Die Rechner hat ABB Deutschland aus der ehemaligen IT-Zentrale in Mannheim abgebaut, zurückgegeben oder schlicht verschrottet. Zwei der drei feuerfesten Schutzzellen im Erdgeschoss und Keller des ehemaligen Rechenzentrums hat der Elektro- und Anlagenbaukonzern demontiert und umgebaut. Die IT-Zentrale von ABB Deutschland zog 20 Kilometer weiter von Mannheim nach Heidelberg in die Räume von ABB Stotz-Kontakt. Von hier aus steuern nur noch 14 Mitarbeiter um CIO Harald Weickert die IT.
ABB brauchte das Rechenzentrum in Mannheim nicht mehr, weil der Konzern 2003 weltweit die Infrastruktur an IBM ausgelagert hatte. Der über zehn Jahre laufende Vertrag hat einen Wert von 1,1 Milliarden US-Dollar. In Deutschland geht für viele der rund 285 ehemaligen Mitarbeiter der ABB-Infrastruktur das Leben im Mannheimer IBM-Rechenzentrum weiter. Die anderen Kollegen zogen je nach Arbeitsstandort in das nächst gelegene IBM-Rechenzentrum. Zur gleichen Zeit vergab ABB die Anwendungsentwicklung mit 120 Mitarbeitern an CSC Ploenzke.
CIO Weickert lagerte die IT komplett aus. Aufgrund der schlechten Wirtschaftslage entschied sich das Management auch aus globaler Sicht, dass die IT nicht zum Kerngeschäft des Elektro- und Anlagebaukonzerns gehöre. Mit einem im vergangenen Jahr abgeschlossenen Projekt "Step Change" sparte ABB in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren konzernweit jährlich 900 Millionen Dollar; dazu steuerte ABB Deutschland 150 Millionen Euro pro Jahr bei. "Das Outsourcing von Infrastruktur und das Auslagern von Applikationsentwicklung waren wesentliche Bausteine im deutschen Step-Change-Projekt", sagt Weickert.
Natürlich kennt er die kritischen Diskussionen um das Total-Outsourcing außerhalb ABB. Doch wenn es Unternehmen wirtschaftlich schlecht geht, besitzt die IT meist wenig Gewicht, um sich gegen Vorstandsentscheidungen zu wehren. Obwohl er mit dem jetzigen Outsourcing sehr zufrieden ist, hätte er gerne auch selektiv auslagert. "Wenn man unternehmenswichtige Teile der IT selbst in der Hand behält, sind gewisse Aktivitäten einfacher zu steuern", so Weickert.
Die IT war bereits gut aufgestellt, weil Weickert seit 1998 etliche interne IT-Organisationen zusammengeführt, Techniken standardisiert, IT-Bereiche wie WAN, LAN und Rechner-Hosting zentralisiert und IT-Kosten für jede Abteilung transparent gemacht hatte. Trotzdem erhöhte er durch das Outsourcing die Leistung: Projekte ließen sich schneller umsetzen, und Prozesse beschleunigten sich.
Rechner zu- und abschalten nach Bedarf
So laufen zum Beispiel die nächtlichen Batch-Jobs mit deutlich höherem Tempo. "Dauerten Batch-Jobs früher zehn Stunden, so brauchen wir heute nur noch 30 Minuten." Früher konnte ABB solche Batch-Läufe nicht so schnell durchführen, weil sich die einzelnen Rechner nicht auf Knopfdruck zu einem großen Rechnerverbund zusammenschalten ließen. "IT-Dienstleister wie IBM schaffen das schneller, weil sie über neueste Server und Software verfügen, mit der sie Rechner im laufenden Betrieb zu- und abschalten können. Das kann sich ein Unternehmen in gleicher Form nicht leisten", sagt Weickert. "Mit eigenen Rechnern, die üblicherweise für einen längeren Zeitraum beschafft werden, ist ein Unternehmen recht starr ausgerichtet und besitzt nicht die Flexibilität, die ein IT-Dienstleister ungeachtet der Komplexität bieten kann."
Auch die ERP-Systeme konsolidiert ABB einfacher und schneller. Seit September 2004 verlagert Weickert die Inhalte aus den ERP-Systemen auf eine einheitliche Hardwareplattform in das IBM-Rechenzentrum nach Ehningen bei Stuttgart. Die insgesamt 19 ERPSysteme will er bis Ende dieses Jahres auf wenige SAP-Instanzen und Buchungskreise zusammenführen. Bislang migrierte er rund 4000 SAP-Anwender zum Dienstleister, bis Ende 2005 sollen alle 5500 SAPArbeitsplätze dort laufen. Bei den mehrfach durchgeführten Tests für die Migrationen und Konsolidierungen ließen sich die Lastspitzen spontan mit den Ressourcen des Dienstleisters abdecken - und danach per Knopfdruck wieder herunterfahren. "Erst die Rechenleistung auf Abruf bietet die Leistung, diese ERP-Konsolidierung bei uns durchzuführen", erläutert Weickert. "Die Hinzunahme und Reduktion von Hardwareressourcen bieten eine extrem hohe Umstellungsgeschwindigkeit."
Während die Anwender bei ABB bei der täglichen Arbeit mit ihren Rechnern und Anwendungen nichts von der Umstellung mitbekamen, traten in der ersten Übergangsphase kleine Anlaufschwierigkeiten auf. Schnell merkte Weickert, das die Prozesse bei IBM ein wenig anders liefen als bisher bei ABB. "IBM arbeitet mit sehr vielen Prozessen", erläutert Weickert. Jeder kleine Akt einer Aktivität ist detailliert als Prozess beschrieben. Die früheren ABB-Mitarbeiter mussten sich deshalb anfänglich daran gewöhnen, sich allen bis ins Detail geregelten Abläufen eines Dienstleisters anzupassen. "Am Anfang verloren wir durch das Outsourcing etwas an Tempo, weil einige Prozesse zu lange liefen", stellt Weickert rückblickend fest.
So holperte zu Beginn gelegentlich auch die Zusammenarbeit mit dem Help Desk und im Netzwerkbereich: An den Support-Stellen des Dienstleisters saßen nicht mehr immer die gewohnten Ansprechpartner, sondern diese wurden ausgewechselt und wechseln heute noch gelegentlich. "Das waren aber normale Anfangsprobleme, die der Kulturwechsel mit dem Outsourcing mit sich brachte. Wir haben zusammen viele Kompromisse gefunden, an einigen sind wir allerdings noch dran. Wichtig ist dennoch, dass beim Outsourcing die Beziehung stimmen muss." Letztlich bewertet Weickert die Umstellung positiv: "Der Dienstleister hat uns erklärt, wie seine Prozesse ablaufen. Wir haben daraufhin mitgewirkt, dass beide Seiten gemeinsame Anpassungen vornehmen. Unterm Strich hat das ABB und IBM etwas gebracht."
Auch in finanzieller Hinsicht hat sich das Auslagern gelohnt. "Im ersten Jahr des Outsourcings haben wir die früheren IT-Kosten um bis zu zehn Prozent senken können", bilanziert Weickert. Den größten Posten machten dabei die Fixkosten aus, die er nun flexibler gestalten kann. Auch besaß ABB den großen Vorteil, die kompletten IT-Kosten schon vor dem Outsourcing genau zu kennen. Damit verhandelte ABB die Kosten und die Service Level Agreements auf einer sicheren Basis.
Abrechnung auf den Cent genau
Die Grundlage dafür hatte Weickert mit dem selbst entwickelten Verrechnungssystem Isibiz bereits 2002 gelegt (siehe CIO 06/2003 "Volle Kostentransparenz"). Mit dem Tool bestellen alle ABB-Mitarbeiter in Deutschland über das Intranet-Bestellsystem sämtliche IT-Dienstleistungen. Damit sieht jeder Mitarbeiter und Abteilungsleiter für jeden Arbeitsplatz die monatlich anfallenden IT-Kosten, die sie an die IT-Abteilung zahlen müssen. Weickert: "Auf der Basis des Tools verrechnen wir mit dem Dienstleister jede verbrauchte Rechner- und Speicherleistung und andere Volumina wie Internet-Traffic. Wir zahlen keine Pauschale, sondern wir rechnen auf den Cent genau ab."
ABB zahlt an den Dienstleister nach den klassischen Einheiten wie Rechner, WAN, Drucker, CPU-Verbrauch und Speicherplatz. Prozesse rechnet ABB allerdings nicht ab. Das könnte IT-Chef Weickert allerdings dabei helfen, wenn er als Nächstes mit den Verantwortlichen der Geschäftsbereiche daran gehen wird, einzelne Geschäftsprozesse zu standardisieren. "Nach Geschäftsprozessen können wir noch nicht abrechnen. Das wäre der Renner", sagt Weickert.