Als Großhändler mit rund 36,5 Milliarden Euro Umsatz und mehr als 150.000 Mitarbeitern in 36 Ländern gehört die Metro AG zu den etablierten Akteuren im Handelssegment. Um den IT-Herausforderungen mit einer ständig steigenden Komplexität gerecht zu werden, stellte sich die Metro im Jahr 2018 in diesem Bereich komplett neu auf. Mit der Tech-Unit Metronom ist ein kraftvolles "Schnellboot" entstanden, das mit etwa 2.500 Mitarbeitern weltweit an acht Standorten aktiv ist. Das Team arbeitet an verschiedenen digitalen Omnichannel-Lösungen und Innovationen, die den Großhandel schon in wenigen Jahren entscheidend verändern werden.
Als überwiegend intern agierendes Unternehmen könnte man meinen, dass sich Metronom nur für den ersten Faktor der Erfolgsformel - die Umsetzung - interessiert, doch das ist nicht weit genug gesprungen. Unsere Erfahrung zeigt, dass nur eine übergreifende Denk- und Herangehensweise zum Erfolg führt.
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Die "Umsetzung" steht in unserer Erfolgsformel bewusst an erster Stelle. Denn ohne sie ist auch die beste Strategie wirkungslos. Legt man die "Purpose Statements" und "Value Propositions" für IT-Abteilungen von mehreren Unternehmen übereinander, so unterscheiden sie sich oft nur in Nuancen, in der Reihenfolge und in der Wortwahl.
Wunderbare Gelegenheiten zum Verzetteln
Entscheidend ist, wer letztendlich die Strategie wie umsetzt. Für die IT ergibt sich daraus eine neue Form von Verantwortung. Schließlich bietet die in den Strategien weitgehend ausgeklammerte Komplexität und Untiefe der Technologien jeden Tag viele wunderbare Gelegenheiten zum Verzetteln. Gleichzeitig wertet diese neue Verantwortung die IT enorm auf. Denn der Bereich verschlingt nun nicht mehr nur Budgets, sondern schafft Wert. Die IT ermöglicht lukrative Geschäftsmodelle und öffnet neue Räume für weitere Geschäftsfelder in Wachstumsmärkten.
Die IT als wertschöpfender Partner des Geschäfts: Daran müssen sich nicht nur die internen und externen Partner, sondern auch die Mitarbeiter der IT-Einheiten gewöhnen. Sie sichern den laufenden technischen Betrieb - das ist schon Herausforderung genug - und gleichzeitig sollen sie Zukunftsprojekte vorantreiben, deren technische Komplexität sich manchmal erst mitten im Projekt zur neunköpfigen Hydra entfaltet.
Das Ergebnis: Viele ITler werden im Unternehmen noch immer wie nerdige "Schmuddelkinder" angesehen, die mit Code im Sandkasten spielen, den Zeitplan nicht einhalten und eine Sprache sprechen, die keiner versteht. Die Zusammenarbeit mit der IT wird eher als Last denn als Lust empfunden. Diese Dynamik lässt sich nur schwer durchbrechen. Wir haben es durch konsequente Kundenorientierung und eine vollständige agile Prozesslandschaft geschafft.
Bei Metro haben wir bewusst die komplette IT-Einheit neu aufgestellt und bei Metronom von Anfang auf eine selbstbewusste und starke Markenbildung nach innen und außen geachtet. Ein Metronom gibt bekanntlich den Takt und die Geschwindigkeit vor. Und genauso sehen wir uns: als Pacemaker für das Unternehmen und den Markt, in dem wir uns befinden. Die Namensgebung ist kein Zufall: Wir müssen in kürzeren Takten entwickeln, um schneller zu sein. Mit Hilfe von Prototypen, die wir gemeinsam mit Kunden testen, können wir beispielsweise viel schneller lernen und einen neuen Entwicklungszyklus starten - eine Maßnahme, die man ohne großen Aufwand durchführen kann.
Die IT wird zum Taktgeber
Die Umfirmierung und Neuaufstellung gab uns die Gelegenheit, Ressourcen und Abläufe sowie historisch gewachsene Scheinabhängigkeiten zu überdenken und radikal zu ändern. Ein Beispiel: Uns war bewusst, dass die Umsetzung geschmeidiger gelingt, wenn wir von Anfang an als zuverlässiger Partner wahrgenommen werden. Das geht nur, wenn wir die Lieferfristen mindestens in versprochener Qualität einhalten. Dazu benötigten wir für alle Beteiligten transparente IT-Prioritäten.
Diese Überlegungen mündeten in ein ausgefeiltes Portfolio-Management, das wir erfolgreich einsetzen. IT-Initiativen ziehen wir mittlerweile in Sechs-Monats-Zyklen durch. Das Ergebnis ist eine Termin- und Liefertreue von 86 Prozent und eine Verdoppelung der Produktivität. Fast noch wichtiger ist es aber, dass wir zunehmend von unseren internen Auftraggebern ohne Argwohn als ernst zu nehmender Partner wahrgenommen werden, was die Zusammenarbeit erheblich erleichtert.
Ohne Kundennähe geht es nicht
Eine weitere Erkenntnis auf unserem Weg ist, dass Technologie ohne Kundennähe wertlos ist. Vorbei ist die Zeit, in der die IT als fremdgesteuerter Satellit an technischen Lösungen basteln konnte, die sich letztendlich als teure Rohrkrepierer herausstellten. Daher nehmen wir unsere internen und externen Auftraggeber und Kunden konsequent von Anfang an mit auf die digitale Reise.
So lassen wir für die Entscheidungsfindung bei Produktentwicklungen Analysedaten und Kunden-Feedback immer als Erstes in die Projekte einfließen. Als Resultat verstehen wir dadurch nicht nur die länderspezifischen Bedürfnisse viel detaillierter, sondern aufgrund der zahlreichen granularen Datenpunkte auch die Kunden unseres Geschäfts - was wiederum Impulse für neue Ideen gibt: von der Entwicklung im Bereich Mobile Commerce über stark individualisierte Online-Shops bis hin zur Optimierung der Logistik und der Service- und Preisfindung für den einzelnen Gastronomen.
Strategie muss gelebt werden
Wer glaubt, dass ein rasches Einführen von neuen technischen Systemen reicht, um die IT erfolgreich weiterzuentwickeln und am Markt zu bestehen, muss dringend am zweiten Summanden der Erfolgsformel arbeiten: der Strategie. Ist die Ausführung die Voraussetzung dafür, dass die Strategie zündet, muss überhaupt erst einmal eine sinnvolle Strategie vorhanden sein - und zwar auch eine schlüssige IT-Strategie, die konsistent auf die jeweilige Unternehmensstrategie einzahlt.
Wenn wir über Strategie sprechen, dann geht es auch immer um eine gewisse Geisteshaltung, um den "Mindset": Das gilt für den Vorstand über die Führungskräfte bis zum Mitarbeiter in der technischen Hotline. Statt von oben nach unten eine Strategie durchzudrücken, die von Anfang an viel zu abstrakt ist, um sie konkret mit Leben zu füllen, haben wir die Metronom-Strategie gemeinsam in einem "Bottom-up"-Prozess erarbeitet.
Strategie entsteht Bottom-up
Über einen Zeitraum von sechs Monaten haben sich 160 Mitarbeiter in 19 Teams mit den strategischen Themen beschäftigt. Ihnen wurde lediglich eine Methodenunterstützung und ein Framework an die Hand gegeben. Wir haben uns dabei für das Strategiemodell VMOSA entschieden. V steht für Vision, M für Mission, O für Ziele (Objectives), S für Strategie und A für Action, also Handlung. Bei diesem Modell ergeben sich die Ziele einer Organisation idealtypisch aus einer formulierten Vision, der von allen Akteuren geteilten Beschreibung eines erwünschten Zustands.
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Den Rest erledigte die "Schwarmintelligenz" der Metronom: Wir haben nun eine Strategie, mit der sich unsere Mitarbeiter persönlich identifizieren. Sie verstehen sich als Teil einer Bewegung und trauen sich, Veränderungen aktiv mitzugestalten. Dabei arbeiten wir heute mit sogenannten "Objectives & Key Results". Diese dienen etwa als Grundlage für strategische Ziele, damit diese operationalisierbar und messbar werden. Das "Objective" beinhaltet die Frage "Wo will ich hin, was ist mein Ziel?" und die "Key Results" formulieren die Messbarkeit zur Erreichung des Ziels. Dadurch zahlen Visionen und Ziele direkt auf den gemessenen Erfolg beim Kunden und das Unternehmen ein. Eine datengetriebene Entwicklung mit agilen Methoden hilft uns hier also.
Für die Metronom haben wir fünf strategische Kompetenzfelder identifiziert, die für uns in den nächsten Jahren Priorität haben: Cloud, Connectivity, Data, User Experience sowie Mobile. Mitunter fließen diese Bereiche ineinander.
Cloud: In einem weltweiten Geschäft mit Millionen Kunden, die wir digital bedienen, ist Skalierbarkeit eine der größten Herausforderungen. Entsprechend verfolgen wir eine klare Cloud-Strategie, um dieser Anforderung gerecht zu werden.
Connectivity: Unsere Systemlandschaft ist äußerst komplex, die Integration dieser Systeme ist eine große Herausforderung. Alle neuen Entwicklungen folgen deshalb technisch einem "API-First"-Ansatz, um die Connectivity zwischen den Systemen möglichst reibungslos sicherzustellen. Dabei öffnen wir uns auch externen Partnern, welche die Business-Funktionalitäten der Metro nutzen können.
Data: Die Metro betreibt seit 1996 ein Corporate Data Warehouse und investiert kräftig in Advanced Analytics und Data Science. Damit erreichen wir nach vorne hin eine hochpersonalisierte Kundeninteraktion, im Backend eine kostenoptimierte Prozessumsetzung.
User Experience: Kundenzentrierung ist ein klares Ziel der METRO. Unsere IT-Produkte werden deshalb nach modernsten Methoden auf den Kunden, ob interner oder externer Kunde, ausgelegt. Daraus entstehen dann Lösungen wie bargeldloses Self-Scanning an den Kassen oder mobile Augmented-Reality Apps, die den Kunden mit weiteren Informationen zu Handelsprodukten versorgen.
Mobile: Da gibt es viele regionale Unterschiede. In Asien wird schon jetzt bevorzugt per Handy bezahlt, in Deutschland sind Kunden noch eher skeptisch. Ein Beispiel für unsere Aktivitäten ist die "Metro Companion-App". Sie enthält die digitale Kundenkarte, das Online-Bestellsystem, personalisierte Werbung und sonstige Services wie etwa eine digitale Einkaufsliste.
Wenn die Strategie passt und alle Ampeln für die Umsetzung auf Grün schalten, dann ist das noch lange kein Garant für den langfristigen Erfolg. Denn nur wenn die Mitarbeiter motiviert sind, mitziehen und sich mit den Unternehmenswerten persönlich identifizieren - also einen Sinn in ihrer täglichen Arbeit sehen -, wird das Unternehmen erfolgreich sein. Getreu dem Motto von Simon Sinek: "Ihre Kunden werden Ihr Unternehmen erst lieben, wenn es auch die Mitarbeiter tun", wandeln sich derzeit Unternehmen reihenweise in "lernende Organisationen". Um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, haben wir bei Metronom verschiedene Grundsätze. Einer davon ist: Kompetenz vor Hierarchie.
Unsere Führungskräfte nehmen sich bewusst zurück und lassen mehr die Kompetenzteams im Haus entscheiden. Damit werden die innovativen Kräfte im Unternehmen gestärkt. Unsere Erfahrung ist, dass die gemeinsam mit den Teams getroffenen Entscheidungen immer besser und wertvoller werden.
Führung durch Vorbild
Ein weiterer Grundsatz ist "Führung durch Vorbild": Ein internationaler Konzern wie die Metro AG bewegt sich in Bezug auf Geografie, Geschlecht und Generation auf allen Dimensionen - wir befinden uns in einem Spannungsfeld der Kulturen. Die grundsätzliche Anforderung an Führungskräfte, diese Diversität zu berücksichtigen, versuchen wir durch gesteigerte Kommunikation, flexible Prozesse sowie methodische Unterstützung und Coachings zu erfüllen. Das bedeutet unter anderem, Risiken einzugehen und sich auf Augenhöhe zu begegnen. Ich sitze daher auch im Großraum, fahre einen Mittelklassewagen, habe keinen reservierten Parkplatz, biete jedem das Du an und zeige auch, dass es in Ordnung ist, nicht immer gleich auf alles eine Antwort zu haben.
Dazu gehört auch eine ausgesprochene Feedback-Kultur. Dort haben wir bereits konkrete Ansätze implementiert, beispielsweise ein "Employee Engagement Tool". Mit den zwei- bis vierwöchigen Feedback-Runden liegen wir in einer viel höheren Frequenz als zuvor. Und wir gehen sehr transparent vor: Zum Beispiel hat sich gezeigt, dass Gehalt ein großes Thema ist. In der Folge wurde ein transparenter Benchmark mit externen Unternehmen entwickelt. Er zeigt uns, wie kompetitiv unsere Gehälter sind im Vergleich zu externen Wettbewerbern und anderen Branchen. Gehälter mit starker Abweichung nach unten wurden daraufhin erhöht.
Aus Fehlern schneller lernen
Wer den Wandel zu einer Fehlerkultur schaffen will, benötigt Ausdauer. Gewohnheiten ändern sich langsam. Bei Metronom dürfen die Mitarbeiter Fehler machen. Dazu gehört Mut und Selbstvertrauen. Wichtig dabei ist, die Auswirkungen der Fehler mit offenem Visier zu teilen, damit die Kollegen einen anderen Fehler begehen können. Dazu muss bei den Mitarbeitern ein großes gegenseitiges Vertrauen herrschen. Dieses Vertrauen ist auch die Basis für den Erfolg selbstorganisierter Teams, die ohne große Management-Unterstützung innovative Produkte entwickeln und betreiben.
Das wird letztendlich auch die Rolle der CIOs vom Lösungsgeber und Entscheidungsträger in Richtung interner Coach und externer Repräsentant verändern. Der Arbeitsplatz wird in Zukunft mehr als nur ein Arbeitsplatz sein. Ein Ort, an dem sich die Mitarbeiter wohlfühlen. Das betrifft nicht nur die Räumlichkeiten, sondern auch das Rollenverständnis jedes Einzelnen.
Wenn alle drei Faktoren der Erfolgsformel von ganz oben bis nach unten begriffen und umgesetzt werden, dann wird Ihr Unternehmen gestärkt durch eine Transformation gehen. Während sich die Ausführung und strategische Entscheidungen schneller bewerkstelligen lassen, muss die Kultur gehegt und gepflegt werden. Das geschieht nicht über Nacht. Aber es lohnt sich: Top, die Wette gilt.
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