Im Zweifel folgen deutsche Entscheider lieber ihrer Intuition als kalten Zahlen und Fakten – mögen diese auch noch so aufwendig ermittelt worden sein. Nun war das Vertrauen in die Eingebung hierzulande immer schon ausgeprägt. Erstaunlich ist allerdings, dass das Pendel zwischen Bauchgefühl und nüchternen Daten trotz erheblicher Investitionen in Business Intelligence (BI) in den vergangenen Jahren in Richtung Intuition zurückgeschlagen hat. Eine Studie der Unternehmensberatung Novem Business Applications legt dies jedenfalls nahe.
Mehr als die Hälfte der rund 300 von Novem befragten Manager gaben an, mit Entscheidungen nach Bauchgefühl besser gefahren zu sein als mit jenen auf Grundlage von Fakten. Vor vier Jahren sagten das lediglich 47 Prozent. Und aktuell halten nur 42 Prozent die Entscheidungen auf Basis von reinen betriebswirtschaftlichen Daten für erfolgreicher.
Das bedeutet allerdings nicht, dass der verstärkte Einsatz von Analyse- und Reporting-Lösungen völlig verpufft. Novem stellte beispielsweise fest, dass die Manager heute weniger Kritik an der Informationsqualität üben als 2006. Außerdem sind sie deutlich zufriedener mit den Bedingungen, unter denen sie Entscheidungen fällen müssen. Festzustellen ist hier ein eindeutig positiver Trend, der jedoch nicht über das nach wie vor enorme Ausmaß an Unsicherheit hinwegtäuschen darf.
In Zahlen: Geschlagene 70 Prozent klagen über eine zu große Informationskomplexität. Die Hälfte der Führungskräfte vermisst die für Business-Entscheidungen nötige Aktualität und Qualität der Daten. Immerhin ein Fortschritt, denn 2006 bemängelten das noch zwei Drittel der Befragten. Mit seinen Entscheidungsbedingungen ist jeder fünfte Manager zufrieden; 2006 war es nur jeder achte. Es geht also voran. Es bleibt aber auch noch viel zu tun.
Dass trotz ausgebauter BI noch so oft das Bauchgefühl entscheidet, erklärt Novem-Geschäftsführer Anastasios Christodoulou mit einem zeitintensiven Gewöhnungsprozess. Analyse-Tools können zwar aus komplexen Sachverhalten die relevanten Informationen fischen und verständlich präsentieren. Aber das Vertrauen in die Technologie müsse erst noch wachsen: „Da ist es nachvollziehbar, dass sich Manager zusätzlich auf ihre Intuition stützen möchten“, so Christodoulou. Für eine Verbesserung der Entscheidungsqualität sei die Nutzung intelligenter Technologie jedoch unumgänglich.
Intuition auch in USA stark ausgeprägt
Um ein deutsches Phänomen handelt es beim Hang zur Intuition übrigens nicht. Vor einigen Monaten lieferte eine Umfrage der Berater von Accenture in den USA ein ähnliches Bild. Zwei Fünftel der Entscheidungen jenseits des Atlantiks werden ebenfalls aus dem Bauch heraus getroffen. Lediglich 60 Prozent der strategischen Entscheidungen beruhen auf der Analyse von Daten und Prozessen.
Hüben wie drüben arbeiten viele Unternehmen mit Hochdruck daran, mit Hilfe neuer Tools ihre Entscheidungsgrundlagen zu verbessern. Das Ende der Intuition wird aber auch dann nicht kommen, wenn alle BI-Initiativen perfekt fruchten.
Warum das so ist, stellte vor einiger Zeit Aberdeen-Analyst David Hatch klar. „Viele Unternehmen verbringen Monate damit, die von BI versprochenen Reporting- und Analyse-Möglichkeiten aufzubauen“, so Hatch. „Sie nehmen dafür enormen Kosten in Kauf. Und dann stellen sie fest, dass es immer noch verschiedene Versionen der Wahrheit gibt – ohne einen Königsweg festzustellen, welche richtig oder angemessen ist.“