Telekom-Chef René Obermann hat in ungewöhnlich scharfen Worten die Internet-Überwachung durch den US-Geheimdienst NSA verurteilt. Das bekanntgewordene Ausmaß der Spähaktionen sei freiheitsfeindlich, erklärte Obermann am Montag. "Freiheit bedeutet auch, ein gewisses Maß an Unsicherheit zu tolerieren."
Obermann forderte "eine große Koalition" für Vertrauenswürdigkeit und warb erneut für Internet-Dienste, bei denen die Daten auf dem Weg zwischen zwei Punkten in Europa entsprechend auch die europäischen Grenzen nicht verlassen sollen.
Wenn einzelne Länder daran nicht teilnehmen wollten, müsse es auch ohne sie gehen, sagte Obermann. Er erwähnte ausdrücklich das "Schengen-Routing" und eine "Schengen-Cloud". Bei einem Datenverkehr innerhalb der Länder des Schengen-Abkommens bliebe Großbritannien außen vor, wo der Geheimdienst GCHQ eine ähnlich massive Internet-Überwachung wie sein US-Pendant NSA führen soll. Durch die staatlichen Spähmaßnahmen würden die Chancengleichheit und fairer Wettbewerb ausgehöhlt, kritisierte Obermann.
Die Deutsche Telekom macht gerade auch Druck für eine ähnliche Lösung innerhalb Deutschlands. Es gibt dafür Gespräche mit anderen Anbietern, deren aktueller Stand unbekannt ist. Der Konzern verweist darauf, dass zuallererst ein rechtlicher Rahmen für solche Lösungen geschaffen werden müsse. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte bereits gefordert, dass der Datenverkehr zwischen Sendern und Empfängern, die beide in Deutschland sitzen, nicht über den Atlantik laufen solle. Technisch sei das "so gut wie kein Aufwand", sagte Obermann jetzt.
Der Telekom-Chef sprach zum Auftakt des 2. Cybersecurity Summits in Bonn, der von der Münchner Sicherheitskonferenz und dem Konzern veranstaltet wird. EU-Digitalkommissarin Neelie Kroes warnte dort davor, die Daten in nationalen Grenzen einzusperren. "Es wäre niemandem geholfen, wenn wir das Internet in kleine nationale Abschnitte aufteilen." Die Lösung sei, einen sicheren gemeinsamen europäischen Datenraum zu schaffen. "Keine Fragmentierung, bitte", forderte die EU-Kommissarin.
Der Netz-Aktivist Jacob Appelbaum brachte in der Diskussion ein Asyl für den Informanten Edward Snowden in Europa ins Gespräch. Snowden hatte bei der NSA Tausende geheime Dokumente heruntergeladen, die zur Grundlage der aktuellen Enthüllungen wurden. Er könne Europa helfen, das Ausmaß der NSA-Überwachung zu begreifen und Gegenmaßnahmen aufzustellen, sagte Appelbaum. "Wenn er Asyl bekommt, werden Sie die Wahrheit erfahren." Der Aktivist mit Zugang zu Snowdens Unterlagen verwies unter anderem auf das NSA-Programm "Turbine", bei dem es um das Einschleusen von Ausspäh-Software auf Computern von Zielpersonen geht. Er deutete an, dass auch ranghohe deutsche Politiker und Manager ins Visier gekommen sein könnten. (dpa/rs)