Daten an sich schaffen noch keinen Nutzen oder Mehrwert. Diese banal klingende Erkenntnis wird im aktuellen Hype um Digitalisierung oft vergessen. Erst wenn durch Kontext, Struktur und die richtigen Anwendungsszenarien daraus nutzbare, lesbare Information wird, lässt sich damit etwas Praktisches anfangen, erst dann entstehen neue Wege der Wertschöpfung.
Mindestens ebenso notwendig dazu ist der sichere Austausch von Daten zwischen Unternehmen und Institutionen. Aus naheliegenden Gründen gibt es an diesem Punkt allerdings auch eine ganze Reihe von Vorbehalten und Ängsten.
Hilfreich für deren Abbau und für die Sicherheit beim Austausch wäre eine branchenübergreifende Plattform, da waren und sind sich Wirtschaft, Politik und Forschung seit langem einig. Deshalb gründeten ihre Interessenvertreter Ende 2014 mit dem "Industrial Data Space" einen quasi virtuellen Raum zum sicheren Austausch von Daten, der sich auf ein gemeinschaftliches Governance-Modell stützt.
Standard für Dateninteroperabilität schaffen
Eines der Gründungsmitglieder des Vereins, der diesen Raum betreibt, war PwC. Jetzt hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eine Studie mit über 200 Unternehmen unterschiedlicher Größe aus verschiedenen Branchen durchgeführt, "um den Ansatz des Industrial Data Space in der Wirtschaft auf den Prüfstand zu stellen" und "in dieser frühen Phase zu evaluieren, ob das Konzept des Industrial Data Space in der Wirtschaft angenommen wird und welche Potentiale es zusätzlich beinhaltet."
Die Väter dieses virtuellen Raums stehen vor der extrem anspruchsvollen Aufgabe, einen echten Standard für die Dateninteroperabilität zu etablieren. Das kann natürlich nur mithilfe maximaler Akzeptanz für das ganze Konzept gelingen.
Und diese Akzeptanz wollte die Studie testen. Genauer gesagt ging es um die Frage, inwieweit in der deutschen Unternehmenslandschaft bereits institutionenübergreifend Daten geteilt werden und welche Bedarfe, Haltungen und Voraussetzungen es auf diesem Gebiet gibt.
Um das herauszufinden, befragte PwC bundesweit Führungskräfte aus 210 Unternehmen und Institutionen. Teil der Interviews war auch das Provozieren von Spontanreaktionen auf das Konzept des Industrial Data Space: Unternehmensvertreter mussten im Gesprächsverlauf eine vorbereitete Website mit einer stark vereinfachten Darstellung des Konzepts abrufen und kommentieren.
Basis für neue Formen der Wertschöpfung
In 84 Nachinterviews erforschte PwC zudem, inwieweit das Konzept später in den Unternehmen diskutiert worden ist und ob konkrete Anwendungsideen dafür entstanden waren.
Über 80 Prozent der Befragten gehen grundsätzlich davon aus, dass die Digitalisierung einen starken Einfluss auf Ihr Unternehmen haben wird. Drei von vier Unternehmen tauschen heute bereits Daten aus, 63 Prozent tun dies sogar regelmäßig beziehungsweise flächendeckend.
Insgesamt 74 Prozent der Befragten sind sich sicher, dass der Bedarf an einem solchen Datenaustausch weiter steigen wird, weil sie verstanden haben, dass er eine der Grundlagen zukünftiger Wertschöpfung ist.
Mittelstand hat noch wenig Strategien für die Digitalisierung
Strategien für die Digitalisierung gibt es im Mittelstand auffallend seltener als in Großunternehmen. Anlass für die Entwicklung einer solchen Strategie sind meist Sicherheitsfragen.
Für 40 Prozent gehört zu strategischen Digitalisierungsplänen auch der Branchen-übergreifende Datenaustausch hinzu. Dieser Austausch findet in 62 Prozent der Fälle mit Kunden oder Lieferanten und in 15 Prozent mit direkten Wettbewerbern.
Welche Daten ausgetauscht werden und mit welchem Ziel
Ausgetauscht werden vor allem Dispositions- und Bestandsdaten, Liefertermine, Zustandsdaten und der Wartungsstatus von Maschinen, aber auch Quellcodes von Programmen und Konstruktionszeichnungen.
Wichtigste Ziele des Austauschs sind die Verbesserung von Kundenbeziehungen oder deren gezieltere Ansprache, die Optimierung von Prozessen beziehungsweise der Effizienz der Wertschöpfungskette sowie die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle.
Herausforderungen und Hindernisse gibt es natürlich auch. 29 Prozent der Befragten befürchten vor allem Sicherheitsrisiken und sorgen sich um den Kontrollverlust über Ihre Daten. Rund ein Viertel gab an, dass eine zu hohe Komplexität in Verbindung mit hohen finanziellen Aufwendungen das größte Problem darstellt.
Weitere Bedenken entstehen durch zu wenige verfügbare Informationen über Umsetzungsdetails oder teilnehmende Unternehmen.
Prozessoptimierung und Qualitätsverbesserung
Eine Lösung wie den Industrial Data Space, also ein offener und standardisierter Ansatz als Antwort auf die skizzierten Ängste und Vorbehalte halten vor allem die Vertreter von Großunternehmen für eine gute Idee. Bei den Nachinterviews hat hier fast jeder zweite Befragte von einer positiven Rückmeldung der Geschäftsleitung auf das Thema berichtet.
Einer der größten Vorteile einer solchen Plattform ist in den Augen der Befragten die Erhöhung der Datensicherheit. Aber auch in puncto Prozessoptimierung und Qualitätsverbesserung erwarten sie sich einiges von einer systematischen Kooperation.
Die Studie beweist auf der einen Seite, wie intensiv sich viele Manager mittlerweile mit dem Thema Datenaustausch beschäftigen. Das gilt zum einen natürlich für Digitalisierungs-, aber auch für Strategieverantwortliche bis hinauf zur Geschäftsleitung.
Voraussetzung für jeden Datenaustausch ist ein relativ hohes Maß an Digitalisierung, und daran hapert es vielerorts noch. 47 Prozent aller befragten Unternehmen gaben an, bisher über noch keine Digitalisierungsstrategie zu verfügen. Besonders im unternehmerischen Mittelstand ist die Zurückhaltung hier noch immer groß.
Dilemma zwischen Nutzen und Datensicherheit
Auf der anderen Seite schätzen drei Viertel der Studienteilnehmer, dass der Bedarf an "echtem" Datenaustauch in den kommenden fünf Jahren erheblich ansteigen wird. Mit echt ist in diesem Fall jeder Austausch gemeint, der über den traditionellen, unvermeidlichen mit Lieferanten und Kunden hinausgeht.
Zukünftige Benefits dabei wären neben den bereits angesprochenen Optimierungspotenzialen die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, solcher, die nur durch den wechselseitigen Austausch möglich werden.
Unternehmen sind also in einem Dilemma: Einerseits sehen sie den Nutzen von mehr Austausch durchaus, andererseits bleiben viele offene Fragen bezüglich der Sicherheit noch unbeantwortet. Vermisst werden hier vor allem klare Haftungsregelungen bei Verstößen und Mechanismen für den Erhalt von Datensouveränität trotz Austauschs.