Das Coronavirus setzt dem Präsidenten zu. Plötzlich muss Trump sich in der ungewohnten Rolle des Kümmerers versuchen. Kann ihm die Krise zum Verhängnis werden?
Donald Trump wählt die ganz besondere Bühne: eine Ansprache an die Nation, direkt aus dem Oval Office, übertragen im landesweiten Fernsehen zur besten Sendezeit. Solche Auftritte des US-Präsidenten sind für außergewöhnliche Anlässe vorbehalten: für Krisen, Naturkatastrophen, einschneidende politische Entscheidungen. Mit seinem Auftritt am Mittwochabend (Ortszeit) zeigt Trump, dass das Coronavirus genau das ist: eine internationale Krise. Für ihn selbst ist es noch dazu eine große politische Gefahr mitten im Wahljahr - und die wohl größte Herausforderung seiner Amtszeit.
Beschwichtigung funktioniert nicht
Seit dem ersten Coronavirus-Fall in den USA Ende Januar lautete Trumps Strategie in der Krise zunächst: Beschwichtigung. "Es wird weggehen", man müsse nur ruhig bleiben, sagte Trump da noch. "Amerika wird es hinkriegen!" Seine Coronavirus-Taskforce mache einen "großartigen Job". Er sei "überhaupt nicht besorgt". Er spickte seine Aussagen zu dem Thema wiederholt mit parteipolitischen Kommentaren und schrieb noch am Montag auf Twitter, im vergangenen Jahr seien 37 000 Amerikaner an der normalen Grippe gestorben, ohne dass das Leben zum Stillstand gekommen sei. Darüber solle man mal nachdenken.
In Krisenlagen hat Trump bislang keine allzu gute Figur gemacht. Er ist nicht für seine Einfühlsamkeit bekannt und bewies erst vergangene Woche wieder wenig Fingerspitzengefühl, als er über ein Kreuzfahrtschiff vor San Francisco mit infizierten Passagieren an Bord sprach. Er könne es nicht gebrauchen, dass sich die Zahl der Infizierten nur wegen eines Schiffs verdoppele, sagte der Präsident.
Neue Töne
Doch nun schlägt Trump plötzlich andere Töne an. Bei seiner Ansprache aus dem Oval Office gibt er sich ernst und staatsmännisch. "Wir befinden uns in einer kritischen Phase im Kampf gegen das Virus", sagt er da - nur Stunden, nachdem die Weltgesundheitsorganisation die Ausbreitung des Coronavirus offiziell als Pandemie eingestuft hat.
Trump kündigt drastische Schritte an, darunter eine vorübergehende Einreisesperre für Ausländer aus Europa. Oberstes Ziel sei es, die amerikanische Bevölkerung vor weiteren Infektionen zu schützen.
Und Trump versucht sich als Kümmerer, appelliert an das Miteinander im Land. "Wir müssen die Politik beiseite lassen, die Parteilichkeit stoppen und uns als eine Nation und eine Familie vereinen", sagt jener Präsident, der wie kein anderer für internationale Verwerfungen und für eine Spaltung der Gesellschaft in den USA gesorgt hat. "Mit Mitgefühl und Liebe werden wir die Kranken heilen, für die Bedürftigen sorgen, unseren Mitbürgern helfen und gestärkt und geschlossener als je zuvor aus dieser Herausforderung hervorgehen."
Erneut stellt Trump auch - bislang vage - wirtschaftliche Schritte in Aussicht: Kredite für vom Virus geplagte Kleinunternehmen etwa oder Lohnsteuererleichterungen für Bürger. Und er sendet eine Botschaft an die Märkte aus: "Das ist keine Finanzkrise, das ist nur ein vorübergehender Moment, den wir als Nation und als Welt gemeinsam überwinden werden."
Die Nervosität an den Börsen scheint Trump zugesetzt und ihn zum Umdenken gebracht zu haben. Allerdings konnte er den Anlegern die Furcht vor einem größeren Knick in der Weltwirtschaft auch mit seiner Ansprache zunächst nicht nehmen. Wegen der Krise rund um das Coronavirus ging es an der Wall Street auch am Donnerstag bergab: Zum zweiten Mal in dieser Woche wurde der Handel vorübergehend ausgesetzt.
Schwächelt die Wirtschaft, dann schwächelt Trump
Das trifft Trump besonders. Mit dem Wirtschafts- und Börsenboom in den USA will er sich seine Wiederwahl im November sichern. Die Wirtschaft ist sein Lieblingsthema - und sein Pfund, mit dem er im Wahlkampf punkten will. Kaum ein Tag vergeht, an dem er nicht öffentlich die gute Wirtschaftslage und die niedrige Arbeitslosenquote im Land bejubelt. Doch das Coronavirus droht seine Strategie für die Wiederwahl plötzlich ins Wanken zu bringen.
Welche langfristigen Auswirkungen das Virus auf Unternehmen und die Wirtschaft im Land hat, ist noch nicht absehbar. Aber schon jetzt ist klar: Die zuvor rosige Stimmung hat sich eingetrübt.
Das Coronavirus ist für Trump eine besondere Herausforderung. Der Republikaner ist berüchtigt für unberechenbare Hauruck-Entscheidungen, streitsüchtige Tweets und harsche Kritik an seinen Gegnern. Trump, der politisch am stärksten sei, "wenn er einen menschlichen Feind zum Angreifen hat, scheint sich weniger sicher zu sein, wie er es mit einem unsichtbaren Killer aufnehmen soll", schrieb die "New York Times" kürzlich. Das Coronavirus reagiere nicht auf Trumps liebste Instrumente der Macht.
Wahlkampfauftritte in Gefahr
Knapp acht Monate vor der Wahl ist auch unklar, wie es mit Trumps Wahlkampfauftritten weitergeht, bei denen er vor jubelnden Anhängern seine Erfolge ausbreitet und auf die Medien und die Demokraten schimpft. Seit Jahresbeginn hielt er fast ein Dutzend solcher Auftritte quer durch das Land ab.
Seine möglichen demokratischen Herausforderer bei der Wahl im November, Bernie Sanders und Joe Biden, sagten bereits am Dienstag mitten in der heißen Vorwahlphase erstmals Auftritte wegen des Coronavirus ab. Am Wochenende hatte Trump zwar noch gesagt, er wolle weiter Wahlkampfkundgebungen machen. Angekündigt sind bislang allerdings keine. Reisen nach Colorado und Nevada, die er in den kommenden Tagen geplant hatte, sind nun plötzlich auch abgesagt - wegen des Virus.
Ausgemacht ist längst nicht, ob all das Trump am Ende wirklich schadet. Schließlich kann er darauf verweisen, dass er alles in seiner Macht stehende getan habe, gegen den unsichtbaren Feind vorzugehen. Viel wird davon abhängen, ob Trump in den kommenden Monaten als erfolgreicher Krisenmanager wahrgenommen wird. Der Auftritt im Oval Office ist ein Versuch in diese Richtung. (dpa/ad)