DER FALL SCHEINT ABSURD: "Sie bestellen ein Auto, wollen es abholen, setzen sich hinein -- aber das Lenkrad fehlt", so Wilfried Sihn vom Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA). Grund: Der Hersteller des Lederbezugs für das Lenkrad konnte nicht fristgerecht liefern; die Lieferkette hat nicht funktioniert.
Um zu zeigen, wie intelligentes Supply-Chain-Management (SCM) finanzierbar ist und selbst für das kleinste Mitglied Vorteile bringen kann, hat das IPA ein Online- Beratungszentrum eingerichtet -- eine Plattform für "valu.e-networking". Seit kurzem können Mittelständler über das Internet-Portal Myfractal.de ein Simulationsmodell zur Optimierung ihrer Geschäftsprozesse nutzen, ohne es kaufen zu müssen. Per E-Mail sendet der Kunde seine Auftrags- oder Bestandsdaten im Excel-Format an das IPA, wo ein geeigneter E-Simulationsdienst ausgewählt wird. Das Ergebnis: eine Analyse der Firmendaten und eine exakte Produktplanung.
Ein Fünftel des Umsatzes als Lagerbestand
"Wir müssen die gesamte Wertschöpfungskette optimieren", sagt Sihn -- und zwar über die Unternehmensgrenzen hinaus. Heute, erklärt der 46-jährige Spezialist für Unternehmens-Management, funktioniere der Prozess oft so: Stellt ein Hersteller fest, dass die Planung nicht stimmt, sendet er -- oft erst einige Tage später -- eine Meldung an den Zulieferer. Der gibt die neuen Zahlen an bis zu acht Kettenglieder weiter; ein enormer Aufwand. Die Folge: Der Liefertermin wird nicht eingehalten. Um schneller reagieren zu können, bauen kleinere Betriebe deshalb Lagerbestände auf.
Nach den Erfahrungen des TCW Transfer-Centrums, eines Münchner Beratungszentrums für Lieferketten- Management, macht die Bestandshöhe deutscher Firmen etwa ein Fünftel des Umsatzes aus. "Das ist totes Kapital, das anderweitig gewinnbringend verwendet werden könnte", moniert Sihn. "Zudem verschenken Firmen durch eine mangelhafte Informationsversorgung kostbare Zeit." In einer funktionierenden Supply Chain werden alle Glieder gleichzeitig informiert, wodurch sich laut Sihn Einsparungsmöglichkeiten im zweistelligen Prozentbereich ergeben.
Ohne Vertrauen geht es nicht
Noch aber gibt es Probleme en masse. Das größte: mangelndes Vertrauen zwischen den beteiligten Firmen. Denn SCM erfordert Transparenz, die Bereitschaft, Daten offen zu legen. "Einem schwäbischen Zulieferer beispielsweise kann man dann quasi in den Hof schauen, was seine Bestände und Aufträge angeht. Hier existieren gewaltige Berührungsängste", weiß Sihn. Der Erfolg steht und fällt also mit der Qualität der Organisation und der Chemie zwischen den beteiligten Personen.
"In drei Jahren", ist Sihn überzeugt, "werden mindestens achtzig Prozent der produzierenden Unternehmen SCM-Technologien einsetzen. Dann erübrigen sich hoffentlich teure Hauruck-Aktionen. Schließlich kann man nicht extra eine Kuh aus Südafrika einfliegen lassen, damit der Lederbezug doch noch rechtzeitig das Lenkrad ziert."
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