Die Begriffe Digitalisierung sowie Industrie 4.0 und Internet of Things sind in aller Munde. Doch was bedeutet das? Der Internet-Pionier und Netscape-Entwickler Marc Andreessen vermutete bereits 2011, dass Software die Welt verschlingen werde. Bis 2023 wird sich dieser Trend zunehmend verstärken. Deshalb lautet meine These: Im Jahr 2023 werden alle erfolgreichen Unternehmen Technologiefirmen sein. Dies bedeutet, dass sich selbst etablierte Unternehmen in Richtung Technologiefirma verändern werden.
Technologiefirma zu sein bedeutet dabei insbesondere:
Agilität als Treiber von Innovation im gesamten Unternehmen einzusetzen,
IT als integralen Bestandteil der Organisation zu sehen, und
Partnerschaften und die "... as-a-Service"-Economy zu nutzen, um den eigenen Fokus zu schärfen.
1. Agilität als Treiber von Innovation im gesamten Unternehmen
Die Ansprüche der Kunden an die Innovationsgeschwindigkeit von Unternehmen steigen immer schneller. Vor einigen Jahren waren mehrjährige Innovationszyklen allgemein akzeptiert. Inzwischen erwarten Kunden neue Funktionalitäten und Innovationen mindestens im Jahreszyklus, viele bereits deutlich häufiger.
Die fortschreitende Digitalisierung treibt die Transformation von Produkten voran, deren Funktionalität bisher durch feste, physische Eigenschaften definiert war, hin zu Services, die durch Software definiert sind. Das ermöglicht eine Erweiterung und Verbesserung der Services, die entkoppelt von physischen Änderungen sind.
Kunden werden diese schnellen Innovationszyklen zukünftig nicht nur von immer mehr Produkten erwarten, sondern als Standard voraussetzen. Bereits heute gilt diese Erwartungshaltung beispielsweise bei Smartphones: Die Nutzer erwarten eine regelmäßige Verbesserung der Funktionalität, ohne dass ein neues Gerät gekauft werden muss. Um in einer solchen Umgebung langfristig erfolgreich zu sein, müssen Unternehmen in immer kürzeren Abständen Innovationen auf den Markt bringen.
In einer komplexen Welt lässt sich diese Anforderung nicht durch genauere Planung oder isolierte Fokusgruppen erfüllen, sondern durch direkte und kurzfristige Interaktion mit den Kunden. Diese Interaktion erfolgt durch schnelle Entwicklung von Prototypen (Minimum Viable Products = MVPs), die am Markt getestet werden. Basierend auf dem Kunden-Feedback, werden diese Prototypen dann kontinuierlich weiterentwickelt und verbessert.
Agilität ist eine Management-Methode, die im IT-Bereich bereits sehr erfolgreich eingesetzt wird, um die Innovationsgeschwindigkeit zu erhöhen. Kleine, cross-funktionale, sich selbst organisierende Teams fokussieren sich darauf, innerhalb kurzer Zeitintervalle inkrementelle Verbesserungen ihres Produkts auf den Markt zu bringen.
Dabei werden Ansätze wie Design Thinking genutzt, um Kundenbedürfnisse besser zu verstehen und schneller Lösungen zu entwickeln. Kurze Feedback-Schleifen erlauben es, erfolgreiche Innovationen weiterzuentwickeln und stetig zu verbessern. Durch viele kleine,iterative Verbesserungen lassen sich dauerhafte Mehrwerte für den Kunden schaffen.
Unternehmen werden die bereits in der IT erfolgreich eingesetzten agilen Ansätze auf die gesamte Firma ausrollen, um die Innovationsgeschwindigkeit zu erhöhen und dadurch schneller neue Produkte auf den Markt bringen und kurze Iterationszyklen zur stetigen Verbesserung dieser Produkte nutzen zu können. Dies bedeutet insbesondere, dass große, monolithische Produkte in kleinere und möglichst unabhängige Teilprodukte zerlegt werden, sogenannte Microservices.
Für diese einzelnen Microservices werden cross-funktionale Teams etabliert, deren Aufgabe die kontinuierliche Weiterentwicklung des Microservice ist. Mitglieder dieses Produktteams sind Experten sowohl aus dem Technologiebereich als auch fachliche Spezialisten, Marketing-Experten etc. Diese Teams werden über fachliche Kennzahlen gesteuert, haben ansonsten aber maximale Autonomie.
Erfolgreiche Unternehmen schaffen es, viele dieser unabhängigen Teams so zu orchestrieren, dass sie auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Dabei bleiben diese Einheiten jedoch unabhängig genug, um die Innovationsgeschwindigkeit der einzelnen Teams unverändert hoch zu halten.
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2. IT wird integraler Bestandteil der Organisation
Immer mehr Funktionen werden nicht mehr in physischen Objekten, sondern in Software abgebildet. Durch die rasante Entwicklung zur Industrie 4.0 und des Internet of Things werden immer mehr Daten gesammelt und physische Prozesse direkt durch Software beeinflussbar. Die Grenze zwischen physischer Welt und der IT verschwimmt so immer mehr.
Dies indiziert, dass sich die Rolle der IT deutlich verändern wird: In einer Welt, in der alles mit Software in Verbindung steht beziehungsweise durch Software definiert wird, kann IT nicht mehr nur am Rand zugegen sein, sondern muss im Zentrum stehen. IT beinhaltet dabei die komplette Technologie, also auch klassische IT-Themen wie Netzwerke, die Software-Entwicklung, den IT-Betrieb und die Steuerung von Produktionsprozessen.
Der Verantwortungsbereich wird zukünftig aber noch deutlich größer werden und unter anderem auch das Thema Data Science umfassen - immer mit einem Fokus auf einem besseren Verständnis für Daten und der automatisierten Auswertung großer Datenmengen. Weiterhin werden Themenfelder aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz im Verantwortungsbereich der IT liegen. Dabei kann es sich um Aufgaben wie das Aufsetzen und Kalibrieren von Chatbots handeln oder auch um die Nutzung von autonomen Robotern und Drohnen. Durch dieses erweiterte Aufgabenspektrum entwickelt sich die IT zu einem integralen Bestandteil jeder Organisation.
Betrieb eigener Rechenzentren immer uninteressanter
IT wird deshalb nicht nur der Umsetzer einer Unternehmensstrategie sein, sondern einen wesentlichen Treiber für die Definition der Strategie bilden. Weiterhin wird die IT Hinweise darauf liefern, welche technischen Möglichkeiten es gibt, um Produkte und Services erfolgreich weiterzuentwickeln - und an welchen Stellen die Firma ihren strategischen Vorteil ausbauen kann. Der IT-Bereich muss dazu verstehen, an welcher Stelle die Firma einen Vorteil durch Eigenentwicklungen hat und an welcher Stelle es sinnvoll ist, mit Partnern zusammenzuarbeiten.
Die "… as-a-service"-Economy, beschrieben im nächsten Abschnitt, wird diesen Trend noch verstärken. In diesem Umfeld wird die Fokussierung erfolgreicher Unternehmen auf ihre strategischen Kernkompetenzen zunehmen.
Gleichzeitig werden klassische IT-Themen weiter in den Hintergrund treten und Basisfunktionen zukünftig als Standardservices eingekauft werden. Dazu gehören Themen wie der Rechenzentrumsbetrieb, aber auch der Desktop-Betrieb, die Netzwerkanbindung etc. Insbesondere der Betrieb eigener Rechenzentren dürfte dabei für die Unternehmen immer uninteressanter werden.
Vermutlich nicht innerhalb der nächsten fünf, aber wahrscheinlich innerhalb der nächsten zehn Jahre wird es so weit sein, dass so gut wie kein Unternehmen noch ein eigenes Rechenzentrum betreibt. Cloud-basierte Dienstleistungen werden nicht nur günstiger sein, sondern auch mehr Funktionalitäten und insbesondere eine höhere Verfügbarkeit und Sicherheit bieten als on Premise - und dies auch für diejenigen Anwendungsfälle, in denen heute noch ein eigenes Data Center erforderlich ist.
Eine der wesentlichen Aufgaben von IT wird es sein, die richtigen strategischen Partner auszuwählen und zu orchestrieren.
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3: Die "… as-a-Service"-Economy wird zunehmen
Die zunehmende Standardisierung von Schnittstellen und die Nutzung von Microservices als Baustein der IT-Architektur wird es ermöglichen, externe Services einfacher anzubinden. Dadurch werden zunehmend Unternehmen entstehen, die einzelne Prozessschritte als Service anbieten. Dies kann auch in der Form von spezialisierten Microservices erfolgen. Beispiele dafür sind Unternehmen, die "Visual Search" als Service anbieten, der in Websites und Apps eingebunden werden kann, oder spezialisierte Anwendungen für künstliche Intelligenz wie Chatbots bereitstellen.
Die weitere Verbreitung von Blockchain-Technologie und intelligenten Verträgen (Smart Contracts) wird es Unternehmen erlauben, diese Services schnell und einfach einzubinden. Durch Smart Contracts werden die Transaktionskosten für diese Einbindung deutlich reduziert. Diese Reduktion lässt sich vor allem dadurch realisieren, dass Services inklusive eines standardisierten Abrechnungsmodells angeboten werden können. Die Einbindung sowie Abrechnung kann danach vollautomatisiert erfolgen. Langwierige Vertragsverhandlungen entfallen.
Nutzung von Micropayments
Gleichzeitig wird die Nutzung von Micropayments dazu dienen, dass Services zu geringen Kosten eingebunden und ausgetestet werden können. Liefern diese den gewünschten Nutzen, bleiben sie integriert - und falls sich der Nutzen nicht einstellt, können sie ohne großen Aufwand durch andere Services ersetzt werden.
Es werden spezialisierte Unternehmen entstehen, die einzelne Prozessschritte as-a-Service anbieten. Der Mehrwert dieser Spezialisten entsteht dadurch, dass übergreifende Skaleneffekte realisiert und durch die geringen Transaktionskosten einfach mit verschiedenen Unternehmen geteilt werden können.
Make-or-buy?
Für die IT-Funktion bedeutet dies insbesondere, dass Make-or-buy-Entscheidungen feingranularer getroffen werden können und müssen. Die Entscheidungen lassen sich nicht mehr auf Basis von kompletten (Software-)Produkten treffen, sondern müssen auf einzelne Prozesse oder Funktionen heruntergebrochen werden.
Diese "… as-a-Service"-Economy wird es auch kleineren Unternehmen erlauben, sich erfolgreich im Kampf gegen die Branchenriesen zu behaupten. Ein strategischer Vorteil kann dabei sein, genau auszutarieren, welche Funktionen für das eigene Geschäftsmodell einzigartig sind, und diese inhouse zu entwickeln. Andere Funktionen werden dagegen state of the art von Drittanbietern zugeliefert. Durch die Verbindung von beidem wird ein einzigartiges Kundenerlebnis geschaffen und damit die Option, schnell neue Funktionen zu iterieren.
Ein weiterer Vorteil der "… as-a-Service"-Economy ist die Möglichkeit, schnell Innovationen einzubinden und direkt mit den Kunden auszutesten. Minimum Viable Products können schnell entwickelt und mit Kunden getestet werden. Ist die Innovation erfolgreich, kann sie weiter verfeinert und können zusätzliche Ressourcen darauf verwendet werden. Stellt sich jedoch heraus, dass die Innovation für die eigene Zielgruppe nicht relevant ist, lässt sie sich schnell wieder verwerfen, ohne dass zu hohe Investitionen abgeschrieben werden müssen. Dies macht Organisationen flexibler.
Zusammenfassung
Im Jahr 2023 werden erfolgreiche Unternehmen IT-Firmen sein. Dies bedeutet: Agilität wird im gesamten Unternehmen genutzt, um Innovationszyklen zu verkürzen und schnell auf Kundenwünsche reagieren zu können. IT wird zum integralen Bestandteil der Organisation und aktiv bei der Gestaltung der Firmenstrategie involviert sein. Durch die fortschreitende Nutzung der "… as-a-Service"-Economy haben auch kleinere Firmen mehr Chancen, im Wettkampf gegen die Branchengrößen zu bestehen.
Mit diesem Wandel wird die IT eine neue Rolle in der Organisation einnehmen: weg von der Rolle als Dienstleister und Umsetzer von Anforderungen seitens der Fachbereiche - hin zu einer Rolle als aktiver Treiber der Unternehmensentwicklung, als gleichberechtigter Partner der anderen Fachbereiche. Dabei wird die IT immer weniger selbst direkt aktiv handeln, sondern spezialisierte Partner und deren Lösungen orchestrieren.
In Summe wird auch im Jahr 2023 die Rolle von IT relevant sein - vermutlich sogar noch deutlich relevanter als heute.
Ich freue mich auf Ihr Feedback!
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