Analysten-Kolumne

Telekombranche setzt neue Akzente – dank Outsourcing

11.04.2007 von Julia Reichhart
Wenige Branchen haben sich in den letzten Jahren so stark gewandelt wie die Telekommunikation und das europaweit - neue Technologien, neue Services, neue Marktmodelle. Gerade unter Mobilfunk-Anbietern scheint es jüngst in Mode zu kommen, sich zunehmend auf ihre Marke zu konzentrieren und alles andere an Dienstleister auszulagern. Darüber freuen sich u.a. Outsourcing-Anbieter im Telekom-Sektor.
Julia Reichhart, PAC: "Größere Offenheit im Telekommunikationsmarkt gegenüber anwendungsbezogenem Outsourcing."

E-Plus macht es allen vor: In einem 120-Millionen-Euro-Deal lagerte das Unternehmen 2004 seine komplette IT an Atos Origin aus, in diesem Umfang (Complete Outsourcing) ein bahnbrechender Vertrag für die europäische Telekommunikationsbranche. Doch E-Plus ging noch einen großen Schritt weiter und lagerte Anfang März sein Mobilfunknetz an Alcatel-Lucent aus, d.h. Bau, Betrieb und Wartung des Netzes. Dies ermöglicht es dem Unternehmen, sich auf die Vermarktung seiner Marken zu konzentrieren. Zudem verspricht man sich davon langfristig enorme Kosteneinsparungen.

Der westeuropäische Outsourcing-Markt hat damit auch im Telekom-Sektor die Hürde von infrastrukturlastigen Verträgen hin zum Outsourcing von Anwendungen (Application Outsourcing, Application Management, etc.) und Geschäftsprozessen (Business Process Outsourcing) genommen.

Dies zeigt auch der große Vodafone-Deal, in dem das Unternehmen im Herbst letzten Jahres seine Anwendungsentwicklung und -wartung an EDS und IBM abgab. Der externe Betrieb ist Teil eines Sparprogramms, mit dem der Konzern sein Kostenproblem lösen, d.h. in den nächsten Jahren dreistellige Millionenbeträge einsparen will. Darüber hinaus gab das Unternehmen bekannt, weitere Auslagerungsmöglichkeiten zu prüfen, wobei offen blieb, ob es sich um IT, Netzwerk oder anderes Nicht-Kerngeschäft handeln wird. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Vodafone hier in die Fußstapfen von E-Plus treten wird.

Für Outsourcing-Anbieter jedenfalls bedeutet die größere Offenheit von Telekommunikationsunternehmen gegenüber anwendungsbezogenem Outsourcing und BPO, dass in diesem Bereich ein riesiges Potenzial frei wird, während der viel reifere Infrastruktur-Outsourcing-Markt langsam stagniert und unter Kostendruck gerät. Kleinere Telekommunikations-Unternehmen sind ohnehin eher zu Application Management oder BPO (etc.) bereit, wobei die aufkommenden MVNOs diese Entwicklung ganz besonders vorantreiben.

Software- und IT-Dienstleistungen in der deutschen Telekommunikationsbranche: Anteile der Produkt- und Dienstleistungssegmente 2006 und 2010.

MVNO steht für "mobile virtual network operator" und bezeichnet Unternehmen, die Mobilfunk-Services mit anbieten, jedoch kein eigenes Netzwerk besitzen, sondern die entsprechenden Netzkapazitäten einkaufen, z.B. Tchibo (Tchibo Mobil) oder ALDI (ALDI Talk) in Deutschland, Virgin (Virgin Mobile) in Großbritannien oder NRJ (NRJ Mobile) in Frankreich. Diese nutzen letztlich ihren Kundenzugang, um selbst auch vom Telekom-Geschäft zu profitieren, bauen aber keine eigene ICT-Infrastruktur auf. Selbstverständlich benötigen auch MVNOs IT-Unterstützung für die klassischen Business Support (z.B. Billing) und Operational Support Systems (z.B. Provisioning). Doch diese vergeben sie mangels eigener Erfahrung in der Telekommunikationsbranche von vornherein an Externe.

Investitionen in Outsourcing werden steigen

Einige IT-Dienstleister (Outsourcer) wie Danet und Capgemini (etc.) haben sich genau auf diesen Kundenkreis spezialisiert und bieten relativ standardisierte Services zu günstigen Preisen an, wobei sie oft auch On-Demand-Modelle fördern.

Nichtsdestotrotz steckt BPO in der Telekommunikationsbranche fast überall in Westeuropa noch in den Kinderschuhen. Einzig im Bereich Abrechnung wird es vielerorts gerne herangezogen, was sich u.a. deshalb anbietet, weil Billing-Systeme mehr und mehr auf internationaler Ebene standardisiert werden. Hier können mithilfe von BPO einige Kosteneinsparungen erzielt werden. Was die Auslagerung horizontaler Prozesse, z.B. im HR-Umfeld oder der Finanzbuchhaltung betrifft, bleibt Großbritannien alleiniger Vorreiter.

Insgesamt erwartet PAC, dass der westeuropäische Telekom-Sektor in den nächsten Jahren mit am meisten in Outsourcing investieren wird. Dies gilt nicht nur für Mobilfunkanbieter, sondern künftig sicher auch für Festnetzbetreiber. Jedoch wird sich auch in dieser Branche der Preisdruck, unter dem Outsourcer derzeit allgemein leiden, bemerkbar machen. Alles in allem rechnet PAC für die Jahre 2006-10 mit einem Wachstum von durchschnittlich elf Prozent.

Julia Reichhart ist Senior Consultant bei Pierre Audoin Consultants GmbH (PAC).