Technologische Veränderungen gab es schon immer, doch die Unternehmen hatten meist angemessen Zeit, sich sukzessive darauf einzustellen. Über mehrere Dekaden konnten sie sich anpassen, ohne substanzielle negative Effekte zu erleiden. Im Zeitalter der Digitalisierung wird das Zeitfenster aber immer enger und der Handlungsdruck ungleich größer.
Vor gerade einmal zehn Jahren kam ein Smartphone auf den Markt, das uns alle verblüfft hat: Touchscreen, smarte Internetanwendungen, Browsen wie auf dem PC, aber völlig mobil. Es war der Startschuss für eine ungeahnte Veränderung unseres sozialen Miteinanders. Dienste wie Facebook, WhatsApp oder Dropbox wurden von den Anwendern aus dem privaten Bereich in die Unternehmen gebracht. Damals waren es smarte Internetanwendungen, jetzt heißt es Cloud.
Persönliche Daten bei Anbietern, die wir nicht kennen, die unsere Daten für alle möglichen Zwecke verwenden und dann auch noch Regierungen, die alles mitlesen? Der Ärger war vorprogrammiert. Datenschutz, Datensicherheit, Privatsphäre, rechtliche Fragen, Servicequalität: Mit solchen Themen mussten sich Geschäftsführung und IT-Verantwortliche auseinandersetzen, als immer mehr Mitarbeiter ihre privat genutzten Anwendungen auch beruflich verwendeten, und das auch noch ohne jegliche Abstimmung und Orientierung darüber, was erlaubt ist und was nicht. Die erste Reaktion: Alles abblocken! Das Ergebnis: Schatten-IT ohne Kontrolle der Datenflüsse - und die Welt dreht sich weiter.
Dennoch reifte die Einsicht: Cloud Computing ist sinnvoll, aber wenn, dann nur die "Private Cloud". Es hört sich so gut an, dass Beste aus zwei Welten zu kombinieren. Die Ernüchterung folgte gleich hinterher. Zum einen ist der Begriff "Private" völlig unspezifisch, suggeriert aber völlige Kontrolle, die nicht gegeben ist, wenn weitere Dienstleister eingebunden sind. Zum anderen ist das Grundprinzip des Teilens von Ressourcen nicht erfüllt und somit treten die gewünschten Kosteneffekte nicht ein. Immerhin setzten sich etliche Unternehmen mit der Cloud auseinander, sei es Private -, Public -, Hybrid - oder Multi-Cloud.
Digitalisierung, warum?
Inzwischen hat sich der Schwerpunkt verlagert. Wir haben lange über die Sinnhaftigkeit der Cloud diskutiert und dabei Gründe gesucht, sie nicht zu nutzen. Dabei wurden technische und rechtliche Bedenken und generell die Frage der Sicherheit der Daten in den Vordergrund gerückt. Mit der Diskussion um die Digitalisierung sprechen wir aber nun über die eigentliche Frage: Wie stellt sich die Wirtschaft auf die geänderten Rahmenbedingungen im Welthandel von Gütern und Dienstleistungen ein und wie wird die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit gesichert? Es geht um die Frage der Flexibilisierung und Agilität, den Entwurf neuer Arbeitsmodelle und Wertschöpfungsprozesse und der markt- und kundenorientierten Bereitstellung von Leistungen aller Art. Die Kernelemente sind:
Social Media: die Ansprache der Zielgruppen mit zusätzlicher direkter Interaktion über soziale Netzwerke
Cloud Computing: die dynamische und bedarfsorientierte Nutzung von IT-Ressourcen aus einem Gemeinschaftspool
Big Data: die Sammlung großer Datenmengen aus multiplen Quellen in Echtzeit
Smart Data: die verdichtete und kategorisierte Sicht auf Massendaten mit Hilfe von Algorithmen und komplexer Analyseverfahren
Internet der Dinge: die Anwendung von Sensortechnik auf physische Produkte mit Bereitstellung der gesammelten Informationen in Echtzeit
Industrie 4.0: die Automatisierung von Produktionsprozessen industrieller Güter zur Optimierung der Abläufe bis hin zur Losgröße 1
Arbeit 4.0: die Neugestaltung und Flexibilisierung von Arbeitsplätzen mit stark reduzierter Abhängigkeit von Orten, Endgeräten und der Verfügbarkeit spezifischer IT-Systeme.
Jeder dieser Punkte hat das Potenzial für umfangreiche Interpretationen, aber es ist unschwer zu erkennen, welche Herkulesaufgabe damit verbunden ist. Digitalisierung ist ein ganzheitlicher Veränderungsprozess und wird uns die nächsten Jahre bis hin zu weiteren Generationswechseln beschäftigen, denn in erster Linie hängt es von den betroffenen Menschen ab, ob eine Transformation zu einem modernen und digitalisierten Unternehmen im Zeitalter der massiven Vernetzung gelingt.
Was das für den Standort Deutschland bedeutet
"Never change a winning Team" - Das scheint in vielen Unternehmen noch die Grundhaltung zum Thema Digitalisierung zu sein. Es ist auch wirklich schwer vermittelbar in einer Zeit, in der Deutschland als führende Exportnation mit niedrigster Arbeitslosenzahl und ausgezeichneter Reputation für Produkte wirklich gut unterwegs ist. Vor 25 Jahren war Deutschland der kranke Patient, mit riesigen ökonomischen Herausforderungen durch die Wiedervereinigung und bedrängt durch die Globalisierung der Märkte. Gerade hier hat sich aber die Stärke gezeigt. Deutschland - und besonders der deutsche Mittelstand - hat es mit am besten verstanden, die Globalisierung als Chance zu sehen und neue Märkte zu erschließen.
Mit der Digitalisierung könnte sich das Blatt wieder wenden, denn nun sind es die anderen Länder und Märkte, die mit einer unglaublichen Konsequenz Erfahrungen mit den Elementen der Digitalisierung sammeln, strukturelle Veränderungen wagen bis hin zu völlig disruptiven Ansätzen. Die immer bemühten Fragen zu Sicherheit, Datensouveränität und Datenschutz stellen sich gar nicht, da der ökonomische Druck zur Einsparung so groß ist, dass überhaupt keine relevanten Investitionen in eigene IT-Systeme und Anwendungen getätigt werden.
Wir werden erleben, dass sich in klassischen Branchen wie der Automobilwirtschaft, der Finanzwirtschaft und vielen anderen Produktionsbereichen dramatische Veränderungen ergeben, weil nicht mehr das Produkt, sondern der Service und die detaillierte Kenntnis über Marktbedürfnisse die Differenzierung im Wettbewerb darstellen. Die Druck- und Musikbranche hat es schon erfahren und neben Airbnb und Uber gibt es zahlreiche weitere Beispiele, wie Wertschöpfung mit Serviceleistungen generiert wird, ohne relevante Investitionen in das zugrundeliegende Produkt (Wohnung, Taxi, ...) zu tätigen - mit enormen Margen und hoher Skalierbarkeit.
Am Ende zeigt sich: im digitalen Zeitalter ist der Wettbewerb nur noch einen Klick entfernt. Landesgrenzen und unterschiedliche Sprachen sind keine Herausforderung mehr.
Was zu tun ist
Wir brauchen eine gehörige Portion Pragmatismus und den Willen zur Veränderung. Gerade bei der Digitalisierung geht es nicht um 0 oder 1, Schwarz oder Weiß. Am Beispiel des Datenschutzes stellt sich jetzt schon die Frage, wie sich das Prinzip der Datensparsamkeit mit dem Konzept der Massendatensammlung und Analyse vereinbaren lässt. Hierzu benötigen wir eine differenzierte Klassifizierung von Daten und genauso auch eine abgestufte Einordnung von Geschäftsprozessen. Das sind die Hausaufgaben, die jeder Unternehmer machen sollte, um zu bewerten, was er (noch) mit eigenen Ressourcen betreiben kann und welche Teile durch externe Servicedienstleistungen abgedeckt werden können.
Dazu bedarf es auch einer Strategie, wohin sich ein Unternehmen entwickeln will. Hier ein wenig Cloud-Infrastruktur, da etwas Big Data und eine CRM-Anwendung zur Kontaktpflege - das kann helfen, Erfahrungen zu sammeln. Dabei geht das Unternehmen aber das Risiko ein, keine nachhaltige Veränderung herbeizuführen und somit nur Aufwendungen zu haben, ohne neue Wertschöpfung zu erzielen. Es gibt nur in Ausnahmefällen die "Quick Wins", Digitalisierung ist ein langjähriger Prozess mit der Kompetenz, die Maßnahmen zu bewerten und gegebenenfalls anzupassen, um die formulierten Ziele zu erreichen.