IT-Karriere

Tipps für den CIO von morgen

23.08.2016 von Simon Hülsbömer und Martha Heller
Die Rolle des CIOs wandelt sich. Wer einen Job als IT-Manager anstrebt, sollte einiges beachten.

Planen Sie eine CIO-Karriere? Haben Sie vielleicht eine Position als IT-Entscheider in Aussicht, wissen aber nicht, ob es das richtige für Sie ist? Steigen Sie gerade erst in den Beruf ein und wollen einen Karriereplan entwickeln? Egal, in welcher Situation Sie stecken - um CIO zu werden, braucht es neben Timing und bestimmt etwas Glück auch die passende Arbeitseinstellung und die richtige Denke. Doch wie genau sieht die aus? Was ist auf dem steinigen Weg zum CIO-Job zu beachten? Um das zu ergründen, haben wir einen gefragt, der bereits erfolgreich als CIO arbeitet: Thomas Lord, CIO von Energieversorger UGI Utilities gibt einige konkrete Tipps für künftige CIOs.

Nicht ablenken lassen

Es ist schnell passiert, dass man sich von "hippen" Trendthemen wie Consumerization und Cloud, IT-Innovationen und neuer Technik ablenken lässt. Aber Achtung: Die Grundlagen der IT haben sich nicht verändert! "Jeder Schreiner arbeitet heute noch nach den gleichen Prinzipien wie Noah beim Bau der Arche", meint Lord augenzwinkernd. "Die Werkzeuge haben sich verändert, die Handlungsgrundlagen hingegen nicht. Ein CIO muss Fähigkeiten und Lösungen liefern, die dem Business helfen - und nicht sein technisches Können demonstrieren."

Auch wenn überall am Wegesrand verführerische Hypes lauern - die soliden Grundlagen der IT sind heute dieselben wie schon immer.
Foto: Lightspring - shutterstock.com

Der "perfekten Lösung" widerstehen

"Akzeptieren Sie die Tatsache, dass Sie nie 100 Prozent von allem werden automatisieren können - deshalb sollten Sie sich dieses Ziel gar nicht erst setzen, selbst wenn es Ihre Geschäftspartner von Ihnen verlangen", rät der UGI-CIO. Er erinnert sich an einen Kollegen, der nach einem neuen System verlangte, das die Schnittstelle zweier bereits vorhandener Systeme automatisieren sollte - Kostenpunkt 500.000 Dollar. "Es machte weitaus mehr Sinn, dass ein Mitarbeiter jede Woche 30 Minuten damit verbringt, diese Aktion händisch auszuführen - warum Hunderttausende Dollar ausgeben, wenn es auch jemand für 25.000 macht? Nur, weil wir theoretisch alle Funktionen automatisieren können, heißt das ja nicht, dass wir das auch tun sollten."

Innovation ist zudem immer kontextabhängig und von Unternehmen zu Unternehmen verschieden: "Für UGI Utilities ist es innovativ, ein Altsystem abzulösen oder eine robuste Webpräsenz hochzuziehen - für ein anderes Unternehmen mit aktuelleren IT-Systemen ist es das nicht", so Lord und fasst treffend zusammen: "Für einen Barfüßigen ist sogar ein Paar Schuhe noch eine Innovation."

Wie innovativ sind die IT-Bereiche?
Wie innovativ sind die IT-Bereiche?
Wie innovativ sind die europäischen IT-Bereiche? Das wollte der Managed-Service-Provider Claranet für die vierte Augabe seines "Research Report" wissen. Er fragte 900 (IT-)Entscheidungsträger in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Portugal und den Benelux-Ländern nach ihrem Rollenverständnis und der Bedeutung von Innovationen im Unternehmen.
Gibt es bei Ihnen ein Innovationsprogramm?
In einer europaweiten Umfrage antworten auf diese Frage erstaunlich viele deutsche IT-Entscheider mit „Ja“. In Frankreich und vor allem in Spanien behaupten allerdings noch mehr Teilnehmer, dass bei ihnen ein solches Programm existiert. Groß ist überall der Anteil der Firmen, die sich mit entsprechenden Plänen beschäftigen.
Wer treibt die Innovationen voran?
Dem Claranet Research Report zufolge treiben vor allem die IT-Bereiche Innovationen voran. Im europäischen Mittel folgen Operations und Marketing. Bei uns und in Großbritannien spielt auch das Produkt-Management eine Rolle.
Digitale Strategie?
Vor allem spanische, französische und deutsche Unternehmen folgen einer digitalen Strategie. Im europäischen Durchschnitt haben knapp neun von zehn Unternehmen einen Masterplan für die Digitalisierung.
Wie ausgeprägt ist das innerbetriebliche Verständnis?
Business-Innovationen erfordern Verständnis zwischen IT und Fachbereichen. Besonders gut funktioniert das im operativen Betrieb, eher schlecht in der Zusammenarbeit mit HR.
Womit verbringen IT-Bereiche ihre Arbeitszeit?
Hierzulande widmen die IT-Bereiche dem Thema Innovation zwölf Prozent der gesamten Arbeitszeit. Das ist viel im europäischen Durchschnitt, aber immer noch zu wenig.

Business und IT - nur gemeinsam stark

"Ich sehe nicht, wie jemand in der IT erfolgreich sein kann, ohne das Geschäft zu verstehen, das die IT unterstützt", unterstreicht Lord. Allein das Business zu sehen, genügt indes auch nicht. Ambitionierte IT-Manager vergessen häufig, ihr eigenes Verständnis daraufhin zu prüfen - "Wenn unsere Geschäftsentscheider die IT verstehen würden, wären sie in der Lage, in für IT'ler verständlicher Sprache zu erklären, was sie wollen", so Lord. "Und immer dann, wenn sie meinen, die IT zu verstehen, kommt am Ende ein Chaos dabei heraus und wir liefern die falschen Produkte, weil die Anforderungen falsch formuliert waren."

Ob agile Softwareentwicklung oder ein sorgsamerer Definierungsprozess bezüglich Anforderungen - "Sie müssen zwischen IT und Business ein gemeinsames Verständnis von Business-Problem und technischer Lösung entwickeln", unterstreicht der CIO. Warum scheitern IT-Lösungen denn? Weil das Problem, für das sie entwickelt wurden, ein anderes ist, als das, für das sie entwickelt werden sollten.

Als Lord bei UGI anfing, verbrachte jeder IT-Mitarbeiter seine komplette Arbeitszeit innerhalb seiner Abteilung - Lord wies deshalb an, dass jeder seiner Mitarbeiter volle fünf Tage in einer anderen Abteilung verbringen musste. "Wir verdienen unser Geld damit, Leitungen im Boden zu verlegen und Kabel an Masten zu befestigen, um unseren Kunden und Gemeinden sicher und zuverlässig mit Energie zu versorgen", erklärt er. "Wie sollen wir Technologie entwickeln, um das zu optimieren, wenn wir aus der IT das Ganze nie zu Gesicht bekommen?"

Bitte keine Überregulierung

Große Unternehmen investieren Unmengen Zeit und Geld in ein komplexes Konstrukt aus strategischen Gremien, Investitionsausschüssen und andere Governance-Strukturen. Kleinere Unternehmen brauchen das nicht. "Governance ist wichtig, sie kann aber auch einfacher gestaltet werden, wenn CIO und CEO die gleichen Ziele verfolgen", rät Lord. Habe ein Unternehmen maximal 200 Mitarbeiter, brauche es oft gar nicht mehr. Lord: "Mit Governance soll die Angleichung zwischen Vorstandsplänen und IT-Strategie einfacher werden. Regulieren Sie dieses Alignment nicht zu Tode."

Es geht um das Vertrauen

Wer den Willen mitbringt, zuzuhören, sowohl Problem als auch Lösung versteht und dann auch noch darauf zugeschnittene Produkte und Services liefert, baut Vertrauen auf. "Je weiter Sie Ihre Karriere auf die CIO-Rolle hinbewegen, desto stärker sollten sie die Entwicklung und die Pflege dieses Vertrauen in jeden Teil Ihrer Arbeit einbauen", empfiehlt der CIO. Wer bereits CIO ist, sollte sich selbst fragen, welche Mitarbeiter ihm direkt das Vertrauen aussprechen würden. Fallen dann keine Kollegen ein, ist man vielleicht nicht der richtige für den Job. Sind es nur eine Handvoll Kollegen, sollte man das Vertrauen fördern und die Kollegen zu persönlichen Fürsprechern machen.

Vision als Teamaufgabe

Von CIOs werden eine klare Vision, eine nachvollziehbare Strategie und ein deutlich abgesteckter Weg dorthin erwartet. Auch wenn solch ein Ansatz ein erfolgreiches Ergebnis sichert, trägt er doch wenig dazu bei, dass sich das IT-Team ein Projekt zu Eigen macht und voll dahintersteht. "Ich selbst gebe deshalb nur vage eine Vision aus und bitte beim Team, eigene Ideen mit einzubringen", erklärt Lord. "Nur so kommt eine Vision heraus, mit der sich das gesamte Team identifiziern kann. Die Kollegen sind dann stolz, gemeinsam mit ihrem Team an der Ausgestaltung mitzuarbeiten."

Coachin Silvia Maute über die drei großen V des Teambuilding
Teamaufbau
Coachin Silvia Maute legt dem Teambuilding zunächst einmal "drei große V" zugrunde, nämlich Vertrauen, Verantwortung und Veränderung. Das heißt konkret ...
Vertrauen
Vertrauen beinhaltet, sich etwas zu trauen. Sich eine Rolle als Teamführer zuzutrauen. Das hat mit Selbstwert zu tun. Wer diesen Punkt für sich klären kann, so Maute, erreicht den nächsten fast von selbst: "Wer sich selbst vertraut, strahlt das aus. Und das hat positive Auswirkungen auf das Vertrauen anderer in ihn – und umgekehrt."
Verantwortung
Verantwortung wiederum hat mit "Antwort" zu tun. Wer die Verantwortung für eine Aufgabe oder ein Team übernimmt, braucht Feedback von den Teammitgliedern. Wichtig: dieses Feedback muss ein "Wir" ausdrücken – "wir als Team" wollen dieses oder jenes erreichen. Teambildung scheitert, wenn bei Problemen oder Fehlern die Verantwortung auf Einzelne projiziert wird.
Veränderung
Veränderung stellt die Frage, was das Team nicht nur durch das jeweilige Projekt erreichen, sondern möglicherweise auch im ganzen Unternehmen verändern will. Jeder Einzelne im Team wird sich durch Projekt und Teamarbeit selbst verändern, etwa neue Kenntnisse entwickeln und neue Kollegen kennenlernen. Doch der Blick sollte darüber hinaus reichen.
Rausbleiben aus dem Dschungel
Spektakuläre Teambuilding-Events wie etwa Survival-Trips im Urwald oder gemeinsames Bungee-Jumping hält die Coachin nicht für notwendig. Zumindest nicht für den Anfang eines Teams. "Ziel kann ja nicht sein, jemanden, der sich nicht traut, als 'Loser' dastehen zu lassen", mahnt sie. Zwar sei Emotionales wichtig – es schweißt zusammen, wenn das neu aufzubauende Team auch mal miteinander gelacht hat. Doch hier sei Augenmaß gefragt.
Extra-Tipp Tagebuchschreiben
Noch ein Tipp der Coachin: Tagebuch schreiben. Und zwar nicht am PC, sondern mit der Hand auf Papier. "Durch den Akt des Schreibens verarbeitet man Dinge und kriegt sie aus dem Körper raus", sagt Maute, "damit ist Tagebuchschreiben auch eine Form von Burnout-Prävention."
Coachin Silvia Maute
Silvia Maute ist Mentalcoachin in München und Pfaffenhofen. Sie arbeitet mit Informatikern, Bankern, aber auch Spitzensportlern.

Seien Sie ehrlich zu sich selbst

"Überlegen Sie sich gut, ob Ihnen die CIO-Rolle wirklich liegt. Ich habe viele Menschen mit tollen Studienabschlüssen in Informatik gesehen, die dachten, dass sie später unbedingt CIO sein wollen. Aber tatsächlich interessierten sie sich nur für die Technik, nicht für die Menschen", so Lord. Mit dem Siegeszug desCloud Computing ist IT aber zu einer Profession geworden, in der mehr Wert auf persönliche Beziehungen, Teamwork und Strategie gelegt wird als auf Software-Entwicklung.

"Programmierer, die ihren fertigen Code in ein Repository hochladen, ohne vorher, währenddessen oder hinterher mit Menschen gesprochen zu haben, wird es nicht mehr geben", meint der CIO von UGI Utitlities. "Die IT-Profis der Zukunft müssen das Zusammenspiel von Technik, Menschen und Prozessen begreifen."

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation cio.com.