Der Wettbewerb auf dem Energiemarkt hat sich verschärft und Branchengrenzen verfließen - viel stärker als früher müssen sich Stadtwerke mit anderen Marktteilnehmern messen. Trends wie der demografische Wandel, neue Konsum- und Mobilitätsmuster sowie die fortschreitende Urbanisierung beschleunigen die Entwicklung.
Über alledem steht der digitale Wandel als zentrale Herausforderung. Stadtwerken steht es offen, sogenannte energienahe Felder für sich zu erschließen - beispielsweise Carsharing-Angebote, WLAN-Geschäftsmodelle, Smart Living oder regionalen Stromhandel. Diese bieten Versorgern das Potenzial, neue Kunden zu erreichen und bestehende Beziehungen zu festigen. Was diese Chancen verbindet: Die Basis all dieser Geschäftsmodelle sind digitale Technologien. Für deren Erschließung fehlt es Stadtwerken jedoch oft an Expertise und internen Ressourcen.
Innovationsplattform als Netzwerk
An dieser Stelle setzt die Innovationsplattform der Thüga an, die 2011 gegründet wurde: Sie ist ein Netzwerk aus Versorgern in stetigem Austausch und enger Zusammenarbeit mit Akteuren aus Forschung und Industrie sowie Tech-Startups. Dreh- und Angelpunkt ist das Team der Innovationsplattform. Ziel ist es, Ressourcen effizient zu nutzen und Herausforderungen gemeinschaftlich zu meistern.
Derzeit sind 39 Stadtwerke auf der Innovationsplattform aktiv - als Partnerunternehmen, die von den Angeboten der Plattform profitieren, und als Impulsgeber, die ihre Ideen, ihre Erfahrungen und auch ihre Ressourcen teilen. All dies koordiniert das Team der Innovationsplattform: Es analysiert den Markt, prüft potenzielle Geschäftsmodelle und beobachtet relevante Startups.
Um dem Weg zu einem tragfähigen Geschäftsmodell eine Struktur zu geben, wurde der Thüga-Innovationsmanagement-Prozess (TIM-Prozess) eingerichtet. Der TIM-Prozess bündelt sämtliche Innovationsaktivitäten der Thüga-Gruppe und strukturiert sie. Digitale Geschäftsmodelle und Technologien sollen dadurch schnell und effektiv in den Markt gehen. TIM deckt den gesamten Innovationsprozess ab, von der Identifizierung der Potenziale über die Konzeption und Pilotierung von Geschäftsmodellen bis hin zur erfolgreichen Markteinführung.
Ergänzend zum TIM-Prozess fungiert der 2018 eingeführte E-ccelerator als Inkubator für digitale und innovative Lösungen: Stadtwerke geben ihre Ideen nicht nur ein, sie übernehmen die Projektleitung direkt selbst. Ähnlich einer "Höhle der Löwen" konkurrieren kreative Teams mit ihren Geschäftsideen regelmäßig um Budgets und Ressourcen. Eine Jury aus Vertretern der Innovationsplattform und der Thüga-Partnerunternehmen entscheidet über die Vergabe. Erhält ein Projekt den Zuschlag, setzen es die Product Owner bis zur Marktreife um.
Beispiel-Projekt Carsharing mit E-Autos
Das Projekt "Kommunales Mobilitäts-Sharing" wurde beispielsweise gemeinsam von Thüga und Partnerunternehmen initiiert. Das Stadtwerk bietet seinen Kunden ein Carsharing mit Elektrofahrzeugen an, das zur Reduktion verkehrsbedingter Emissionen und des Verkehrsaufkommens beiträgt. Es etabliert sich als zentraler Betreiber und stellt neben der Buchungsplattform auch die notwendige Ladeinfrastruktur bereit. Die EVL Energieversorgung Limburg war als Pilotpartner ab dem Projektstart beteiligt und hat bereits die Ausschreibung für das Aufsetzen einer geeigneten IT-Plattform mitbegleitet.
In Workshops mit der EVL und dem IT-Dienstleister nahm das Modell Gestalt an. Mit dem Projektfortschritt wuchs auch das Team um Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen der EVL - vom Controlling bis zum Fuhrparkmanagement. Acht Monate und einige Erfahrungen später war das größte Learning: Es muss nicht von Beginn an alles perfekt sein - wichtig ist, mit einfachen Lösungen zu starten. Ebenso wertvoll ist es, Kundenfeedback abzuwarten und danach das Modell anzupassen. Viele dieser Erkenntnisse fließen in die Umsetzung bei anderen Stadtwerken - und mit der IT-Plattform existiert bereits die Basis eines skalierbaren Geschäftsmodells.
Zusammenarbeit mit Microsoft Teams
Diese und weitere Erfolgsgeschichten sollen verbreitet werden: Die Innovationsplattform organisiert daher regelmäßige Formate wie Anwendertreffen oder Innovationsforen. Das Jahrestreffen bringt Vertreter aller 39 Mitgliedsunternehmen zusammen, um gemeinsam aktuelle Themen zu diskutieren. Daneben setzt die Plattform auf das Extranet der Thüga-Gruppe als digitales Informationsportal. Zur intensiveren Zusammenarbeit sind Tools wie Microsoft Teams im Einsatz oder Vertreter der Stadtwerke erhalten durch kurze Hospitation Einblicke in die Arbeitsweise der Innovationsplattform.
Über die Thüga Thüga ist das größte kooperative Netzwerk kommunaler Energie- und Wasserdienstleister in Deutschland. Mehr als 100 Stadtwerke bilden die Thüga-Gruppe. Moderiert wird Deutschlands größtes Stadtwerke-Netzwerk durch die Thüga Aktiengesellschaft mit Sitz in München. |
Die Projekte der Innovationsplattform umfassen den Einsatz unterschiedlicher Technologien, etwa die Blockchain-Technologie. Andere Geschäftsmodelle der Innovationsplattform basieren auf Big Data Analytics und künstlicher Intelligenz oder bringen Sensorik und IoT-Funknetze zusammen. Dabei unterstützen Startups aus dem Tech-Bereich, die neben der Expertise die Fähigkeiten zur Umsetzung mitbringen.
Im Kern verfolgen die Thüga-Stadtwerke mit der Innovationsplattform drei Ziele:
die Optimierung und das Wachstum im Kerngeschäft durch Geschäftsmodelle im Bereich Smart Energy
die Sicherung des Bestandsgeschäfts zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
die Generierung zusätzlicher Erlöse durch Erschließung neuer Felder wie Mobilität, Smart City und Smart Living.
Die Plattform - mit ihren Möglichkeiten zum Netzwerken, zum Erfahrungsaustausch und zur Zusammenarbeit - spielt eine essenzielle Rolle: Neben der Optimierung des Bestandsgeschäfts und zahlreichen neuen Themen geht es vor allem um die Moderation eines kulturellen Wandels hin zu Offenheit gegenüber innovativen Ansätzen und Methoden. Sowohl die Stadtwerke als auch das Team der Innovationsplattform lernen durch die Zusammenarbeit in Projekten mit Startups, Forschungsinstituten und Industrie.