Nach Dampfmaschine, Fließband und Computer soll das Internet zum Motor der nunmehr vierten industriellen Revolution werden: Die Datenautobahn ist in der "Industrie 4.0" das Bindeglied zwischen Kunden und der "Smart Factory", die nicht nur automatisiert, sondern voll vernetzt arbeitet. Im optimalen Ausbaustadium entscheidet die Fabrik gewissermaßen selbst, welche Produkte in welcher Menge und zu welchem Zeitpunkt gefertigt werden.
Bestellt beispielsweise ein Kunde im Internet ein beliebiges Produkt, wird die Anforderung in Echtzeit mit dem Warenbestand des Lieferanten abgeglichen und gegebenenfalls an die "Smart Factory" übermittelt, die dann den Produktionsauftrag startet. Auch Ausfallzeiten für Wartung und Reparaturen lassen sich durch konsequente Vernetzung minimieren: Sensoren an kritischen Komponenten können deren Abnutzungsgrad permanent erfassen, den Austauschtermin exakt berechnen und so rechtzeitig an den Kundendienst übermitteln, dass das Ersatzteil "just in time" zur Verfügung steht.
Kleinere Betriebe im Rückstand
Das Interesse der deutschen Unternehmen an "Industrie 4.0" ist zwar ausgesprochen groß, wie eine PwC-Umfrage unter 100 Industriebetrieben mit mindestens 100 Beschäftigten ergab. Bei den weitaus meisten ist die vernetzte Fabrik allerdings noch im Planungsstadium: Obwohl gut sieben von zehn Unternehmen davon überzeugt sind, dass sie künftig auf "Smart Factories" im internationalen Wettbewerb angewiesen sind, haben erst zwei von zehn eine oder mehrere ihrer Fabriken vernetzt.Bei rund der Hälfte aller Befragten ist die Einrichtung einer"Smart Factory"in Planung, ein weiteres Fünftel setzt sich zumindest mit dem Thema auseinander.
Auf der anderen Seite gibt es eine zwar kleine, aber doch nennenswerte Gruppe von"Verweigerern". Jedes zehnte Unternehmen hat sich mit dem Thema"Industrie 4.0"noch nie befasst - von diesen sind immerhin 30 Prozent große Betriebe mit mehr als 20 Produktionsstätten.
Generell setzen sich größere Unternehmen jedoch häufiger mit dem Konzept der vernetzten Produktion auseinander als kleinere. Dies ist einerseits verständlich, da das Konzept der vernetzten Fabrik zur Koordination einer auf mehrere Standorte verteilten Wertschöpfungskette besonders attraktiv ist. Doch können auch kleinere Betriebe durch konsequente Vernetzung flexibler und produktiver werden, beispielsweise durch die Verarbeitung von Echtzeitinformationen zu Auftragseingängen und Lagerbeständen oder die automatisierte Kommunikation mit Zulieferern.
Der oft geäußerte Einwand, dass die Vernetzung für kleinere Unternehmen bereits aus Kostengründen bislang keine Option ist, wird durch die Studienergebnisse abgeschwächt. Zumindest ist die Einrichtung einer "Smart Factory" meist mit geringeren Investitionen verbunden als gemeinhin erwartet. So schätzt die Hälfte der befragten Unternehmen, die eine Vernetzung planen, die Umstellungskosten auf mindestens zwei Millionen Euro. Tatsächlich sind jedoch über 70 Prozent der Betriebe mit weniger Investitionen für ihre "Smart Factory" ausgekommen, in gut vier von zehn Fällen belief sich der Aufwand sogar auf weniger als eine Million Euro.
"Smart Factory" bringt Qualitätsgewinn
Allerdings werden nicht nur die Kosten, sondern auch die Umstellungseffekte von vielen Unternehmen in der Planungsphase offenbar falsch eingeschätzt. Dies legen die Studienergebnisse zumindest nahe: Während gut 40 Prozent der Betriebe in der Planungsphase auf Umsatzsteigerungen hoffen, ist dieser Aspekt nur für 28 Prozent der Unternehmen mit einer "Smart Factory" wesentlich. Von den Betrieben, die bereits Erfahrungen mit der vernetzten Fabrik haben, steht für die meisten (52 Prozent) die Qualitätssteigerung im Vordergrund - von den "Planern" sagen dies nur 29 Prozent.
Die vergleichsweise hohe Diskrepanz zwischen erwarteten und tatsächlichen Effekten lässt auch auf Defizite in der Planungsphase schließen. Anscheinend ist nicht immer klar, welche Ziele durch die Vernetzung erreicht werden sollen bzw. können. Wie "smart" eine "Smart Factory" tatsächlich ist, hängt jedoch nicht von "High-Tech" allein ab: Auch im vierten industriellen Zeitalter gilt, dass das technisch Mögliche nicht zwingend das betriebswirtschaftlich Optimale ist.
"Industrie 4.0" muss Sicherheit und Offenheit verknüpfen
Eine nicht zu unterschätzende Herausforderung bei der Einrichtung einer"Smart Factory" ist die Gewährleistung der Informations- und auch Produktionssicherheit. Immerhin jedes fünfte Unternehmen, das seine Produktion bereits vernetzt hat, sieht hier erheblichen Handlungsbedarf. Einerseits basiert das Prinzip der "Smart Factory" auf offenen Schnittstellen, andererseits muss gewährleistet sein, dass insbesondere externe Partner nur die Daten bekommen, die sie bekommen dürfen. Wichtiger noch als Vorkehrungen gegen Daten- oder Patentdiebstahl ist allerdings der Schutz der Produktionsumgebung.
In vernetzten Systemen könnten beispielsweise Hacker die Maschinensteuerung im laufenden Betrieb beeinflussen, um falsche Abrechnungen oder fehlerhafte Bauteile zu erzeugen. Eine Absicherung der Datenströme und eine tragfähige Überwachung"End-to-End" ist unbedingt erforderlich, um unbefugten Zugriff zu vermeiden oder wenigstens sofort zu bemerken, um schnell Gegenmaßnahmen einleiten zu können.
Allerdings muss Unternehmen bewusst sein, dass absolute (Daten-)Sicherheit kaum mit dem Konzept"Industrie 4.0" zu vereinbaren ist. Denn bei einer optimalen Einbindung der "Smart Factory" in Wertschöpfungs- und Lieferketten muss das Netzwerk offen für Zulieferer, Händler und andere externe Partner sein. Dies setzt die Bereitschaft voraus, sensible betriebliche Daten zu teilen. In dieser Konsequenz wird das Konzept der "Industrie 4.0" bislang nur von wenigen Unternehmen umgesetzt. Bei vier von fünf Betrieben sind sämtliche "Smart Factories" vollständig in Firmeneigentum. Fabriken, die mehrheitlich anderen Eigentümern gehören, vernetzt nur jedes zehnte Unternehmen.