwortlichen deshalb begonnen, zusammen mit IBM und Siemens SBS ein entsprechendes Architekturkonzept zu entwickeln. Jetzt sollen Standard-werkzeuge zum Einsatz kommen, die den Fachbereichen vorgegeben werden. Da sind: Business Objects für das Reporting, Informatica für die Datenbewirtschaftung, RS 6000 SP2 als Server- und DB2 EEE als Datenbank-plattform, beides von IBM. Mit Webintelligence von Business Objects sollen bis zu 10000 Anwender zeitnah auf unternehmenskritische Informationen zugreifen können. Dazu gehören unter anderem Lieferanten- und Kundenberichte, Daten aus der Markteinführung neuer Modelle und der Fahrzeugfertigung. "Wir haben seit Anfang 2000 eine Plattform mit Software-Komponenten, wir haben die Infrastruktur dafür, jetzt kommen die Projekte", sagt Stach. Die Audi-IT will mehrere BI- und Data-Warehouse-Vorhaben auf der neuen Plattform zusammenfassen, um Kosten zu sparen.
Nötige Informationen fehlen bislang
Um bis zu 20 Millionen Euro pro Jahr hofft Stach die Kosten durch den Einsatz von Business-Intelligence- und Data-Warehouse-Lösungen senken zu können. Doch erst, wenn BI im Gesamtprozess greift, lassen sich diese Einsparungen realisieren. "Wir haben in der Vergangenheit einzelne Abläufe optimiert; jetzt betrachten wir das Ganze", sagt Reuse. Ein Beispiel, das zeigt, wie sich in einem einzelnen Bereich drei bis fünf Millionen Euro einsparen lassen, ist der Modelljahreswechsel. Hier werden viele Teile sinnlos verschrottet. Die könnte der Volkswagen-Konzern erneut verwenden, wenn die Beteiligten wüssten, was wo wieder gebraucht wird. Die nötigen Informationen fehlen jedoch bislang. Was - außer den Kosten - die Umsetzung des Projekts schwierig machen könnte, ist der Faktor Mensch. "Unsere Manager haben ein sehr breites Spektrum an IT-Kompetenz", umschreibt Reuse diplomatisch die Nutzung der bereits vorhandenen BI-Tools für Führungskräfte. Und in manchen Fachbereichen würden die BI-Experten noch heute hören: "Das können wir doch auch mit Excel."