Analystenkommentar

"Top-Down" versus "Bottom-up"

19.05.2006 von David Bradshaw
David Bradshaw, Analyst beim britischen Marktforschungsunternehmen Ovum kommentiert die Übernahme von SSA durch Infor.

Noch mehr Konsolidierung im Markt für Business Anwendungen, und diesmal von zwei Konsolidierern. Mit einem Jahresumsatz von 1,6 Milliarden US-Dollar wird Infor zum drittgrößten Anbieter gleich hinter SAP und Oracle.

Das Unternehmen wird ein breites Produktspektrum auf drei unterschiedlichen Architekturen haben: .Net, Java und iSeries. In der Telefonkonferenz zur Übernahme bekräftigten Infor und SSA, dass sämtliche Produkte für "micro-verticals" konzipiert sind und dass sie sich viel mehr ergänzen denn gegeneinander konkurrieren.

Infor/SSAs Weg, Produkte zu entwickeln oder zu kaufen, folgt dem "bottom-up-Ansatz". Spezielle Anwendungen für spezielle "micro-verticals". Im Gegensatz dazu verfolgen die meisten Anbieter dem "top-down-Ansatz". Erst entwickeln sie ein branchenübergreifendes Produkt, dann folgen die Speziallösungen für einzelne Branchen. Alle basieren auf einer einheitlichen Code-Basis. Das beste Beispiel für die Strategie ist SAP. Wird er gut umgesetzt erzeugt der Top-down-Ansatz weniger Kosten bei der Entwicklung und Wartung als das Pendant Bottom-up.

Top-down bietet SAP oder Oracle außerdem die Möglichkeit, ein flexibles Set aus Komponenten zu entwickeln, die sich auf neue Art miteinander verbinden lassen. Theoretisch benötigt man hierfür keine gemeinsam Code-Basis. Die Service orientierte Architektur macht es "einfach" (eines der am häufigsten strapazierten Wörter der IT-Industrie!). Doch aus dem Bauch heraus denken wir, dass es ohne diese Code-Basis viel problematischer ist.

Die andere Seite von Top-down ist, dass ein Update der Produkte zu einer enormen Herausforderung wird. Das ist schön zu sehen, an SAPs Entwicklungsprogramm für die Produkte der nächsten Generation. Das Projekt ist gleich auf mehrere Jahre ausgelegt.

Im Gegensatz dazu bietet Bottom-up viel mehr Flexibilität, neue Produkte oder Updates wie und wann man will zu entwickeln. Das macht die Anbieter wesentlich agiler. Sollten nun SAP oder Oracle angesichts des Merger von Infor und SSA vor Furcht erstarren? Wahrscheinlich nicht. Aber sie können es sich nicht leisten, den Schritt zu ignorieren.