Der Essener Industriekonzern Thyssenkrupp will mit seinem indischen Konkurrenten Tata gegen massive Proteste einen neuen europäischen Stahlgiganten schaffen. Nach mehr als einjährigen Verhandlungen einigten sich beide Unternehmen grundsätzlich auf die Fusion ihrer europäischen Stahlsparten.
Bei beiden Konzernen sollen je 2000 Stellen wegfallen und insgesamt 400 bis 600 Millionen Euro Synergien entstehen. Die neue Gesellschaft soll ihren Sitz in den Niederlanden haben. Der endgültige Vertrag soll Anfang 2018 unterzeichnet werden, wie Thyssenkrupp am Mittwoch in Essen mitteilte. Die Kontrollgremien der beiden Unternehmen müssen den Plänen noch zustimmen.
Betriebsrat will "das Schlimmste" verhindern
Der Betriebsrat der Thyssenkrupp-Stahlsparte sprach von einer falschen Entscheidung. "Der Vorstand hat gegen alle Warnungen alles auf eine Karte gesetzt. Das bedeutet nicht, dass wir das gutheißen", sagte der Betriebsratschef der Stahlsparte, Günter Back, der Deutschen Presse-Agentur. Ziel müsse es nun sein, "das Schlimmste" zu vermeiden.
Back zeigte sich überzeugt, dass es bei einer Fusion nicht bei dem angekündigten Abbau von rund 2000 Stellen bei Thyssenkrupp in Deutschland bleiben werde. Am Ende würden einem Zusammenschluss "wesentlich mehr" Arbeitsplätze zum Opfer fallen, meinte er. Für diesen Freitag haben Betriebsrat und IG Metall zu einer Protestkundgebung in Bochum aufgerufen, zu der mindestens 5000 Stahlkocher erwartet werden.
Arbeitnehmervertreter dagegen, Krupp-Stiftung dafür
Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger zeigte sich jedoch überzeugt, dass es gelingen werde, in den bevorstehenden Gesprächen auch die Arbeitnehmerseite von dem Vorhaben zu überzeugen. "Wir wollen den Stahl nicht loswerden", sagte er. Die Arbeitnehmervertreter hatten zuvor angekündigt, bei einer möglichen Abstimmung im Aufsichtsrat geschlossen gegen eine Fusion stimmen zu wollen. Ein solches Votum wäre ein Novum in der Konzerngeschichte. Zu einer Abstimmung werde es bei der am kommenden Samstag geplanten Sitzung des Aufsichtsrats jedoch zunächst nicht kommen, kündigte Hiesinger an.
Die Krupp-Stiftung als wichtige Großaktionärin begrüßte das Vorhaben. Hiesinger stellte durch die Fusion eine "nachhaltige Zukunftsperspektive" in Aussicht. Mit dem Zusammenschluss seien beide Unternehmen "weitaus besser aufgestellt, um den strukturellen Herausforderungen von Europas Stahlindustrie zu begegnen". Durch den Zusammenschluss würden beide Unternehmen von erheblichen Synergien profitieren, hieß es. Tata Steel-Chef Natarajan Chandrasekan sprach von einem "Meilenstein" für beide Partner.
Raus aus den Restrukturierungsprogrammen
In einem Brief an die Mitarbeiter wies Hiesinger auf "erhebliche Überkapazitäten" in der Stahlbranche hin. Die Nachfrage nach Flachstahl wachse nur sehr langsam. Alle Stahlunternehmen arbeiteten mit Restrukturierungsprogrammen dagegen, heißt es in dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorlag. "Die Wirkung ist aber nur von kurzer Dauer und schnell vom Markt aufgezehrt." Dadurch entsteht eine Abwärtsspirale, die uns dazu zwingt, immer wieder schmerzhaft nachzuziehen." Um aus diesem Kreislauf auszubrechen, habe man sich für den Zusammenschluss entschieden.
Thyssenkrupp und Tata beabsichtigen je 50 Prozent der Anteile an dem neuen Gemeinschaftsunternehmen zu halten. Nach dem Zusammenschluss kommt das Unternehmen auf etwa 48000 Mitarbeiter - wovon 27000 von Thyssenkrupp kommen. Durch die Fusion würde hinter dem Branchenprimus ArcelorMittal das zweitgrößte Stahlunternehmen in Europa entstehen, gemessen an der Produktion. Das neue Unternehmen mit dem Namen Thyssenkrupp Tata Steel mit aktuell 34 Standorten würde einen Umsatz von rund 15 Milliarden Euro erzielen. (dpa/rs)