Hat eine Führungskraft zu einzelnen Mitarbeitenden einen besonders guten Draht, erleben diese sich als erfolgreich, legen sich noch mehr ins Zeug und unterstützen auch ihre Kollegen stärker. So dachte man jedenfalls lange. Allerdings ist das nur die halbe Wahrheit: Forschende der Kühne Logistics University (KLU) und der Erasmus Universität Rotterdam (NL) haben in einer Studie die Schattenseite solcher Erfolgsgefühle ausgeleuchtet.
In drei Online-Befragungen mit mehreren hundert Teilnehmenden haben die Forschenden untersucht, wie die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeitenden das Verhalten der Mitarbeitenden untereinander beeinflusst. "Unsere Ergebnisse zeigen: Eine bessere Behandlung durch die Führungskraft führt häufiger zu überheblichem Stolz und arrogantem Verhalten gegenüber den Kollegen", fasst Benjamin Korman zusammen, der inzwischen an der Universität Konstanz tätig ist. "Das gilt vor allem dann, wenn die bevorzugten Mitarbeiter zu Dominanz neigen und den empfundenen höheren Rang behalten möchten. Dann sind manche sogar bereit, ihren Kollegen zu schaden."
Nur konkrete Leistungen loben
Mitarbeitende vergleichen sich miteinander und schließen aus einer besonders guten Behandlung durch die Führungskraft eventuell auf einen höheren Rang. "Führungskräfte sollten sich bewusst machen, dass ihr Umgang mit ihren Mitarbeitenden sich darauf auswirkt, wie sich die Mitarbeitenden gegenseitig behandeln", empfiehlt Korman. Was können Führungskräfte also tun, damit im Team keine Schieflage entsteht?
"Alle Mitarbeitenden wertschätzen und gute Arbeit natürlich auch anerkennen", betont Christian Tröster, Professor für Leadership and Organizational Behavior an der KLU. "Es kommt jedoch darauf an, wie man jemanden ins Licht stellt. Führungskräfte sollten eine Person nur für konkrete Leistungen vor allem für das Team oder die Organisation loben." So könne sich authentischer Stolz entwickeln, der motiviere und zu besseren Leistungen ansporne, ohne dass die Kollegen darunter leiden müssten.
Vom Gedankenspiel zum realen Leben
Im Rahmen der Untersuchung führten die Wissenschaftler zunächst zwei Gedankenexperimente durch: Die Teilnehmenden lasen eine kurze fiktive Geschichte über ihre Arbeit in einem Team. Entweder wurden sie von der Führungskraft bevorzugt oder genau so behandelt wie andere Teammitglieder. Danach beantworteten die Teilnehmer Fragen zu ihrem Empfinden von Stolz und ihrem Verhalten gegenüber Kollegen, beispielsweise, ob sie deren Ideen heruntermachen würden oder eher nicht.
In einem zweiten Experiment schrieben die Teilnehmenden einen Text über eine Zeit, in der sie sich entweder anderen überlegen fühlten oder sie stolz auf etwas Erreichtes waren, ohne sich dabei überlegen zu fühlen. Eine weitere Gruppe beschrieb zur Kontrolle ganz unvoreingenommen einen für sie typischen Arbeitstag. Auch in diesem Experiment beantworteten die Teilnehmenden im Anschluss Fragen zu ihrem Verhalten gegenüber den Kollegen.
Doch wie verhalten sich die Menschen im realen Arbeitsleben? Das haben die Forschenden wiederum in einer sogenannten Tagebuchstudie mit Berufstätigen aus verschiedenen Branchen untersucht: Die Teilnehmenden berichteten zwei Wochen lang zweimal täglich, wie sie die Behandlung durch die Führungskraft wahrnahmen, was sie dabei fühlten und wie sie sich gegenüber Kollegen verhielten, also ob sie beispielsweise hinterm Rücken schlecht über sie redeten oder ihnen wichtige Informationen vorenthielten. Auch diese Untersuchung bestätigte die Ergebnisse der Forscher.
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