Rüdiger Zeyen führt ein IT-System- und Beratungshaus, wie es viele in der Republik gibt. 400 Beschäftigte am Hauptsitz in Hennef und an zwölf weiteren Standorten, ein großes Servicespektrum von Softwareentwicklung über SAP-Beratung bis hin zum Rechenzentrumsbetrieb – und immer auf der Suche nach IT-Fachkräften. Das sind Zeyens Mitbewerber in der Region auch, nur haben sie wie im Fall der Deutschen Telekom oder von Capgemini schon allein durch ihre Größe und Bekanntheit gegenüber einem Mittelständler wie der Conet Group einen großen Vorteil in der Personalsuche.
Was also tun? Conet-Vorstandsvorsitzender Zeyen hatte schon früher beobachtet, dass mit Bewerbern, die auf Empfehlung von Mitarbeitern oder Kunden kamen, viel häufiger ein Arbeitsvertrag zustande kam als mit anderen Kandidaten. Wer als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen und als solcher empfohlen werden will, muss bekannt werden und Emotionen transportieren, so seine erste Erkenntnis. Ein griffiger Slogan („Wir formen individuelle Karrieren"), unterstützt von peppigen Bildkonzepten in der Unternehmenfarbe Türkis, findet sich mittlerweile auf Website, Messeständen und bei Auftritten an Hochschulen. Das erhöhte die Aufmerksamkeit für den IT-Dienstleister deutlich, so das Fazit des Vorstands.
Auffallen ja, aber nicht um jeden Preis, lautet Zeyens Credo. So wurde bei Conet ausführlich diskutiert, ob die neuen optischen Botschaften auch zu den (konservativen) Kunden passen. Inhaltlich warnt der Conet-Chef aber vor jeder Art von Kompromissen oder gar Beschönigung der Tatsachen: „Wir können nur Inhalte und Werte kommunizieren, die wir vorher schon im Unternehmen gelebt haben." Ein Beispiel: Um Frauen in der IT wird Conet in diesem Jahr mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf werben, weil die Firma entsprechende Karrierewege und Teilzeitmodelle anbieten kann.
Mittelstand klagt über schwierige Stellenbesetzung
Dass unterschiedliche Bewerbergruppen auch unterschiedliche Erwartungen haben, die beachtet werden wollen, war eine weitere Erkenntnis. Bei der Zielgruppe 40+ steht etwa das Ziel der langfristigen Mitarbeiterschaft im Fokus. Bei Conet fragte man sich, was der IT-Dienstleister jeder Zielgruppe bieten kann, und justierte nach, etwa indem man auch Karrierewege für Administratoren entwickelte. Zwei Jahre nach den ersten Employer-Branding-Maßnahmen hat Zeyen einiges aus seinem Engagement gelernt: „Es ist besser, nur wenige Dinge herauszustellen und individuelle Botschaften zu senden. Wo bin ich anders als der Wettbewerb? Employer Branding kostet Geld, ist zeitintensiv und keine kurzfristige Lösung für Recruiting-Probleme." Das Thema wird Conet auch die nächsten Jahre beschäftigen.
Der Aufbau einer attraktiven Arbeitgebermarke wird für viele Unternehmen in den kommenden Jahren zum wichtigsten Ziel Das ergab die Studie „Recruiting Trends 2014" des Pape Lab. 58 Prozent der befragten 2800 Personalentscheider aus IT, Maschinenbau, Banken, Chemie, Automobilindustrie, Energie- und Konsumgüterindustrie sehen im Employer Branding das Thema mit der stärksten Bedeutung für die Zukunft. Gleichzeitig gaben 60 Prozent der befragten Firmen zu, dass sie in Sachen Arbeitgebermarke weniger gut bis gar nicht aufgestellt sind und sich unter diesem Aspekt 2014 stark verbessern wollen.
Das scheint auch notwendig, wenn man auf ein anderes Ergebnis der Recruiting-Studie schaut. Demnach beklagt die Mehrheit der Unternehmen den Fach- und Führungskräftemangel als Schlüsselherausforderung, jeder zweite Personalentscheider räumt sogar große bis sehr große Schwierigkeiten ein, offene Stellen zu besetzen. Ein Grund dafür ist, dass qualifizierte Kandidaten immer seltener über klassische Recruiting-Wege wie Stellenanzeigen in Printmedien und Online-Jobbörsen zu finden sind. Zwar nutzt ein Großteil der Unternehmen Online-Stellenanzeigen, nur die Hälfte von ihnen ist aber mit der Ausbeute zufrieden, vor allem in qualitativer Hinsicht.
Erreicht würden auf dem Weg in erster Linie diejenigen, die gerade einen Job suchen, aber nicht die erfolgreich Beschäftigten. „Das Problem ist, die wirklich guten Kandidaten, die nicht suchen, zu finden und sie für einen Wechsel zu interessieren", sagt Jürgen Rohrmeier, Personalberater sowie Senior Partner und Mitglied des Vorstands der Pape Consulting Group in München.
Ob und wie schnell die Personalsuche gelingt, hängt nicht nur an Recruiting-Methoden, sondern oft auch am Unternehmen selbst. So erhalten Firmen, die in der Öffentlichkeit bekannt und renommiert sind, noch genügend (Initiativ-)Bewerbungen. Elf Prozent der von Pape befragten Unternehmen, meist große bekannte Marken, bekommen den Fachkräftemangel gar nicht zu spüren. Diesen Gewinnern stehen die Verlierer der Personalbeschaffung gegenüber.
„Der Standort eines Unternehmens ist nach wie vor ein wichtiges Thema", stellt Personalberater Rohrmeier fest. Ein ungünstiger Standort, fern der Ballungszentren, kombiniert mit geringer Unternehmensgröße oder fehlendem Bekanntheitsgrad, erschwere so manchem Unternehmen das Recruiting ungemein – selbst wenn es sich um einen Hidden Champignon handelt, der auf dem Weltmarkt erfolgreich ist. Viele dieser Firmen müssen die Bewerber nehmen, die sie bekommen können. Die Gefahr personeller Fehlentscheidungen wächst. Mindestens eine solche haben 35 Prozent der Personal-Manager in den vergangenen sechs Monaten bereits erlebt, so die Recruiting-Studie. „Fehlentscheidungen in Vertriebs- und Führungspositionen richten dabei den größten Schaden an", sagt Pape-Vorstand Rohrmeier. „Dass die falsche Person auf dem Führungsposten gelandet ist, stellt sich erst nach und nach heraus, wenn etwa die Leistungen der Teammitglieder nachlassen. Das geht mit größeren Kosten einher."
Personalsuche 2.0: Hoffnungen ruhen auf Social Media
Active Sourcing oder Social Media Recruiting beschreibt eine der neuen Suchmethoden, an denen Personaler nicht mehr vorbeikommen. Laut Pape-Studie haben sich schon zwei Drittel der Befragten in Business-Netzwerken wie Xing und LinkedIn oder in anderen Social-Media-Plattformen auf die Suche nach geeigneten Kandidaten gemacht. Große Konzerne haben für diese Art der Ansprache eigene Recruiter eingestellt und sind mit den Ergebnissen auch zufrieden.
Für den Rest, die Mehrheit der kleineren und mittelständischen Arbeitgeber, bleibt das Active Sourcing nur Hoffnungsträger, der bislang enttäuschte. „Gerade Kandidaten in festen Jobs, die man vorrangig abwerben möchte, reagieren zunehmend genervt auf die steigende Flut an Avancen über Xing und Co.", sagt Rohrmeier, der sich als Headhunter mehr auf Anfragen in seinem eigenen Netzwerk verlässt, als Leute anonym anzusprechen. Serien-Mails befremden die Kandidaten, sie klicken sie weg. In den Xing-Accounts begehrter IT-Profis wie SAP-Berater für Business Intelligence landen so im Monat schon mal 100 Anfragen und mehr.
Den Königsweg zum qualifizierten Kandidaten kann auch Suchprofi Rohrmeier nicht aufzeigen. Er rät Unternehmen zu einer Kombination aus Employer Branding und direkter Vernetzung mit den Kandidaten. Letztere sollte nicht nur über soziale Plattformen, sondern auch real, etwa auf Messen, stattfinden: „Die persönliche Komponente bleibt wichtig. Unternehmen müssen sich über Hochschul-Marketing, Sponsoring oder Mitarbeiterempfehlungsprogramme eigene Netzwerke zu Kandidaten aufbauen. Hochglanzbroschüren helfen nicht. Wichtig ist eine ehrliche Darstellung des Unternehmens." Echtheit muss laut Rohrmeier nicht teuer sein. Die Kosten entstehen, weil beide Wege, der Aufbau einer Arbeitgebermarke und der eines Netzwerks, zeit- und personalintensiv sind, unabhängig davon, ob das Unternehmen dafür eigene Mitarbeiter oder spezialisierte Dienstleister einsetzt.