Altbundeskanzler Helmut Schmidt ist in seiner weisen Betagtheit populär wie nie in der Republik und bekannt auch für ein Bonmot: Wer an Visionen leide, möge zum Arzt gehen. Die Analysten von Freeform Dynamics hingegen sind überzeugt von der Kraft von Visionen – insbesondere für das Rechenzentrum. In einer neuen Studie, die auf einer Befragung von 481 Unternehmen basiert, entwerfen sie eine Vorstellung vom bestmöglichen Data Center. CIOs können anhand des Schemas überprüfen, ob sie in dieser Hinsicht zu den Machern, Träumern oder Traditionalisten zählen.
Ausgangspunkt der Untersuchung ist der Verdruss, den das Rechenzentrum aus IT-Sicht verursacht. „Der vielleicht bezeichnendste Sachverhalt einer typischen Data Center-Umwelt von heute ist ein Mangel an Flexibilität und Ansprechbarkeit“, diagnostiziert Analyst Dale Vile. Irgendetwas fehlt demnach immer, Zeit und Geld für notwendige Software- und Hardware-Implementierungen zum Beispiel. Hinzu kommen die organisatorischen Reibungsverluste, die durch die Aufgabenverteilung an diverse Teams aus Spezialisten für Server, Storage, Netzwerke, Sicherheit und Applikationen entstehen.
Derlei Friktionen seien auf Dauer nicht nachhaltig, so Freeform Dynamics. Zwar gebe es seit einigen Jahren vielversprechende Technologien und hochwirksame Best Practices, um die Probleme zu lösen. „Diese erfordern aber oft einen neuen Denkansatz über das Rechenzentrum und sogar einen anderen Weg, die für IT-Operationen verantwortlichen Teams zu organisieren“, schreibt Vile.
Gefahr noch größerer Fragmentierung
Die ganz simple Weg funktioniert laut Freeform Dynamics wie so oft nicht: das komplette Auslagern der IT-Services in die Public Cloud. "Die Wahrheit ist, dass frühe Experimente mit cloud-basierten Services die Gefahr einer noch größeren Fragmentierung aufgezeigt haben", so Vile weiter. Unrealistisch sei die Annahme, dass ein einzelner Provider alle eigenen Anforderungen an Infrastruktur, Plattform und Anwendungen erfüllen könne. Weil Standards für Interoperabilität und Migration von Cloud Services erst rudimentär entwickelt seien, lande man als Anwender allzu schnell in einer Wüstenei aus Service-Silos.
Angesichts dieser Ausgangslage entwirft Freeform Dynamics ein ebenfalls komplexes Studiendesign, das sich nur schwer nach exakten Zahlen filtern lässt. Zunächst fragen die Analysten nach der aktuellen Data Center-Performance, aufgeschlüsselt nach Indikatoren wie Erfüllung von Nutzererwartungen, Change Requests, Service Levels, Kostenkontrolle und Business Alignment. Jeweils etwa ein Fünftel der Befragten tut sich überall sehr leicht, ein weiteres Fünftel scheint alles gut im Griff zu haben. Der Rest offenbart merklichen Nachholbedarf.
Vision für das Rechenzentrum der Zukunft
Freeform Dynamics entwirft deshalb thesenartig eine Vision für das Rechenzentrum der Zukunft: Das Data Center sind demnach idealerweise der Mittelpunkt jeglicher IT Service-Delivery; On-Premise-Ressourcen sind größtenteils in virtualisierten Pools mit dynamischem Ressourcen-Management organisiert; ein ganzheitlicher Ansatz für Architektur und Operationen sorgt für einen klaren Fokus auf Business Services und Service-Qualität; außerdem wird alles nach den fürs Business gelieferten Services bewertet; Kosten werden auf Basis von Aktivität und Verbrauch der Fachabteilungen abgerechnet.
Die Studie stellt fest, dass die Anwender alles das weithin als wünschenswert erachten. Signifikant niedriger sei die Zustimmung bei zwei weiteren Thesen.
-
Erstens kommt weniger gut an die Vorstellung einer unvoreingenommenen Sichtweise auf Ressourcen, die je nach Bedarf einen Mix aus internen und externen Kapazitäten vorsieht. Das Problem liegt aus Analystensicht darin, dass in den Köpfen vieler IT-Chefs eine klare Trennlinie verläuft zwischen IT, die intern bereitgestellt werden sollte, und IT, die in die Public Cloud wandern kann. Gleichwohl seien Anwender von Public Cloud-Services in der Regel der Ansicht, dass eine Integration mit der Gesamt-IT sinnvoll sei.
-
Zweitens haben die Befragten mehrheitlich eher wenig Interesse an einer Selbstbedienung durch die End User. „Diese Angst stammt zweifelsohne aus vergangenen Erfahrungen“, heißt es in der Studie. Egal ob die Nutzer sich selbstständig bei Analyse-Tools, Mailbox-Kapazität, File Storage oder Collaboration via SharePoint bedienten, das Ergebnis seien zumeist ein arges Durcheinander und verschwendete Ressourcen gewesen.
Macher, Träumer und Traditionalisten
Dennoch sind sich in der Stoßrichtung die meisten Studienteilnehmer einig. Zu unterscheiden ist nun laut Freeform Dynamics danach, ob die Befragten aktiv in die gewünschte Richtung steuerten, nur von der Vision träumten oder sich als Traditionalisten ihr verweigerten. Letztere sind im Panel klar in der Minderheit. Die Analysten relativieren das aber dahingehend, dass dies zum Teil sicher am gesteigerten Interesse der Visionäre an einer Partizipation an der Online-Umfrage liege.
Als ein entscheidender Differenzierungsfaktor kristallisiert sich die bereits erreicht Virtualisierungsstufe heraus. Traditionalisten haben deutlich weniger Server und Storage virtualisiert. Freeform Dynamics interpretiert dies so, dass Virtualisierungs-Erfahrung den Horizont erweitere und ein allgemeines Interesse an Automatisierung wecke. Dies ermuntere auch zum Einsatz von Private Cloud-Lösungen.
Prinzip "Unified Infrastructure"
Ein fundamentales Prinzip für das Rechenzentrum der Zukunft ist laut Freeform Dynamics „Unified Infrastructure“. Computer, Storage und Netzwerke würden dabei als integriertes Ganzes wahrgenommen. Um aus der Vision Realität werden zu lassen, müsse neben den Investment in Tools auch in die Bewusstseinsbildung der Mitarbeiter investiert werden. Außerdem seien beispielsweise Budget-Hürden zu überwinden.
Der entscheidende erste Schritt, den die Macher bereits zumeist bereits hinter sich haben, sei der Aufbau eines diskreten, aber voll integrierten Private/Hybrid Cloud-Setups. „Sobald diese neue Umgebung eingebettet ist, können ältere Applikationen schrittweise migriert werden – dadurch werden Hardware-Ressourcen im Pool frei, sobald sich Wachstum einstellt“, heißt es in der Studie.
60 Prozent der Macher bevorzugten diesen Ansatz. In einer größeren Umwelt sei es leichter möglich, die besten Server-, Storage- und Netzwerkspezialisten zum Design und Aufbau des neuen Rechenzentrums zusammenzuziehen. „Der Fortschritt der Technologie und die Evolution der Business-Agenda sind nicht aufzuhalten“, so Analyst Vile. Am Status Quo festzuhalten sei in den meisten Unternehmen jedenfalls kein nachhaltiger Weg.
Die Studie „A Vision for the Data Center” ist bei Freeform Dynamics erhältlich.