"Technical Debt" meint aufgelaufene Fehler in der Applikationsentwicklung. Alexander Lichtenberg, IT-Vorstand der Bausparkasse Schwäbisch Hall, kennt das Problem: "Seit den Neunzigern bearbeiten wir dieses Feld systematisch, wobei die Intensität in den zurückliegenden drei bis fünf Jahren deutlich zugenommen hat", sagt Lichtenberg: Abgeltungssteuer, Verbraucherrichtlinie, jetzt Single European Payment Area (Sepa), Foreign Account Tax Compliance Act (Fatca) - die gesetzlichen Anforderungen lassen sich nur noch mit erheblichem Aufwand abbilden.
Bereits in den frühen sechziger Jahren hat die mit 6,8 Millionen Sparern kundenstärkste Bausparkasse in Deutschland ihre Prozesse durch IT industrialisiert. "Deshalb hat uns das Thema Technical Debt deutlich früher als andere Unternehmen eingeholt", erklärt der IT-Vorstand. Aktuell modernisiert Lichtenberg die dispositiven und unternehmenssteuernden Systeme der Bausparkasse.
Bis 2014 will er die Neuaufstellung abschließen - wo möglich, mit Standardsoftware. Der Charme der fertigen Programme liegt für Lichtenberg darin, dass die regelmäßige Wartung im Vertrag inbegriffen ist: "In Häusern mit individuell entwickelter Software sind jährliche Wartungen dagegen meistens nicht budgetiert. Dort wird unter Wartung nur operative Fehlerbehebung verstanden, nicht aber das regelmäßige Housekeeping."
Ein Fazit, das auch Bill Curtis, Chef Scientist des IT-Anbieters Cast und Direktor von CISQ (Consortium for IT Software Quality) bestätigt. Wer technische Schulden abbaut, entlaste Entwicklungsbudgets. "Am besten ist es, systemkritische Fehler erst gar nicht mitzuschleifen", meint Curtis. Lichtenberg drückt das so aus: "Wir müssen weg von singulären Modernisierungsvorhaben und hin zu rollierenden Modernisierungsprozessen."
Technical Debt Management
Dass Technical Debt Management eher ein stiefmütterliches Dasein in Unternehmen fristet, hat laut Lichtenberg einen einfachen Grund: Wenn Fachbereiche wie Marketing und Vertrieb sich neue Produkte wünschen, werde die Leistungsfähigkeit der IT an der Umsetzung und der Time-to-Market gemessen. "Was darunterliegt, die nicht-funktionalen Anforderungen, also das Housekeeping, die Bereitstellung einer sauberen Architektur, das wird regelmäßig wegpriorisiert."
Deswegen mag Lichtenberg den Begriff Technical Debt Management: "Wenn von Schulden gesprochen wird, zucken alle zusammen." Wenn sich Fach- und Business-Seite daran gewöhnten, dass auch für das Housekeeping selbst entwickelter Software 20 Prozent des IT-Budgets bereitstehen muss, ließen sich millionenschwere Modernisierungsprogramme vermeiden, ist der IT-Vorstand überzeugt. "Das billigste IT-Projekt ist das, das man nicht durchführen muss."