Vom technologiegetriebenen Netzanbieter zum Servicedienstleister - der Sprung in neue Branchen ist bereits voll im Gange. Denn die großen Telekommunikationsunternehmen wittern ein neues Geschäft in Branchen wie Energie, Automotive, Einzelhandel oder Healthcare. Dieses Bild zeichnet eine aktuelle Studie von Arthur D. Little.
Getrieben werden die Telcos von der Erosion ihres Kerngeschäfts. Einmal sorgen Regulierungsbehörden und der Wettbewerbsdruck dafür, dass die Preise für das Telefonieren mit Smartphone oder Handy jedes Jahr sinken.
Kostenlose Dienste konkurrieren mit SMS und Telefonie
Aber das größte Kuchenstück vom Umsatz werden die Telcos an Google, Apple und Skype verlieren, die ihre Services meist kostenlos über das Internet anbieten. Wer zahlt noch für eine SMS, wenn er sie über einen Messenger-Dienst wie Whatsapp verschicken kann? Da nützt es wenig, wenn der Umsatz mit reinen Datendiensten laut Arthur D. Little um 20 Prozent jährlich wachsen soll.
Denn die Zahlen sind ernst: Roland Berger hatte bereits vor einem Monat einen Umsatzrückgang bis 2015 von bis zu 20 Prozent prophezeit. Arthur D. Little macht es günstiger, aber nicht weniger bedrohlich: Bis 2015 müssen Telekomunternehmen jährlich mit 1,8 Prozent weniger Umsatz im Kerngeschäft rechnen.
Um gegenzuhalten, können sich die Telekommunikationsunternehmen einmal in ihrem angestammten Markt verbessern. Sie können beispielsweise verschiedene Dienste zu Pakete bündeln, die Preise nach Downloadgeschwindigkeiten differenzieren oder neue Webservices anbieten, wie etwa Telefonica, das einst den VoIP-Anbieter Jajah übernommen hat.
Aber nach Ansicht der Studienautoren sind es vor allem neue Märkte, in denen künftig die Musik spielen wird. Hier können Telcos versuchen, durch Schnittstellenlösungen mit anderen Branchen zusätzliche Umsätze zu generieren.
In angrenzende Märkte eindringen
Beispiele sind die Fernauslesung von Energiezählern (Smart Meter), das intelligente Zuhause ("Smart Home") oder persönliche Sicherheit durch Überwachungsservices über das Internet. Im optimistischen Fall können die Telcos 2015 in diesen Bereichen 1,7 Prozent ihres Umsatzes machen, so die Berater von Arthur D. Little.
In der Automotive-Branche lassen sich Services rund um "Connected Car" oder für das Flottenmanagement platzieren. Diese Telematikdienste mit Flotten und Fracht können sogar bis zwei Prozent des Umsatzes betragen. Den möglichen Umsatz mit Diensten im Gesundheitswesen ("Mobile Health") und mit mobilem Bezahlen beziffert die Studie mit 1,4 Prozent. Und Cloud-Services versprechen ein Potenzial von zwei Prozent.
Damit summieren sich die potenziellen Umsätze, die Telcos mit diesen sogenannten "vertikalen Lösungen" realisieren können, bis zum Jahr 2015 auf vier bis neun Prozent. Auch wenn das den drohenden Einbruch nicht vollständig kompensieren wird, bleibt den Telcos keine andere Wahl. Tatsächlich ist der Aufbruch in diese neuen Märkte bereits voll im Gang.
Schon heute bietet die Deutsche Telekom in sieben von acht angrenzenden Märkten solche Dienstleistungen an. Die Wettbewerber Vodafone und O2 sind laut Studie bisher in sechs Bereiche vorgedrungen, darunter Cloud- und Smart-Metering-Dienste sowie Flottenservices und Bezahlmöglichkeiten im Einzelhandel. Vor diesem Hintergrund zeichnen sich drei Geschäftsmodelle ab, in denen sich alte und neue Märkte teilweise mischen.
Die künftige Struktur der Telco-Branche
Einmal wird es Großanbieter geben, die auf lokaler und globaler Ebene sowohl eine Netzinfrastruktur als auch Services und Inhalte darüber anbieten. Vielversprechend ist etwa Fernsehen über das Internet. Mittels solcher TV-Angebote könnten Telcos ihre Breitbanddienste aufwerten - um vor allem den in Deutschland starken Kabelnetzbetreibern Paroli zu bieten. Diese "Mega-Betreiber" konkurrieren mit Apple, Google & Co., können aber auch mit ihnen kooperieren. Darüber hinaus sind sie zunehmend in Branchen wie Energie, Einzelhandel oder Medizintechnik aktiv.
Alternativ könnte sich ein Unternehmen als "Local Champion" auf eines oder wenige Länder beschränken, aber in der Wertschöpfungskette breit aufgestellt bleiben.
Ein dritter strategischer Weg läge in der Konzentration auf den effizienten Betrieb der Telekom-Netze. So ein "Infrastructure Player" müsste vor allem seine operativen Kosten optimieren. Zudem rechnen die Berater von Arthur D. Little hier mit einer lokalen Marktkonsolidierung.
Für diese elfte Auflage der jährlichen erscheinenden Studie hat Arthur D. Little rund 100 Manager aus Telekommunikations- und Kabelnetz- sowie aus Medien- und Softwareunternehmen befragt.