Gleich an mehreren Fronten kämpfen die deutschen Telekommunikations-Unternehmen, und doch sagen sie rosige Zeiten voraus. Besser als die Gesamtwirtschaft werde sich die Branche bis 2013 entwickeln, glaubt fast die Hälfte der Telko-Entscheider (48 Prozent) laut dem jüngst veröffentlichten Branchenkompass 2011 - erstellt vom F.A.Z.-Institut und der Steria Mummert Consulting. Dafür hat das Marktforschungsinstitut Forsa 100 Entscheider der größten deutschen Telekommunikations-Unternehmen befragt, in den meisten Fällen die Firmenchefs (64) selbst.
Es weht ein scharfer Wind:
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Verbraucher bescheinigen den Anbietern einen schlechteren Service als Banken und Versicherungen
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die Branche liefert sich einen kräftezehrenden Preiskampf
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nun drängen mit Kabel-Anbietern und Energieversorgern noch Mitbewerber mit eigenen Netzen auf den Markt.
Das Datenvolumen steigt und steigt
Seit 2005 sind die Umsätze der Branche um sieben Millionen Euro gefallen, auf 60,3 Milliarden im Jahr 2009. Schuld daran seien aber vor allem die Einbußen der Deutschen Telekom, ihre Mitbewerber hingegen konnten sich zunehmend größere Stücke vom Kuchen abschneiden. Damit das so weitergeht, betonen 42 Prozent die Notwendigkeit des Netzausbaus und die Erschließung weißer Flecken auf der Breitband-Landkarte.
Smartphones und Tablets heizen der Branche ein, denn mit der zunehmenden Verbreitung des mobilen Internets und des steigenden Datenaufkommens sehen die Manager Chancen für Innovationen. Das durchschnittliche Datenvolumen eines Nutzers ist seit 2008 um das zehnfache auf etwa 22 Gigabyte gestiegen. 67 Prozent der für die Studie befragten Entscheider wollen neue Produkte und Dienstleistungen entwickeln. 42 Prozent sehen ihren Service allerdings als verbesserungswürdig an. Die Hälfte investiert in SaaS und Cloud Computing - auch, um dies selbst als Dienstleistung für ihre Kunden anzubieten.
Die überwiegende Mehrheit der Studienteilnehmer (78) Prozent treten auf dem Markt vor allem als Dienstleister für Firmen auf, nur 11 Unternehmen konzentrieren sich aufs Privatkundengeschäft. Für letztere spielen Themen wie Cloud Computing und integrierte Kommunikationssysteme keine Rolle, die IT-Dienstleister hingegen nannten sie spontan als Trends für die Zukunft. Die Wolke schrieben 12 Prozent auf ihren Fragebogen, bei integrierten Kommunikationssystemen waren es 8 Prozent.
Mit Social Media und optimierten Prozessen in den Preiskampf
Im Kampf um die niedrigsten Preise, den spontan 13 Prozent als größte Herausforderung für die nächsten Jahre nannten, spielt auch die Effizienz der hausinternen Abläufe eine Rolle. 47 Prozent aller Befragten wollen einen nennenswerten Teil ihrer Investitionen für ein besseres Workflowmanagement-System ausgeben. In die Sicherheit, auch die der eigenen Daten, wollen 70 Prozent investieren.
Outsourcing, etwa in der Kundenbetreuung oder für die Rechnungs-Abteilung, spielt nur für 20 Prozent eine Rolle. Die große Mehrheit (64 Prozent) will auf Standardsoftware setzen, während 35 Prozent mit modularer Produktgestaltung den Spagat zwischen individuellen Angeboten und Standardisierung wagen.
Stiefkind Service
Das Stiefkind Service, das von satten 88 Prozent als wichtiger Wettbewerbsfaktor gesehen wird, soll auch mehr Aufmerksamkeit erhalten. Die Bestandskunden zu halten und deren Wert für das Unternehmen zu erhöhen, ist für fast alle (97 Prozent) wichtig bis sehr wichtig. Das soll über besseres Kampagnen-Management (44 Prozent) und Loyalitätsprogramme oder Bonus- und Rabattsysteme erfolgen. 45 Prozent erhoffen sich Erfolg durch individuelle Lösungen, die auf die Zielgruppen zugeschnitten sind. Viele setzen auf Komplettlösungen und die Fokussierung auf bestimmte Kundensegmente (58 Prozent).
Auch durch Social Media hoffen viele Unternehmen zu punkten. Vor allem wollen sie in beruflichen Netzwerken wie Xing oder LinkedIn präsenter werden (48 Prozent), gefolgt von privaten Netzwerken wie Facebook und studiVZ (34 Prozent). An dritter Stelle liegt Twitter mit 30 Prozent.
Neue Netze machen auch technische Innovationen möglich. Telefónica O2 hat 2010 in München als Pilotprojekt sein LTE-Netz (Long Term Evolution) in Betrieb genommen, Vodafone in Berlin und die Deutsche Telekom in Kyritz nahe der Hauptstadt. Die Breitband-Technologie ermöglicht einen flexiblen Datendurchsatz, aber auch Videokonferenzen und Live-Streams - und das Land kann in Sachen Breitband via Handy und Laptop-Karte wieder ein Stück zur Stadt aufholen.
Als ernstzunehmende Konkurrenten für die alten Platzhirsche drängen nun verstärkt Kabelanbieter wie Kabel Deutschland mit Internet- und Telefonangeboten auf den Markt. Dass die Kabelnetzbetreiber ihre Marktanteile ausbauen, nehmen 72 Prozent der Befragten an. Aber auch die Energieversorger wollen mitspielen. So verlegen die Stadtwerke München derzeit ein Glasfasernetz, um damit bis 2014 weit über die Hälfte der Bevölkerung in der 1,364-Millionen-Metropole zu erreichen.
Geschäftsmodelle: Das Haus denkt mit
Mit den Techniken werden auch neue Daten- und Sprachdienste kommen. Die Hälfte der befragten erwartet eine stärkere Differenzierung der Geschäftsmodelle, während die Umsätze mit Sprachdiensten sinken. Für 43 Prozent liegt die Zukunft auch in Schnittstellen mit der Infrastruktur, zum Beispiel in Smart City-Modellen. Das reicht von der Energieversorgung bis zur Verkehrssteuerung. 24 Prozent erwarten eine stärkere Vernetzung in Krankenhäusern, etwa für das telemedizinische Management von Diabetes-Erkrankungen.
Haustechnik spielt für 26 Prozent eine Rolle. In den nächsten Jahren sollen intelligente Stromzähler Einzug in die Häuser halten, deren Daten zur Steuerung der Energieversorgung genutzt werden können. Microsoft und RWE haben schon ein Auge darauf geworfen, während Vodafone auf die Vernetzung von Kommunikationsgeräten setzt - Fernseher, Handy, Stereoanlage.
Und weil sich letzten Endes alles ums Geld dreht, soll es auch für dieses neue Dienste geben - etwa als Mobile Payment über Smartphones genau wie mobile Abrechnungsmodelle für Fahrzeugflotten.