Der Handel und auch die Industrie sind mit einem immer größeren Informationsbedürfnis der Verbraucher konfrontiert. Sie wollen jederzeit und überall auf Produktinformationen zugreifen, NGOs wie Foodwatch trommeln lautstark für mehr Transparenz. Damit stehen sie nicht allein, immer neue Gesetze greifen dieses Informationsbedürfnis auf.
Mit all dem war der Firmengründer von Kaiser's Tengelmann vor 125 Jahren noch nicht konfrontiert. Damals ist man als Händler noch ans Regal gegangen und hat mit Hand das Preisschild ausgefüllt. Wollte ein Kunde etwas über ein Produkt wissen, hat der Kaufmann auf der Tonspur die Fragen geklärt.
Ein Zustand, von dem Riccardo Sperrle, der CIO beim Lebensmitteleinzelhändler Kaiser's Tengelmann, nicht weiter entfernt sein könnte. Denn heute muss er alle zu einem Produkt verfügbaren Informationen elektronisch zur Verfügung stellen. Da geht es nicht nur um das gesteigerte Informationsbedürfnis der Kunden. Viele unterschiedliche Unternehmensbereiche brauchen Zugriff auf diese Daten: Die mehr als 500 Filialen, Produktion, Einkauf, Vertrieb, Controlling, Rechnungswesen und Logistik.
Momentan gibt es bei Kaiser's Tengelmann drei Warenwirtschaftssysteme. Das macht nicht nur den Austausch schwierig, sondern bedeutet auch, dass an drei verschiedenen Stellen im Unternehmen Menschen sitzen, die Daten erfassen. Weitere Systeme gibt es zum Beispiel für Info-Stehlen, Waagen, Shops, Internet und Apps.
Auch Bereiche wie Produktentwicklung, Rechtsabteilung, Marketing und Qualitätssicherung benötigen für ihre Arbeit Daten. Wenn etwa Bilder abgelegt werden – wo legt man sie ab und in welchen Auflösungen? Und nach welchen Kriterien soll ein regionales Produkt als regional bezeichnet werden?
Gepfuscht wird nicht
Sperrle berichtet in seinem Vortrag auf den Hamburger IT-Strategietagen, dass er immer wieder mit der Aussage konfrontiert wurde: „Ihr seid doch die IT, ihr müsst diese Daten doch haben!". Hatte er nicht. Aber er half dabei, die Beteiligten zusammenzubringen und das Stammdaten-Management der Zukunft voranzutreiben. „Die IT war dabei weniger Enabler, eher Verführer", sagt er. Die beteiligten Bereiche haben ein Jahr zusammengesessen, sich für ein System entschieden und die Grundstrukturen geschaffen. Das Thema kennen nun alle so genau, dass sie es in ihren Bereichen gut erklären und weitertragen können.
Und sie wissen, dass es nicht schnell geht. Drei bis fünf Jahre muss man rechnen. Sperrles letzter Tipp lautet „und gepfuscht wird nicht". Damit meint er, dass man sich lieber Zeit für eine richtig gute Lösung nehmen sollte als etwa auf Biegen und Brechen eine Multichannel-Lösung einzuführen, die ein weiteres System in einer Vielzahl von Systemen darstellt.
Sein Ziel ist es, dass das Stammdaten-System bei Kaiser's Tengelmann nicht nur Artikeldaten sondern auch Kundendaten enthält. Sperrle richtet seinen Blick dann auch auf den Online-Handel: „Wir hoffen, dass wir im Lebensmittelhandel das nächste Zalando sind."