Intelligente Verbindungen

Top 4 Netzwerker

27.09.2006
Für das Value Chain Forum 2006 rief die Universität St. Gallen Unternehmen auf, ihre Szenarien vorzustellen. Vier Netzwerker fielen der Jury als besonders innovativ auf – darunter der Autokonzern Audi und der Mittelständler Möbel Pfister.

Netzwerker 1: Audi AG – Vorreiter beim rechtssicheren, elektronischen Rechnungsaustausch mit Händlern und Lieferanten

Bereits vor mehr als drei Jahren entschied sich der Autobauer Audi, die teure und aufwändige Rechnungsabwicklung mit Lieferanten und Händlern per Briefweg aufzugeben. Alleine die kreditorische Bearbeitung einer eingehenden Rechnung, also die Datenerfassung und Rechnungsprüfung, kostete das Unternehmen rund vier Euro. Deshalb führten die Ingolstädter ein elektronisches Verfahren ein. Die Umstellung erfolgte in zwei Schritten: Zunächst löste der Autoproduzent den aufwändigeren papierbasierten Rechnungseingang ab, dann folgte die Digitalisierung der Rechnungen sowie Gut- und Lastschriften.

Seit 2004 empfängt Audi sämtliche Rechnungen von inländischen Lieferanten mit jährlich mehr als 100 Belegen elektronisch: Wer keine klassischen EDI-Mechanismen nutzen möchte, kann einfach Druckdatenströme (wie etwa als PDF) über Standard-Internetprotokolle an den Dienstleitungspartner First Businesspost senden, der diese Druckdatenströme interpretiert und ein strukturiertes Zielformat erzeugt. Zuletzt werden die Daten mit einer qualifizierten Signatur versehen und im tif-Format archiviert. Derzeit wickeln über 420 Lieferanten ein jährliches Belegvolumen von etwa 125 000 Rechnungen ab. Die Einsparungen sind erheblich: Geht man von Kosten von vier Euro pro Rechnung aus, lassen sich die Prozesskosten bei elektronischer Abwicklung deutlich reduzieren. Zudem steigen Transparenz und Nachvollziehbarkeit – und die Rechnungen lassen sich erheblich schneller bearbeiten.

Der zweite Schritt bestand für Audi darin, auch eigene Rechnungen sowie Gut- und Lastschriften digital zu versenden. Seit Januar diesen Jahres erhalten die Geschäftspartner, wie Händler, eine Benachrichtigung per E-Mail mit Link auf ein Rechnungsportal. Hier arbeitet Audi mit einem Integrationsspezialisten zusammen. Die Firma Indatex übernimmt das pdf-Rechnungsdokument von Audi, versieht es mit einer qualifizierten elektronischen Signatur und archiviert es für die gesetzlich vorgeschriebene Aufbewahrungsfrist. Die meisten Nutzer der Audi-Lösung haben erkannt, dass sie pdf-Dokumente in ihren internen Workflow einbauen können und somit nun keinen Medienbruch mehr haben.

Mit dieser Lösung, die die Eingangs- wie Ausgangsseite der Rechnungsabwicklung adressiert, ist Audi nach Ansicht der Jury Vorreiter. Neben den Sicherheitsbedenken stand bisher auch die Unsicherheit bezüglich der Anforderungen des Gesetzgebers einer Verbreitung elektronischer Rechnungen im Weg. Umso bemerkenswerter ist, dass Audi bereits im Jahr 2004 diesen Schritt wagte, als erstmals auch elektronische Rechnungen für den Vorsteuerabzug akzeptiert wurden. Um die Echtheit der Herkunft und die Unversehrtheit des Rechnungsinhalts, also die Fälschungssicherheit zu gewährleisten, ist für elektronische Rechnungsdokumente eine qualifizierte digitale Signatur vorgeschrieben. Außerdem sind das Umsatzsteuergesetz, die Abgabenordnung, die Grundsätze ordnungsgemäßer DVgestützer Buchführungssysteme (GoBS) sowie die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) zu beachten.

Die zuständige Finanzbehörde bestätigte nach einem verbindlichen Auskunftsersuchen die Rechtsauffassung des Automobilbauers – Audi bekam damit gewissermaßen das Siegel für Rechtssicherheit.

Netzwerker 2: Der elektronische Versicherungsnachweis (eVN) – eine neue Ära der Prozessintegration zwischen Privatversicherern und Behörden

Etwa vier Millionen Geschäftsfälle werden Motorfahrzeugversicherer und kantonale Straßenverkehrsämter (StVA) künftig durchgängig elektronisch abwickeln. Der Schlüssel dazu ist der elektronische Versicherungsnachweis (eVN). Unter anderem die Versicherungsunternehmen Alba Versicherung, die Phenix Assurance, die Allianz Suisse und die Motorfahrzeugkontrolle Solothurn setzen diese Lösung bereits produktiv ein. Weitere Versicherungen und Kantone ziehen in den kommenden Jahren nach.

Wer in der Schweiz bisher ein Fahrzeug an- oder abmelden will, muss der zuständigen Behörde die De-ckungszusage eines Versicherungsunternehmens für Haftpflichtschäden vorlegen – den Versicherungsnachweis. Dieser wird heute bei einem Versicherer in Papierform eingeholt, anschließend beim Straßenverkehrsamt vorgelegt und dort wieder abgetippt. Diese Meldungen werden gesammelt und per Papier oder Diskette an die Versicherer zurückgemeldet. Erhält nun ein Versicherer eine Meldung von der Behörde, muss er diese dem entsprechenden Versicherungsnachweis und dem zugehörigen Vertrag zuordnen. Auch das geschieht größtenteils per Hand und ist damit zeitaufwändig und fehleranfällig, beispielsweise wenn die Angaben in einer Meldung – wie etwa bei nicht eindeutiger Schreibweise eines Namens – nicht hundertprozentig mit dem vorliegenden Nachweis übereinstimmen.

Den Versicherungen entgehen durch das zeitraubende Prozedere zudem Prämien. Denn ohne eine korrekte Verarbeitung der Rückmeldungen können keine neuen Verträge ausgestellt und demnach auch keine Prämien eingezogen werden. Die Deckung besteht aber aufgrund der gegebenen Zusage dennoch. In nicht wenigen Fällen erfährt eine Versicherung erst durch eine Schadenmeldung, dass ein Kunde sein Fahrzeug schon seit einiger Zeit angemeldet hat.

Mit dem elektronischen Versicherungsausweis wird nun eine Clearingstelle unter Leitung des Schweizerischen Versicherungsverbands eingeführt, die für den Datenaustausch verantwortlich ist. Eine zentrale Datenbank stellt sämtliche Informationen im Zusammenhang mit Fahrzeugzulassungen den involvierten Parteien zur Verfügung. Sie ist als Web-Service mit Open-Source-Standards umgesetzt. Dies reduziert die Kosten für die Versicherungsgesellschaften erheblich, da die dafür notwendige Infrastruktur für Zugriffe schon zur Verfügung steht und darüber hinaus keine Lizenzkosten anfallen.

Verlangt der Kunde nun einen Versicherungsnachweis, eine Inverkehrssetzung oder eine Kündigung der Fahrzeugzulassung, kann dies mit kleinem Aufwand, in einigen Fällen lediglich per Knopfdruck, bearbeitet werden. In das System können auch Makler und Kfz-Werkstätten eingebunden werden. Die Versicherungswirtschaft rechnet damit, dass aufgrund von Einsparungen und zusätzlichen Prämieneinnahmen ein jährlicher Nutzen in zweistelliger Millionenhöhe generiert wird. In dieser Schätzung sind die einmaligen Projektkosten und Anpassungen der Infrastruktur nicht berücksichtigt.

Netzwerker 3: GEPIR als erfolgreiches Beispiel eines überbetrieblichen Stammdatendienstes – mit Anwendung in Gesundheitswesen, Konsumgüterindustrie und Handel

GEPIR nennt sich ein Netzwerk, über das seit Anfang des vergangenen Jahres 2005 aktuelle Unternehmens- und Produktdaten weltweit verfügbar sind. So kann man Unternehmen beispielsweise anhand der weltweit verbreiteten Global Location Number (GLN) oder aber der Global Trade Item Number (GLIN) suchen, die auf allen Produkten gedruckt sind. Die Suchfunktionen sind für den Anwender über eine Web-Oberfläche oder als Web-Service zugänglich.

Zwar ist das GEPIR-Netzwerk in der Konsumgüterindustrie und im Handel heimisch und wird vom Branchenverband GS1 betrieben, doch ist sein Einsatz auch im Gesundheitswesen erfolgreich. Inzwischen versorgen über 100 Länderorganisationen die Datenbank mit den aktuellen Daten über Unternehmen und Produkte.

Die Vereinten Nationen in Genf verpflichten die Länder dazu, den Warenfluss von narkotischen Substanzen akribisch zu verfolgen. Da diese Kontrolle eine enorme Dokumentenflut mit sich bringt, suchte das schweizerische Bundesamt für das Gesundheitswesen nach einer einfachen Lösung. In der Folge arbeitete die Schweizer GS1-Sektion ein Konzept aus, bei dem jeder Partner – analog zu Konsumgüterindustrie und Handel – durch die Global Location Number (GLN) zu kennzeichnen ist und jedes kontrollierte Betäubungsmittel eine GTIN (Global Trade Item Number) zugewiesen bekommt.

Der föderative Ansatz des Systems führte sehr schnell dazu, dass auch andere Partner des Gesundheitswesens das innovative Netzwerk nutzten. Bei dem Peer-to-Peer-Ansatz werden Daten nicht zentral gespeichert, sondern den teilnehmenden Partnern wird der unkomplizierte Zugriff auf lokal gespeicherte Daten ermöglicht. Dabei entscheidet der Lieferant der Datenpakete, welche Informationen er in welchem Detaillierungsgrad öffentlich zugänglich machen will.

Heute sind bereits in einigen Ländern wie beispielsweise der Schweiz sämtliche Ärzte, Spitäler, Apotheken, Hersteller von medizinischen Stoffen und Geräten sowie wissenschaftliche Institute mittels GLN gekennzeichnet. Dadurch ist die GLN-Ziffer zum zentralen Standard für die Identifikation geworden, mit dem Medikamente, ärztliche Dienstleistungen verrechnet und durch die Versicherungsanstalten vergütet werden.

Bei der Entscheidung für das so genannte GS1-System war es den Schweizerischen Bundesbehörden wichtig, dass die Lösung auf einem internationalen Standard aufbaut. Es ist absehbar, dass in der Zukunft auch das Gesundheitswesen grenzüberschreitend operieren wird. Durch die Anwendung des internationalen GS1-Standards können nämlich auch ausländische Partner über das GEPIR-Netzwerk ohne Zusatzaufwand in das System integriert werden.

Der Geschäftsnutzen für die Abnehmer von GEPIR-Dienstleistungen liegt darin, Stammdaten jederzeit und schnellstmöglich aus verschiedenen Datenquellen zu erhalten. Aktuell sind knapp 1000000 Stammdatensätze verfügbar, und die monatlich etwa 100 000 Zugriffe unterstreichen den Bedarf an diesen Informationen. Ähnlich weit gehende Szenarien, die über die reine Suche nach Unternehmensdaten hinausgehen, sind auch zwischen Einzelhandel und Industrie in der Diskussion.

Netzwerker 4: Möbel Pfister AG – eine skalierbare Lösung für die elektronische Bestellabwicklung mit 400 Lieferanten

Die Einführung elektronischer Geschäftsprozesse war für den Schweizer Möbelspezialisten Pfister ein großer Schritt. Das mittelständische Unternehmen bietet seinen Kunden in 20 Filialen Möbel, Teppiche, Textilien, Lampen und Accessoires im mittleren und oberen Segment an. Das Sortiment setzt sich aus Handelsmarken, eigenen Kollektionen sowie Herstellermarken zusammen. Pfister sah sich bei der stärkeren elektronischen Vernetzung mit Lieferanten vor allem zwei Herausforderungen gegenüber: Einerseits ist die Lieferantenstruktur heterogen. Die etwa 400 Lieferanten unterscheiden sich nicht nur durch Branche und Firmengröße, sondern auch in Bezug auf ihr Prozess- und IT-Know-how. Andererseits ist es durch die Variantenvielfalt nicht immer einfach, Einrichtungsgegenstände in elektronischen Geschäftsdokumenten fehlerfrei zu beschreiben.

Trotzdem entschied sich Pfister, Bestellungen mit möglichst vielen Lieferanten künftig elektronisch abzuwickeln. Seit Anfang 2006 tauscht das Unternehmen Belege von der Bestellung über die Auftagsbestätigung bis zur Lieferavisierung über Web-EDI elektronisch aus. Zudem unterstützt die Lösung die Erstellung von Verkaufs- und Logistiketiketten. Wert gelegt haben die Pfister-Manager auf eine skalierbare Lösung, die den Anforderungen unterschiedlicher Lieferanten gerecht wird: Kleinen bis mittleren Geschäftspartnern bietet man über Web-EDI die manuelle Eingabe, Massenverarbeitungs- sowie komfortable Up- und Download-Funktionen.

Lieferanten, die den direkten elektronischen Datenaustauschbevorzugen, wird Pfister dank eines Schnittstellenservers künftig verschiedene Protokolle und Formate (EDI, XML, Flatfile) anbieten. Pfister setzt diese Lösung mit drei Personen um und ist dank der Skalierbarkeit der „Anbindungsstrategie“ und dem kooperativen Ansatz erfolgreich. Besonders wichtig für die Akzeptanz war, dass der Zusatzaufwand für Lieferanten, die manuell erfassen müssen und über keine Schnittstelle verfügen, durch die neue Unterstützung des Etikettendrucks neutralisiert wurde.

Christine Legner, Universität St. Gallen