Der Titel einer aktuellen Studie von Heidrick & Struggles klingt zunächst zugegeben ein bisschen altbekannt: "Der CIO - vom Verwalter zum Gestalter". In der Tat reflektiert die Autorin Sabine Thiemann auf Basis von Gesprächen mit mehr als 50 CIOs von in Deutschland führenden Unternehmen die derzeit bestimmenden Trends: Digitalisierung, Big Data, Cloud Computing, strategische Bedeutung der IT, damit einhergehender Wandel der Rolle des IT-Chefs. Auch weil diese Themen dezidiert aus der Warte des CIOs beleuchtet werden, können die Personalberater von Heidrick & Struggles aber sehr wohl mit einem klaren Erkenntnismehrwert aufwarten.
Analysen des Kompetenzprofiles und der Karriere-Planung der IT-Chefs hierzulande spiegeln auf beeindruckende Weise wider, wie sich Arbeit und Selbstverständnis der IT in der lange noch nicht abgeschlossenen Transformationsphase bereits verändert haben.
Verdienstchancen wie nie zuvor
Reizvoll erscheint es unter anderem, das sich scheinbar gefährlich aufbäumende Pferd einmal von der anderen Seite her aufzuzäumen. Der Subtext der Verwalter-wird-Gestalter-These ist ja oftmals negativ und klagend: Die schöne heile Welt, in der CIOs sich so bequem eingerichtet hatten, zerbröselt; wer den neuen Herausforderungen nicht gewachsen ist, wird hinweggespült. Das klingt bedrohlich, trifft bestimmt für manchen IT-Chef zu - und ja, das zu erwartende Bündel an neuen Erwartungen steht so in etwa auch in dieser Studie.
Genauso klar stehen da aber auch Dinge, die den Anbruch goldener Zeiten für CIOs nahelegen, sofern sie die erforderlichen Skills für die neue Ära mitbringen. "Top-CIOs sind inzwischen ausgesprochen teuer", heißt es in der Studie. "Es häufen sich Positionen, die mit 500.000 Euro und mehr im Jahr dotiert sind, eine Schallmauer, die noch vor wenigen Jahren nur in sehr seltenen Fällen durchbrochen wurde." Die Nachfrage nach guten IT-Chefs sei inzwischen so groß, dass in Deutschland aktive Firmen sogar schon in Israel und Indien ihre Fühler ausstrecken. Eine hohe Nachfrage auf dem Jobmarkt für CIOs also - das ist per se einmal ein Botschaft, die gut klingt.
Hohes Selbstvertrauen bei den CIOs
Dazu passt, dass das Selbstvertrauen der IT-Chefs höher scheint denn je. Heidrick & Struggles fragte auch nach den Ambitionen für die weitere Karriere. Erstaunlich dabei: Nur schlappe 2 Prozent der Befragten sagen, dass sie sich langfristig auf der jetzigen Position sehen. Gute zwei Fünftel wollen zwar CIO bleiben, aber in Zukunft mehr Verantwortlichkeiten zusätzlich übernehmen.
Ein knappes Viertel würde gerne als CIO in ein größeres Unternehmen wechseln. Dieses Ziel wird laut Studie durch den derzeit exzellenten Arbeitsmarkt befeuert und - logischerweise - auch vom Wunsch nach besserer Bezahlung getrieben. Ein Drittel strebt sogar eine andere Aufgabe im Top-Management an, als COO oder CEO bevorzugt.
"IT-Expertise gewinnt weiter an Bedeutung"
"Ein immenser Anteil, der ja auch mit einem hohen Anspruch korrespondiert, mag erstaunen und wäre noch vor zehn Jahren undenkbar gewesen", kommentiert Thiemann. "Darin spiegelt sich wider, dass das Wissen und die Erfahrungen von CIOs in den vergangenen Jahren eine deutliche Aufwertung erfahren haben und IT-Expertise in Zukunft einen weiteren Bedeutungszuwachs erleben wird."
Vorbilder für den Aufstieg in höhere Sphären gibt es mittlerweile schließlich. In der Studie werden genannt: Kai Beckmann, der als ehemaliger Merck-CIO heute im Vorstand für mehrere Bereiche zuständig ist; Gisbert Rühl, einst IT-Vorstand von Babcock-Borsig und inzwischen Vorstandsvorsitzender von Klöckner & Co.; David Frink, dereinst Schiesser-CIO und heute Vorstandsmitglied von Gerry Weber International.
Einfluss auf die Geschäftsstrategie wächst
85 Prozent der für die Studie Befragten meinen, dass der Einfluss des CIOs auf die Geschäftsstrategie im Unternehmen wächst. Erkennbar gewinnt der IT-Chef an Einfluss auf erfolgskritische Themen. Die IT wird laut Heidrick & Struggles zum "Game Changer", nicht erkannte IT-Entwicklungen könnten ganze Unternehmen bedrohen.
Die bloße Einführung von Technologien reiche dabei nicht aus. "Es ist die Aufgabe des CIOs, den effektiven Nutzen von potenziellen Neuerungen herauszuarbeiten", heißt es in der Studie. Entscheidend sei es in der Praxis, die Schlüsselfrage nach dem Geschäftsbeitrag zu beantworten. "Denn viele potenziell spannende Ansätze scheitern in der Praxis durchaus an der Monetarisierung", erläutert Beraterin Thiemann.
Innovationsfaktor Kundenkontakt
Bekanntlich soll der CIO von heute nicht mehr nur die Systeme möglichst kosteneffizient verwalten, sondern auch durch technologische Innovationen die Unternehmensentwicklung mitgestalten. Aufschlussreich ist das Studienergebnis, dass die Impulse für IT-Innovation zwar zu 44 Prozent aus der eigenen Abteilung und zu 36 Prozent von anderswo im Unternehmen kommen. Beachtliche 19 Prozent haben aber ihren Ursprung beim Kunden.
Deshalb zählt es immer mehr zu den CIO-Aufgaben, in Gesprächskontakt mit den Kunden zu bleiben. Heidrick & Struggles empfiehlt, systematisch die Erfordernisse der Kunden zu studieren. Thematisch lässt sich Innovationsfluss von Kundenseite offenbar klar eingrenzen: "Kundenanforderungen beziehen sich aktuell besonders stark auf Big-Data-Strategien", heißt es in der Studie.
Die Bremser sitzen woanders
Innovationsfeindlich sind die IT-Chefs nach Einschätzung von Heidrick & Struggles wahrlich nicht. Probleme entstehen aber häufig schon deshalb, weil die Kapazitäten für die immer längere Pipeline an Neuerungen nicht ausreichen. Hürden für den Erfolg nennt die Studie einige: zu knapp bemessene Budgets, bremsende Controller, risikoscheue Vorstände und Aufsichtsräte sowie konservative Mitarbeiter, die mit Computer-Lösungen wenig anfangen können.
43 Prozent der Befragten hängen organisatorisch am CEO, 77 Prozent fühlen sich organisatorisch gut positioniert. Laut Studie ist die Zeit in Deutschland noch nicht reif dafür, dass CIOs auf breiter Front in die Vorstände aufrücken. "Allerdings wäre eine IT Governance ideal, die den CEO, CFO, COO und Vertreter der Geschäftsbereiche gemeinsam mit dem CIO beschlussfähig in einem Gremium zusammenbringt", so Heidrick & Struggles.
Mehr geht nach Ansicht der Berater in Unternehmen, die sich stark der Digitalisierung verschrieben haben: Handelshäuser mit Mulitchannel-Strategie beispielsweise, Verlagshäuser oder Firmen, die überwiegend auf Basis von IT-Systemen produzieren. In solchen Unternehmen sei es ratsam, wenn der CIO über Sitz und Stimme im Vorstand verfüge.
CIO sollte nicht an den CFO berichten
Negativ bewertet wird die häufig anzutreffende Konstruktion, in der die IT dem CFO unterstellt ist. Die IT werde dabei zu sehr zum Kostenfaktor degradiert. "Nur als Funktion von Geschäft verantwortenden Top-Managern kann die IT-Funktion ihren vollen 'Business Value' ausschöpfen", so Autorin Thiemann.
Keinen Zweifel lässt Heidrick & Struggles an der überragenden Bedeutung des Zusammenspiels von IT und Business. Im gängigen Schulnotensystem wird das IT Business Alignment in der Studie sehr positiv bewertet. Die durchschnittliche Zensur ist 2,1; ausreichend oder schlechter schätzt kaum ein CIO die Verzahnung mit dem Business ein.
CIOs haben Elfenbeinturm längst verlassen
Am klarsten demonstriert ein Ranking der Kernkompetenzen moderner CIOs, wie sich die Rolle des IT-Chefs bereits verändert hat. Nur auf den Rängen Acht und Neun in einer Top-Ten-Liste finden sich die klassischen Aufgaben Verbesserung der IT-Performance und Kontrolle der IT-Kosten wieder. Ganz vorne liegt die strategische und operative Abstimmung mit dem Business, gefolgt von der Entwicklung einer digitalen Vision sowie der digitalen Transformation selbst.
"Diese herausragende Priorität des Business Alignment beweist, dass die heutigen CIOs längst den Elfenbeinturm des eigenen Tuns verlassen und Silodenken abgestreift haben", befindet Heidrick & Struggles. "Die CIOs erkennen, dass in den Möglichkeiten der Digitalisierung die Schlüsselchance liegt, ihrem Unternehmen einen echten Wettbewerbsvorsprung zu sichern."
Auf Platz Vier liegt das Sicherheits- und Risikomanagement überraschend weit vorne, was nach Ansicht der Berater vor allem der NSA-Affäre und ihren Nachwirkungen geschuldet ist. Dahinter zeigt die Rangliste, dass das schwierige Feld der Rekrutierung von Mitarbeitern und Nachwuchs von den CIOs mittlerweile als Chefsache angenommen wird.
"CIO muss Kommunikationsexperte und Psychologe sein"
Alles in allem offenbart sich eine schon jetzt frappierende Veränderung imRollenprofil des CIO. Dass dieser beileibe keinen Allerweltsjob ausübt, bringt einer der Befragten auf den Punkt: "Der moderne CIO muss ein Kommunikationsexperte sein und Psychologe", sagt Stefan Gazinski, IT-Bereichsleiter bei der Edding AG. "Eine professionelle technische Umsetzung ist allemal Standard."