Wenn der TÜV Nord wieder einmal mit einer anderen Gesellschaft über eine Fusion spricht, dann müssen die beiden Geschäftsführer nicht zwischen Hannover und Stuttgart hin- und herreisen, sondern können sich über Video Conferencing am Bildschirm unterhalten. Jedenfalls sofern der süddeutsche TÜV die gleiche Telepräsenz- Strategie fährt wie der TÜV Nord. Die Kommunikation klappt bei den Norddeutschen auch ohne Tuchfühlung. Gunnar Thaden, CIO beim TÜV Nord in Hannover, führte bereits 2005 Video-over-IP ein. Drei oder vierTeilnehmer konferieren seitdem auf der gedrittelten oder geviertelten Leinwand.
Die Technik für Videokonferenzen hat sich mittlerweile stabilisiert. Frühere Schwachstellen wie eine mangelhafte Bandbreite oder die nicht vorhandene Kompatibilitätv erschiedener Anbieter gibt es nicht mehr. Auch kann man wählen zwischen einer simplen PC-Lösung am Arbeitsplatz oder großen Leinwänden im Konferenzsaal, der sogenannten Telepräsenz.
Dank der IP-Technik sollen Anbieter von Polycom über Tandberg bis Sony laut dem britischen Marktforschungsunternehmen Frost & Sullivan in diesem Jahr etwa 1,8 Milliarden US-Dollar an weltweitem Umsatz machen, 17 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Allerdings weisen Analysten des US-amerikanischen Finanzspezialisten Raymond James in einer aktuellen Studie darauf hin, dass sich das Video Conferencing über das Internet dennoch nicht zu dem Wachstumsmarkt schlechthin entwickeln konnte. Außerdem verschärft sich der Wettbewerb zunehmend, Microsoft kauft sich in den Markt ein. So müssen sich die bisherigen drei Hauptakteure Polycom, Tandberg und Sony auch mit Life Size oder NEC den Markt teilen.
Anders die Situation bei den sogenannten Telepresence-Systemen, der edelsten und ausgereiftesten Technik: Deren Umsatz soll nach einer aktuellen Studie der Marktforscher von IDC von heute etwa 64 Millionen US-Dollar weltweit auf mehr als eine Milliarde im Jahr 2011 steigen. Sind heute knapp 300 derartige Systeme im Einsatz, sollen es in vier Jahren knapp 10 000 sein. Forrester Research weist darauf hin, dass für eine gute Platzierung am Markt ein bedienerfreundliches System ausschlaggebend ist. Mitarbeiter sagen Treffen über den Bildschirm ab, wenn die technische Bedienung länger als zehn bis 15 Minuten dauert. Für den TÜV Nord waren darüber hinaus noch andere Parameter ausschlaggebend für den Erfolg des Video Conferencing. Mit über 7000 Mitarbeitern ist er ein großer technischer Dienstleister in Deutschland und Europa. Wer sich den Slogan "Wir machen die Welt sicherer" auf die Fahnen schreibt, dem liegt auch die Sicherheit des eigenen Videokonferenzsystems am Herzen.
Videokonferenz-Telefonbuch beim TÜV
"Alle ausländischen TÜV-Standorte nutzen jeweils einen separaten DSL-Anschluss für die Videokommunikation", erklärt Thaden die Sicherheitstechnik. Dieser stellt mindestens eine 512-Kbit-Up- und Download- Kapazität zur Verfügung. Außerdem können nur Teilnehmer mit Passwort-Berechtigung an Konferenzen teilnehmen.
In der niedersächsischen Konzernzentrale schützt eine Routing- und Firewall-Funktionalität vor Angriffen von außen, da nur Videodatenströme von vorab registrierten Videokonferenzsystemen zugelassen werden. Die Verbindung baut sich somit per Knopfdruck auf. „Der TÜV-Mitarbeiter in Bangkok wählt aus dem Telefonbuch des Videokonferenzsystems die jeweilige TÜV-Niederlassung aus, mit der er reden möchte,“ sagt Thaden. „Den Rest erledigt die Technik für ihn“. Allerdings gibt es bei einem technischem Ausfall die Möglichkeit, sofortige Unterstützung aus der IT-Abteilung herbeizurufen.
Seit 2006 sind auch ausländische Standorte in das Konferenzsystem eingeschlossen. Finnland, Hong Kong, Bangkok und Taiwan wurden mit einem Konferenzsystem ausgestattet, dann folgten Standorte in Polen, Tschechien, Spanien und Griechenland, Indien und Indonesien. Dafür nutzt der Konzern das Internet. Die Verwaltung der Telefonbucheinträge und der Support sämtlicher Audio- und Videokonferenzen über IP und ISDN erfolgen über eine Web-basierte Lösung zentral von der Konzernzentrale in Hannover aus.
"Für uns war es wichtig, dass die Nutzer Audio- und Videokonferenzen immer spontan, einfach und auf Knopfdruck einberufen können", sagt CIO von Thaden. Die Ausnutzung des Systems beim TÜV Nord spricht für sich: Sie liegt bei 90 Prozent täglich, ist also fast voll ausgelastet. Das System wird überwiegend zur Kommunikation mit unternehmensinternen Partnern eingesetzt. "Bereits nach kurzer Eingewöhnung verwenden neue Nutzer das System so sicher wie ihr eigenes Telefon", versichert von Thaden.