Dass sich Vorstände und andere Top-Manager überwiegend aus dem bürgerlichen und großbürgerlichen Milieu rekrutieren, ist kein spezifisch deutsches Phänomen. Auch in Spanien und Italien stammen die wirtschaftlichen Eliten größtenteils aus gehobenen sozialen Schichten. Zu diesem Ergebnis kommt der Darmstädter Soziologe Michael Hartmann in seinem neuen Buch "Eliten und Macht in Europa", für das er Herkunft und Karrierewege von Managern und Politikern in Europa untersucht hat.
So stammen aus dem Großbürgertum in Spanien 55 Prozent der ökonomischen Führungsriege (Italien: 51,6 Prozent, Deutschland: 51,7 Prozent), aus dem Bürgertum 30 Prozent (Italien: 16,1 Prozent, Deutschland: 33,3 Prozent).
Aus den Reihen der breiten Bevölkerung kommen in Spanien gerade mal 15 Prozent der Präsidenten der dreißig größten Unternehmen. Top-Manager wie Amancio Ortega, Gründer und Inhaber des drittgrößten Textilkonzerns Inditex , dessen Vater Arbeiter war, haben Exotenstatus - wie hierzulande Ex-Siemens-Chef Klaus Kleinfeld, Sohn eines zum Betriebsingenieur aufgestiegenen Arbeiters.
Einige nationale Besonderheiten gibt es dennoch: So ist etwa der Anteil der Mittelschicht beziehungsweise Arbeiterklasse an den Top-Managern in Italien mit 32,3 Prozent außergewöhnlich hoch. "An der Spitze vieler ehemals oder immer noch öffentlich kontrollierter Unternehmen, vor allem im Finanzsektor, stehen in Italien häufig Manager, die im Kleinbürgermilieu groß geworden sind", erklärt Hartmann.
Deutschland: Manager-Anteil mit Karriere-Vorgeschichte niedrig
Durch die in den 90er Jahren begonnene Privatisierung und die folgende Fusionswelle aber ändert sich auch hier die Rekrutierung des Spitzenpersonals. "Die Zusammensetzung der italienischen Wirtschaftseliten dürfte sich der in Deutschland in den nächsten Jahren stark annähern", prophezeit Hartmann.
Eine Sonderstellung nimmt Italien auch bei der Ausbildung der Top-Manager ein: Jeder zweite hat Wirtschaftswissenschaften studiert, gegenüber 36,2 Prozent in Deutschland und 24,1 Prozent in Spanien. Dort wiederum haben die Juristen mit 27,6 Prozent unter den Spitzenkräften eine außergewöhnlich starke Position inne - was auch an der Dominanz der elitären Corps liegt, aus denen sich - ähnlich wie in Frankreich - die höchsten Verwaltungsbeamten und zunehmend auch Unternehmensleiter rekrutieren. In Deutschland dagegen stellen Ingenieure und Naturwissenschaftler mit 39,4 Prozent nach wie vor die größte Gruppe unter den Top-Managern.
Unterschiede zeigen sich auch bei den Karrierewegen. Knapp jeder zweite Top-Manager hierzulande blickt auf eine reine Hauskarriere zurück, ein Spitzenwert in Europa - in Großbritannien etwa sind es nur 14,3 Prozent. Ebenso weist Deutschland mit vier Prozent den mit Abstand niedrigsten Anteil von Managern mit einer Karriere-Vorgeschichte außerhalb der Wirtschaft auf - in Spanien etwa sind es 27,6 Prozent.
Immerhin können 24 Prozent der deutschen Manager einen Aufstieg in unterschiedlichen Branchen vorweisen - bleiben damit aber immer noch deutlich hinter Italien (30,4 Prozent) und Großbritannien (39,3 Prozent) zurück. Auch in Zeiten der Globalisierung mögen es die Deutschen eben geradlinig und bodenständig - offenbar quer durch alle sozialen Milieus.