Nachhaltigkeit

Umweltfaktoren gewinnen für Unternehmensratings an Bedeutung

26.06.2019
Bei der Suche nach Investoren wird für Unternehmen ökologisch, nachhaltig und ethisch korrektes Handeln zunehmend wichtiger.
Die Themen "Umwelt", "Soziales" und "gute Unternehmensführung" werden S&P zufolge mehr Einfluss auf die Kreditbewertung von Unternehmen haben.
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Die US-amerikanische Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) schätzt, dass der Einfluss der ESG-Kriterien auf die Kreditbewertung von Unternehmen steigen wird. Die drei Buchstaben stehen für Environment, Social und Governance, also Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung.

Energieversorger, Autobauer und Chemieunternehmen stuft S&P in dieser Hinsicht als besonders risikoreich ein. Neben Gefahren durch Umweltkatastrophen, beispielsweise in Folge eines Öllecks, sind Unternehmen in diesen Branchen stark von staatlichen Regulierungen betroffen. "Der gestiegene Einfluss des Umweltfaktors hat das Geschäftsmodell der Autohersteller auf den Kopf gestellt", sagte S&P-Auto-Expertin Vittoria Ferraris mit Blick auf die Pkw-Branche.

Bei S&P sind etwa 15 Prozent der Rating-Veränderungen im Zeitraum von Juli 2015 bis August 2017 durch ESG-Faktoren getrieben gewesen. S&P zählt neben Moody's und Fitch zu den großen Playern in der Branche. Ihr Urteil über die Kreditwürdigkeit von Unternehmen ist für Anleihen-Investoren wesentlich.

Chancen für Unternehmen

Für viele Unternehmen böten die Kriterien aber auch Chancen. Immerhin seien 40 Prozent der von der Ratingagentur aufgrund von ESG-Kriterien neu eingestuften Firmen besser bewertet worden, erklärte Tobias Mock, der bei S&P für die Unternehmensratings in Deutschland, Österreich und die Schweiz zuständig ist.

Neue Fahrt dürfte das Thema durch die von der Europäischen Union geplanten Maßnahmen für eine nachhaltigere Finanzwirtschaft aufnehmen. Besonderen Augenmerk wirft die Finanzwelt auf die Pläne zu einem einheitlichen EU-Klassifizierungssystem für Nachhaltigkeitskriterien, das in Fachkreisen unter dem Begriff Taxonomie diskutiert wird. Mitte Juni legten Expertengruppen drei Berichte vor, nämlich zur Klassifizierung, zu Kriterien für grüne Anleihen sowie zu Standards für ESG-Kriterien.

Die EU-Kommission erhofft sich davon, dass Wirtschaftsakteure und Investoren Gewissheit darüber erlangen, welche Tätigkeiten als nachhaltig gelten, sodass sie fundiertere Investitionsentscheidungen treffen können. "Der Klimanotstand lässt uns keine andere Wahl als auf ein klimaneutrales Wirtschaftsmodell umzusteigen", sagte Valdis Dombrovskis, Vizepräsident der EU-Kommission für Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und die Kapitalmarktunion.

"Thema wurde lange umschifft"

Diese Standards könnten weitreichende Auswirkungen auf die Finanzakteure haben, denn laut der Pläne sollen sie als Grundlage für die künftige Einführung von Normen und Kennzeichen für nachhaltige Finanzprodukte dienen. Und solche Produkte stehen bei vielen Anlegern zunehmend hoch im Kurs.

Die EU erhöht also den Druck auf die Finanzwirtschaft, selbst tätig zu werden. "Die großen drei Ratingagenturen S&P, Moody's und Fitch haben das Nachhaltigkeits-Thema lange umschifft und rund zehn Jahre gebraucht, um ESG-Aspekte in ihre Bewertungsmodelle einzubauen", sagte Henry Schäfer, Professor für Finanzwirtschaft an der Universität Stuttgart. Aufgrund der Pläne der EU mussten sich die Agenturen dem jetzt öffnen. Dagegen spricht Schäfer zufolge auch nichts, wenn es darum geht, Risikostrukturen zu erkennen statt pauschal bestimmte Branchen von vornherein mit einem "Schmutz-Malus" zu versehen.

Zu den besonders betroffenen Branchen zählen auch die Energieversorger. In Deutschland stehen nach dem gesetzlich geregelten Ausstieg aus der Kernenergie nun die Kohleförderer im Fokus. Für die Ratingagentur S&P sind hier staatliche Regulierungen der entscheidende Risikofaktor.

"Der Kohleausstieg in Deutschland ist aktuell die größte Herausforderung und hat einen massiven Einfluss. Die Kapazität von 50 Gigawatt von 24 Kohlekraftwerken muss ersetzt werden", sagte Pierre Georges, S&P-Experte für Versorger. Für die Transformation seien hohe Investitionen nötig. "Wir werden wahrscheinlich mehr Zukäufe und Übernahmen in dem Sektor sehen. Das gilt vor allem für Erneuerbare Energien, wo Größe der Schlüssel zum Erfolg ist." Ein Beispiel dafür ist die geplante Übernahme der RWE-Tochter Innogy durch Eon und RWE hatten sich im vergangenen Jahr darauf geeinigt, dass RWE künftig das gesamte Geschäft mit Erneuerbaren Energien der beiden Konzerne übernimmt. Eon will sich auf Netz und Vertrieb konzentrieren.

Die großen Player im Öl- und Gasgeschäft, Total , BP und Shell, treiben den Wandel in ihren Konzernen bereits voran. So will Shell Vorreiter in Sachen Elektrizität werden und dafür jährlich ein bis zwei Milliarden US-Dollar in den Ausbau Erneuerbarer Energien investieren. In Deutschland plant der Konzern noch in diesem Jahr 50 Hochleistungsladesäulen für Elektroautos an seinen Tankstellen zu errichten. Beim Aufbau des Ladesäulen-Netzes arbeitet der Ölgigant mit dem Stromkonzern EnBW zusammen. Die Baden-Württemberger garantieren ihren Kunden an den Ladesäulen 100 Prozent Ökostrom. (dpa/sa)