Die deutsche Software- und IT-Dienstleistungsbranche gedeiht nach wie vor prächtig – und das vor allem in ihren Zentren wie dem Rhein-Neckar-Kreis, dem Großraum München und dem Rhein-Main-Gebiet. Das geht aus dem aktuellen Software-Atlas hervor, den das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (Fraunhofer ISI) im Auftrag der Software AG und des vom Bundesforschungsministerium geförderten Software-Clusters aus Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Südwesten Deutschlands veröffentlicht hat. Dokumentiert werden dort Daten aus dem Jahr 2011.
Besonders ins Auge springen in der Studie der Autoren Timo Leimbach und Sven Wydra wie stets die thematischen Landkarten und das Ranking der Städte und Regionen, in denen die Branche besonders vertreten ist. Wie im Vorjahr führt die Rangliste der Rhein-Neckar-Kreis, in dem der SAP-Sitz Walldorf liegt, vor dem Landkreis München an. Dass es hier sehr wohl jährliche Veränderungen gibt, zeigt sich dahinter daran, dass Darmstadt Leverkusen vom dritten Platz verdrängen konnte.
Jenseits der Details gilt es aber vorneweg festzuhalten, wie sehr die Branche insgesamt an volkswirtschaftlicher Bedeutung gewinnt. 2011 stieg laut Studie die Beschäftigung um 4,97 Prozent. „Hierbei hat die Branche, die schon mit einer sehr positiven Entwicklung aus der Finanzkrise 2008/2009 hervorgegangen ist, nochmals deutlich und überdurchschnittlich von der positiven gesamtwirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands profitiert“, kommentieren die Autoren.
Das Beschäftigungswachstum lag also deutlich über dem entsprechenden Zuwachs in der Gesamtwirtschaft, so dass der Anteil der in Software-Häusern und bei IT-Dienstleistern Beschäftigten von 1,67 auf 1,71 Prozent anstieg. Zu Zeiten des New-Economy-Booms 2001 waren es lediglich 1,31 Prozent. Im vergangenen Jahrzehnt gab es also einen bemerkenswerten und stetigen Bedeutungszuwachs. Regional spiegelt sich das wider in der Entwicklung neuer Zentren etwa in Ostwestfalen und Franken, die 2001 in der IT noch weiße Flecken waren.
„Die regionalen Schwerpunkte der Software- und IT-Dienstleistungsbranche liegen dabei noch immer in den bekannten und schon länger existierenden Standorten wie der Region Oberbayern, dem Rhein-Neckar-Main-Raum oder dem Stuttgarter Raum“, heißt es weiter in der Studie. Dies werde deutlich, wenn man die Beschäftigungskonzentration, also den Anteil der Branche an der Gesamtbeschäftigung, betrachte.
Main-Taunus-Kreis entert Top Ten
Jedoch hätten andere Regionen in den vergangenen Jahren aufgeholt. „Dazu zählen insbesondere Großstädte wie Berlin und Hamburg, die sich vor allem als Zentren für die Entwicklung von jungen Firmen in Bereichen wie Spieleentwicklung, Social Media oder Cloud Computing etabliert haben“, so Leimbach und Wydra. Weil in den beiden Metropolen aber auch andere wissensbasierte Branchen boomen, ist die relative Bedeutung der IT-Branche dort weniger stark ausgeprägt.
Für die beiden größten Städte der Republik reicht es deshalb nach wie vor nicht für einen Platz unter den Top 25-Standorten im Software-Atlas. Maßgeblich für das Ranking ist der Anteil der Branche an der Gesamtbeschäftigung am jeweiligen Standort. Aufgeführt werden daneben ebenso signifikante Indikatoren wie der Konzentrationsindex oder der Anteil des Standorts an der gesamten Beschäftigung in der Branche.
Das Ranking führen also wie im Vorjahr der Rhein-Neckar-Kreis mit einem Beschäftigungsanteil von 10,75 Prozent und der Landkreis München mit 8,76 Prozent an. Beide Werte sind im Vergleich zum Vorjahr leicht rückläufig, was naturgemäß auch immer mit der Entwicklung anderer Branchen am Standort korreliert.
Darmstadt mit 6,12 Prozent auf Platz Drei legte zu und zog vorbei an Leverkusen. Fürstenfeldbruck überholte Karlsruhe und schob sich vor auf den fünften Rang. Dahinter folgen mit Nürnberg und Aachen zwei Aufsteiger, die im Vorjahr noch auf den Plätzen Neun und Zehn lagen. Auf dem zehnten Platz behauptete sich Böblingen in den Top Ten. Der Main-Taunus-Kreis auf Rang Neun verdrängte hingegen Paderborn aus den ersten Zehn.
Mit Werten über sechs beziehungsweise fünf Punkten ist der Konzentrationsindex in den beiden ganz vorne liegenden Regionen herausragend hoch. Im Rhein-Neckar-Kreis und im Landkreis München hat die IT-Branche demzufolge eine exorbitante wirtschaftliche Bedeutung. Betrachtet man hingegen die Bedeutung der Standorte allein für die IT-Branche, zeigt sich die Relevanz der Metropolen: München mit 6,01 Prozent und Frankfurt am Main mit 3,39 Prozent verbuchen den größten Anteil an Beschäftigten in der Branche.
Solitäre Ulm und Essen
Im Grunde lädt das Ranking der 25 Top-Standorte sowieso zu einer Gruppierung ein. Das Gewicht von Regionen wie Großraum München (München Stadt und Land, Fürstenfeldbruck, Erding, Starnberg) und Rhein-Main (IT-Zentrum Darmstadt, Metropole Frankfurt, Main-Taunus-Kreis, Groß-Gerau, Hochtaunuskreis) sowie der badischen und württembergischen IT-Regionen (Rhein-Neckar-Kreis und Karlsruhe sowie Stuttgart, Ludwigshafen und Böblingen) ist unübersehbar. 15 von 25 Standorten sind hier versammelt.
Daneben ballt sich die IT-Branche inzwischen auch anderswo: das Rheinland (Leverkusen, Aachen und Bonn), Franken (Nürnberg, Fürth und Erlangen) sowie Ostwestfalen (Paderborn und Münster) sind ebenfalls mehrfach vertreten. Als Solitäre behaupten sich Essen und Ulm im Ranking.
Vom Gesamtwachstum der Branche hätten insgesamt aber nicht nur einige wenige Standorte profitiert, heißt es im Software-Atlas. Dies werde dadurch untermauert, dass sich die Zahl der Standorte mit einem Anteil an der Gesamtbeschäftigung von über zwei Prozent erhöht hat und auch die Umsatz- und Beschäftigungsanteile an der Software- und IT-Dienstleistungsbranche keine weitere Konzentration andeuten. „Dennoch muss man darauf hinweisen, dass dies natürlich keine flächendeckende, bundesweite Entwicklung darstellt“, so die Autoren. „Insbesondere Kreise im ländlichen Raum weisen nur sehr geringe Beschäftigungs- und Standortkonzentrationen auf.“
Im europäischen Vergleich sei die Dynamik der Veränderungen in der deutschen Software- und IT-Dienstleistungsbranche vergleichbar mit der in anderen Hochtechnologie-Ländern. „Im Hinblick auf die Gründungsraten lässt sich feststellen, dass diese im bundesweiten Durchschnitt bei leicht abnehmenden Neugründungszahlen auf einem relativ hohen Niveau geblieben sind“, schreiben Leimbach und Wydra.
Dieser leichte Rückgang der Neugründungen lasse sich durch zwei Faktoren erklären. „So kam es durch die Reformen des Gesellschaftsrechts in 2008 kurzeitig zu einem deutlichen Anstieg der Aktivitäten“, so die Autoren. „Gleichzeitig hatten die positive gesamtwirtschaftliche Entwicklung nach der Finanzkrise und die entsprechende Entwicklung des Arbeitsmarktes einen abschwächenden Effekt, der in solchen Situationen öfters beobachtet wird.“
Thüringen kommt auf
Alles in allem übersteigt hierzulande aber die Zahl der Gründungen jene der Schließungen. Bei den Neugründungen hätten in den vergangenen Jahren Regionen wie Dresden, Hamburg und Berlin aufgeholt. Allerdings zeige sowohl in Berlin als auch im Rhein-Neckar-Kreis die Tendenz momentan nach unten – möglicherweise sei hier das Potenzial inzwischen ausgeschöpft. Positiv hervorgehoben werden daneben Entwicklungen in Thüringen und Schleswig-Holstein, wobei der Trend im hohen Norden momentan schon wieder rückläufig sei.
Die Studie „Software-Atlas Deutschland 2012“ ist bei Fraunhofer ISI erhältlich.