Mit 560 Seiten ist der Sammelband "Technologie und Dienstleistungen" schon rein physisch ein Schwergewicht. Allein das Inhaltsverzeichnis misst sechs Seiten, auf denen sich Titel aneinander reihen, die den Gegenstand des Buches bis in den letzten Winkel beleuchten: Es geht um die Systematisierung der Dienstleistungsausrichtung von Unternehmen, Produktentwicklung, Dienstleistungen als Innovationen und als Forschungsgegenstand, um Vermarktung, Schutzrechtemanagement, Preisgestaltung und Service Excellence - Themen, die bereits im April 2008 die 7. Dienstleistungstagung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung prall gefüllt haben.
Wozu aber der gedruckte Nachgang der hochkarätig besetzten Tagung? Der Anteil der Erwerbstätigen im Dienstleistungssektor ist in Deutschland in den vergangenen zwanzig Jahren um mehr als zehn Prozent gestiegen. Zugleich hat sich der Anteil der wissensintensiven Dienstleistungen erhöht, an die sich unmittelbar auch technologische Innovationen anknüpfen. Forscher sprechen in diesem Zusammenhang vom fortschreitenden Tertiarisierungsprozess: Technologie, Innovation und Dienstleistung sind eng miteinander verzahnt.
Praxisnahe Darstellung in durchstrukturiertem Übersichtswerk
Wer eine praxisnahe Darstellung der Facetten dieser Entwicklung in der deutschen Wirtschaft sucht, findet in dem Kompendium von Gatermann und Fleck ein durchstrukturiertes Übersichtswerk. Der Band zeichnet zum einen die relevanten Forschungsansätze und deren Auswirkungen auf die unternehmerische Praxis nach: beginnend beim "Aufbau von Unternehmensstrukturen zur Realisierung ganzheitlicher Dienstleistungen" (Robert Schmitt, Fraunhofer Institut) über das "Management produktionsnaher Dienstleistungen" (Eckhard Heidling, Sozialwissenschaftliches Institut München) bis hin zum "Service Engineering als Lösungsweg zu hybriden Produkten" (Dieter Fischer, Projektmanager FuE).
Auf der anderen Seite spannt das Werk anhand zahlreicher Fallbeispiele immer wieder auch den Bogen zu den Unternehmen. Die Lektüre versetzt den Leser so immer wieder in Erstaunen darüber, welche Möglichkeiten innovative Produkte für die Wertschöpfung im Dienstleistungsbereich eröffnen. Die Qualität der Beiträge ist bis auf wenige Ausnahmen trotz des Sammelsuriums verschiedenster Autoren gleichbleibend hoch. Der Beitrag der Telekom über Service Excellence etwa beschränkt sich auf broschürenhafte Floskeln
Ganz anders Mario Koch vom Verband Naturpark Thüringer Wald, der über innovative Service-Produkte im barrierefreien Tourismus berichtet. So entstand im Rahmen des Projektes "Klostervision Georgenthal" ein Film, der die Besucher in den visuellen und akustischen Raum des Klosters im Mittelalter eintauchen lässt und auch Menschen mit Handicap Zugang zu den kulturhistorischen Aspekten des Klosters gestattet. Im Rahmen der Schaffung einer barrierefreien touristischen Modellregion erarbeitete der Naturpark Thüringer Wald darüber hinaus ein Assistenzsystem mit mobiler Begleitung, deren gerätetechnische Plattform Geräte wie PDAs und Smartphone bilden.
Klassische Vogelperspektive
Eine spezielle Software bietet Besuchern mit Handicap unter Berücksichtigung ihrer Befähigungen eine individuelle Navigation sowohl bei Wanderungen im Gelände wie auch im Stadtbereich - und macht Menschen mit Handicap vielleicht erstmals wirklich mobil auf Reisen. Gerade weil das Thema etwas abseits der üblichen ökonomischen Pfade verläuft, zeigt es umso klarer das Wertschöpfungspotenzial intelligenter Dienstleistungsproduke auf - mit all den damit verbundenen Benefits für den Kunden. Für die Industrie finden sich ähnliche Beispiele etwas das Anwendungsbeispiel zum Asset Management (Werner Brettreich-Teichmann).
Fazit: "Technologie und Dienstleistung" ist klassische Vogelperspektive, ein Werk, das Unternehmern, Technikern und natürlich Diensleistern den so wünschenswerten Blick über den Tellerrand gewährt - und so Impulse für das eigene Tun liefern kann. Wenn auch nicht leichte Sommerlektüre, so ist das Werk dank seiner inhaltlich abgeschlossenen Kapitel doch in Häppchen genießbar und lohnt immer wieder zur Hand genommen zu werden.