CIO: Eine Illustration in Ihrem gerade in überarbeiteter Auflage erschienenen Buch Das IT-Karrierehandbuch wird mit den folgenden Sätzen betitelt: "Viele IT-Mitarbeiter halten sich unberechtigterweise für überdurchschnittlich doof, inkompetent und begriffsstutzig. Deswegen verstecken sie sich jahrelang in Jobs, die sie eigentlich schrecklich finden." Warum ist das so?
Martina Diel: ITler sind häufig sehr sachorientiert und sehr interessiert daran, viel über technische Dinge zu lernen. Darüber vernachlässigen sie wichtige Themen wie das Selbstmarketing oder die Frage, wie man sich richtig präsentiert. Die Annahme "Wenn ich gut bin, wird das schon jemand sehen und mir weitere spannende Aufgaben anbieten" ist ein Trugschluss. Das passiert häufig so nicht.
CIO: Wie kann man hier gegenwirken?
Martina Diel: An erster Stelle sollte eine Selbsterkenntnis stehen. Ein IT-Experte sollte sich fragen, was er gern tut und worauf er sich freut. Ich vergleiche diese Selbstanalyse gern mit dem Schreiben einer Bedienungsanleitung. Wenn ich ein technisches Gerät wäre, worauf müsste man bei mir achten? Muss ich zum Beispiel erst einmal warmlaufen, bevor ich voll einsatzfähig bin? Gibt es Shortcuts, die man besser kennen sollte? Vor bestimmten Karriereschritten - etwa dem zum Projektleiter - ist es sinnvoll, sich ehrlich zu fragen, ob man das wirklich selbst möchte oder es nur glaubt, weil alle anderen diesen Schritt von einem erwarten und er folgerichtig scheint.
CIO: Woran kann es noch liegen, dass ITler in den falschen Jobs arbeiten?
Martina Diel: Ich beobachte immer wieder ITler, die sich an Glaubenssätze klammern, zum Beispiel an Aussagen wie "Lieber bin ich arm als auf Kosten anderer Leute einen Haufen Geld zu verdienen." Wer Erfolg und Unmoral so aneinander koppelt, hindert sich selbst am Weiterkommen, denn ein unanständiger Mensch möchte man ja nicht sein.
CIO: Wie findet man heraus, ob eine Tätigkeit im IT-Management mit Führungsverantwortung das Richtige für einen ist?
Martina Diel: Ich würde meinen Arbeitstag durchgehen und genau darauf achten, auf welche Aufgaben ich mich freue. Hat man zum Beispiel Spaß daran, ein Meeting zu koordinieren, oder empfindet man das als unangenehm? Steht man gern im Mittelpunkt oder tüftelt man lieber allein am Rechner? Wer sich solche Fragen stellt, sollte bei den Antworten unbedingt ehrlich zu sich selbst sein, schon im eigenen Interesse. Wichtig ist es auch, sich nicht von Anfang an auf eine Sache zu versteifen, sondern viele Dinge auszuprobieren. So findet man ganz praktisch heraus, ob die Aufgaben zu einem passen oder nicht.
CIO: Was raten sie ITlern, die höher hinaus wollen?
Martina Diel: Sie tun gut daran, ihre Karrierewünsche dem Vorgesetzten gegenüber deutlich zu machen und sollten nicht darauf warten, dass sie danach gefragt werden. Jahresgespräche sind ein guter Zeitpunkt, um Karriereschritte zu vereinbaren, die einen ans Wunschziel führen. Wer noch am Anfang seiner IT-Karriere steht, kann zum Beispiel als Teilprojektleiter lernen, erste Projektverantwortung zu übernehmen. Funktioniert das gut und fühlt man sich auf dem richtigen Weg, können Projekte mit Budget- und Personalverantwortung die nächsten Schritte sein.
Das Xing-Profil schärfen
CIO: Manchmal findet man die Wunschkarriere nicht unbedingt im eigenen Unternehmen. Was raten Sie ITlern, die sich auf Xing präsentieren möchten?
Martina Diel: Als IT-Mensch ist man auf Xing sowieso sehr gefragt. Ich höre immer wieder von Klienten, dass sie sehr häufig über Xing angeschrieben werden. Nur sind es leider selten passende Angebote. Deshalb rate ich ITlern, das Xing-Profil zu schärfen, damit auch einmal verlockende Angebote dabei sind.
CIO: Wie schärft man sein Xing-Profil?
Martina Diel: Man füllt das Feld "Ich biete" mit Fachbegriffen, die die eigenen Fachkenntnisse und Erfahrungen treffend beschreiben. Hier sollte man Xing wie eine Suchmaschine sehen und die gängigen Akronyme, Synonyme und englischsprachigen Begriffe eintragen. Den Bereich "Warum ich auf Xing bin" würde ich nicht unbedingt ausfüllen. Gerade wenn man noch in einer Festanstellung arbeitet, kann die Option "an Karrierechancen interessiert" beim Arbeitgeber Verwunderung auslösen - ein Befremden, das sich leicht vermeiden lässt, wenn man es geschickt anstellt.
CIO: Was halten Sie vom Engagement in Xing-Gruppen für die Karriere?
Martina Diel: Das halte ich für einen sehr guten Weg. Am Anfang steht die Überlegung, in welchen Gruppen potenzielle Vorgesetzte und Kollegen aktiv sind. Und dann kann es losgehen, denn stilles Mitlesen reicht nicht: Wer sich als Experte positionieren möchte, muss sein Wissen mit anderen teilen und sich durch fachlich gute Beiträge profilieren. Dann kann es klappen, dass potenzielle Arbeitgeber auf einen zukommen, denn sie haben sozusagen die erste Arbeitsprobe ihres neuen Mitarbeiters ja schon gesehen.
CIO: Vielleicht liest auch ein Headhunter in der Gruppe mit und meldet sich. Gibt es Tipps für den richtigen Umgang mit Headhuntern?
Martina Diel: Ich unterscheide zwei Gruppen von Headhuntern. Die einen - das sind die klassischen - sind direkt und exklusiv von Unternehmen beauftragt und suchen Kandidaten, die zum Unternehmen passen. Die anderen haben keinen Auftrag des potenziellen Arbeitgebers, sondern kämmen veröffentlichte Stellenanzeigen durch in der Hoffnung, passende Kandidaten zu finden und bei der erfolgreichen Vermittlung ein Honorar zu erhalten. Die erste Kategorie ist eindeutig die interessantere. Um auszuschließen, dass es sich um die zweite Kategorie handelt, würde ich ganz einfach einmal den Text der Stelleninformationen bei Google eingeben und schauen, ob eine korrespondierende Stellenanzeige existiert. In diesem Falle spricht vieles dafür, sich direkt beim Unternehmen zu bewerben. Ansonsten rate ich beim Umgang mit Headhuntern dazu, nicht einfach das eigene Profil weiterzugeben, sondern Informationen einzufordern: Um was für eine Stelle in welchem Unternehmen geht es?
Martina Diel hat Romanistik studiert und ist nach einer Station in der Konsumgüterindustrie in die IT-Beratung gewechselt. Seit Mitte der 90er Jahre hat sie Erfahrung als Beraterin, Projektleiterin, Projekt- und Key Account Manager gesammelt. Heute arbeitet sie als Coach zu Themen rund um Bewerbung und Beruf in der IT-Branche. Ihr Buch Das IT-Karrierehandbuch (O’Reilly, 2011) ist gerade in der dritten Auflage erschienen.