Analysten-Kolumne

Überlebenskampf der IT-Dienstleister

13.05.2009 von Julia Daecke
Die Krise beschleunigt nochmals die Marktkonsolidierung der IT-Dienstleister. Sie müssen sich auf Kostensenkungs- und ausgewählte Investitionsprojekte fokussieren. Neue Finanzierungsmodelle und persönliche Netzwerke gehören ebenso dazu, meint Julia Daecke von Roland Berger in ihrer Kolumne.
Roland Berger-Analystin Julia Daecke: "Anwenderunternehmen sind momentan tendenziell risikoscheu und preissensitiv."

Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat auch die IT-Industrie erfasst: Kunden kürzen IT-Budgets und die Unternehmen der Branche verlieren an der Börse deutlich an Wert. Zeitgleich beschleunigt die Krise den Wandel von Technologien, Kundenanforderungen und Wettbewerbsstrukturen. Trotzdem sind IT-Unternehmen den Umsatz- und Wertverlusten nicht hilflos ausgeliefert. Die Krise bietet sogar Chancen - durch gezielte, krisenorientierte Vertriebsprogramme.

Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die IT-Industrie

Aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass die weltweiten Ausgaben für Informationstechnologie im Jahr 2009 im besten Fall noch um zwei Prozent steigen werden. Die schlimmsten Szenarien rechnen mit einem Rückgang von fünf Prozent. 2008 lagen die Erwartungen für 2009 noch deutlich höher.

Das spiegelt sich an den Börsen wider: Der Total Shareholder Return aller weltweit gelisteten IT-Unternehmen ist 2008 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 43 Prozent gesunken. Damit gehört die IT-Industrie neben den Branchen Automobil und Finanzdienstleistungen zu den am stärksten von der Krise betroffenen Sektoren.

Es sind jedoch nicht alle Geschäftssegmente in gleichem Maße von der Krise betroffen: Besonders Bereiche, die den Unternehmen einen unmittelbaren Return on Investment (ROI) bringen, wie etwa Outsourcing, wachsen auch in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs. Andere Segmente, wie zum Beispiel Investitionen in neue Hard- und Software, sind dahingegen stark rückläufig.

Anwenderunternehmen sind momentan tendenziell risikoscheu und preissensitiv. Sie lassen sich dabei grob in drei Kategorien einteilen: "Early Birds", "Recent Movers" und "The Unimpressed". Während die "Early Birds" bereits bei den ersten Anzeichen der Krise Kostensenkungsprogramme gestartet haben, beginnen die "Recent Movers" gerade, ihre IT-Ausgaben zu senken. "The Unimpressed" zeigen keine Reaktion auf die Krise, investieren bewusst in neue Technologien und rüsten sich für die Zeit danach.

Effizienzsteigerung mit Prozessautomatisierung und SCM

Unternehmen zeigen unterschiedliche Reaktionen hinsichtlich Kostensenkungsmaßnahmen in Krisenzeiten.

Diese Einteilung spiegelt sich auch in den aktuellen Projektaufträgen wider: Während "Early Birds" und "Recent Mover" vor allem Projekte durchführen, die die IT-Gesamtkosten in möglichst kurzer Frist schnell und umfassend senken, konzentrieren sich "The Unimpressed" auf IT-Investitionsprojekte mit kurz- bis mittelfristigen Effizienzsteigerungen in der Wertschöpfung des Unternehmens (fokussierte IT-Investitionsprojekte). Diese Projekte amortisieren sich in der Regel innerhalb von 36 Monaten.

Typische Beispiele dafür sind IT-gestützte Prozessautomatisierung, Lieferketten-Management-Systeme oder Systeme, die den Vertrieb unterstützen. Vereinzelt setzen sie darüber hinaus auch strategische IT-Projekte um, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen mittel- bis langfristig sichern sollen.

Die Krise wird die bereits stattfindende Marktkonsolidierung unter den IT-Dienstleistern beschleunigen und diese zwingen, sich klar zu positionieren: Überlebenswichtig sind Nischenstrategien oder eine kritische Größe, mittelgroße und breit aufgestellte Anbieter werden in der anstehenden Marktkonsolidierung aufgehen.

Krisenorientierte Vertriebsprogramme

IT-Dienstleister können den drohenden Umsatz- und Wertverlusten sehr wohl etwas entgegensetzen und gezielt die Chancen wahrnehmen, die die Krise bietet. Dazu müssen sie ihre Vertriebsangebote konsequent an den aktuellen Bedürfnissen des Markts ausrichten und ihr Produktportfolio entsprechend gestalten. Insbesondere für Kostensenkungsprojekte und fokussierte Investitionsprojekte müssen die Angebote ihren Wertbeitrag in den Dimensionen Liquiditätssicherung, Kostensenkung, Reduzierung der Kapitalbindung und strategischer Beitrag deutlich aufzeigen.

Payback von IT-Investitionen am besten in zwei Jahren

Sie müssen dem Kunden einen messbaren finanziellen Nutzen für die Kernprozesse bieten und schnell erste Ergebnisse zeigen. Der Payback der Investitionen sollte maximal drei, besser zwei Jahre betragen. In der Terminologie und Marktbearbeitung sollten die Angebote den CFO und nicht nur Fachentscheider ansprechen. Dafür sind Experten nötig, die sowohl über das entsprechende Netzwerk verfügen als auch in der Sprache der Entscheider kommunizieren können.

Die IT-Projekte sind im Wesentlichen durch drei Arten geprägt: von der reinen Kostensenkung bis hin zu strategischen Investitionen.

Eine besondere Bedeutung kommt auch Finanzierungsmodellen zu. Innovative Finanzierungslösungen wie etwa Abstandszahlungen für Hardware oder Kombinationen aus verzögertem Zahlungsstart und niedrigen Zinsen ergänzen das auf die Krise angepasste Leistungsportfolio und bieten Unternehmen zusätzliche Kaufanreize. Besonders große IT-Dienstleister haben dabei einen Wettbewerbsvorteil durch ihre Finanzkraft.

Bei strategischen Investitionsprojekten ist es für IT-Dienstleister entscheidend, sich als vertrauenswürdiger und kompetenter Gesprächspartner zu etablieren, der nicht nur zu einzelnen Projekten aussagekräftig ist, sondern auch über Visionen, die dazu gehörenden Strategien und langfristige Wettbewerbsvorteile diskutieren kann. Basis dafür ist ein persönliches Netzwerk auf Vorstandsebene. Der IT-Dienstleister sollte sich hier als "Technology Leader" positionieren. Fehlende Kompetenz und Kontakte kann er durch strategische Kooperationen mit Beratungshäusern und anderen IT-Dienstleistern kompensieren.

Ein krisenorientiertes Vertriebsprogramm hilft dabei, ein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse der Kunden zu entwickeln und bestehende Geschäftsbeziehungen grundlegend zu überdenken. Das kann zum Beispiel dazu beitragen, dass Kunden, die sich ursprünglich lediglich an Produkten und Technologien der IT-Dienstleister orientiert haben, sich nun auch für das gesamte Knowhow des Anbieters sowie komplette Lösungsansätze interessieren. Außerdem kann ein krisenorientiertes Vertriebsprogramm IT-Unternehmen die Möglichkeit eröffnen, sich im Markt neu zu positionieren und durch neue strategische Vertriebspartnerschaften den Wandel der gesamten Branche aktiv mitzugestalten.

Julia Daecke ist Senior Consultant im Kompetenzzentrum InfoCom bei Roland Berger Strategy Consultants.