Verbände sehen Handlungsbedarf

Unternehmen stellen nur schleppend auf Sepa um

29.07.2013
Eine Kontonummer mit 22 Stellen, das klingt kompliziert. Finanzchefs, Buchhalter und Kassenwarte müssen sich damit aber allmählich auseinandersetzen: In gut sechs Monaten beginnt die Sepa-Pflicht.

Unternehmen und Vereine in Deutschland stellen nur schleppend auf das neue Zahlungssystem Sepa mit seinen internationalen Kontonummern um. Banken- und Industrieverbände sehen ein halbes Jahr vor dem Start noch erheblichen Handlungsbedarf, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur dpa ergab.

Vom 1. Februar 2014 an dürfen Kreditinstitute Überweisungen und Lastschriften von Unternehmen und Vereinen nur im Sepa-Format bearbeiten. Die dafür nötige Gläubiger-Identifikationsnummer wurde nach Angaben der Bundesbank in Deutschland aber erst in 632 092 Fällen vergeben (Stand 23.7.2013) - obwohl es bundesweit 3,6 Millionen Unternehmen und rund 580 000 eingetragene Vereine gibt.

Ein "alarmierendes Signal" nennt eine Sprecherin des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) die geringe Zahl vergebener Gläubiger-IDs. "Es ist allerhöchste Eisenbahn", mahnt sie. "Es ist ja nicht damit getan, die neue Kontonummer aufs Briefpapier zu drucken. Es muss ein komplett neues Bezahlverfahren implementiert werden."

Ähnliche Stimmen kommen aus dem genossenschaftlichen Lager. "Viele mittelständische Unternehmen und Vereine unterschätzen bislang noch den mit der Sepa-Einführung verbundenen zeitlichen Aufwand", bilanzierte Andreas Martin, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Anfang Juli. Der Zulauf zu Informationsveranstaltungen sei enorm, doch dabei dürfe es nicht bleiben. Martin: "Daher mein Aufruf an alle Unternehmen und Vereine: Stellen Sie ihre Sepa-Fähigkeit vor Weihnachten her!"

Der Handelsverband HDE forderte jüngst mehr Engagement der Politik bei der Information über den einheitlichen Euro-Zahlungsraum. "Sepa betrifft alle, egal ob Unternehmen oder Verbraucher. Die Aufklärung über die neuen gesetzlichen Anforderungen sollte daher in erster Linie vom Gesetzgeber erfolgen", erklärte HDE-Experte Ulrich Binnebößel. Schließlich sei Sepa ein politisches Projekt und die engen Fristen seien gegen die Überzeugung weiter Teile der Wirtschaft gesetzt worden. Gleichwohl müssten Unternehmen jetzt handeln und ihre Systeme umstellen, mahnte der HDE. Aktuell läuft bei dem Verband eine Umfrage, ob und inwieweit Sepa im Einzelhandel schon angekommen ist.

Noch nicht angekommen ist Sepa bei vielen Maschinen- und Anlagenbauern. "Schätzungsweise 35 bis 40 Prozent der kleineren und mittleren Unternehmen haben sich überhaupt noch nicht mit dem Thema beschäftigt", schildert Jörg Scholtka aus dem Rechnungswesen des Branchenverbandes VDMA. Er warnt: "Ab dem 1. Februar 2014 droht Unternehmen, die nicht Sepa-fähig sind, Zahlungsstillstand. Dann könnten auch Lohn- und Gehaltszahlungen eingefroren sein."

Im schlimmsten Fall droht sogar die Pleite - ein Szenario, dass Philipp Reimnitz, Bereichsvorstand Multinationale Unternehmen bei der Hypovereinsbank (HVB) Mitte Juli vor Firmenkunden in München skizzierte. Unternehmen, die nicht rechtzeitig umstellten, dürften von Februar 2014 an kein Geld mehr von ihren Kunden einziehen, sagte Reimnitz: "Je nach Geschäftsmodell besteht also die Gefahr, dass solche Unternehmen schnell illiquide oder gar insolvent werden."

Klamme Kassen sind für viele Kreise, Städte und Gemeinden in Deutschland Alltag. Dennoch müssen sich auch die kommunalen Verwaltungen auf Sepa einstellen. Seit 2010 sei das Thema, erklärt der Deutsche Landkreistag: "Es bestand früh das Bewusstsein, dass es zu ähnlichem Umstellungsbedarf wie bei der Euro-Einführung und der Jahr-2000-Problematik kommen wird." Die erste Auflage einer eigens erstellten Broschüre sei binnen kurzer Zeit vergriffen gewesen. "Aus der Praxis wird uns allerdings berichtet, dass als Hindernis für eine zügige Umstellung auf die Sepa-Zahlungsinstrumente sich vielerorts (noch) nicht Sepa-fähige Haushalts- und Kassenprogramme beziehungsweise andere EDV-Fachverfahren herausstellen." Das verzögere die Umstellung. "Wir hoffen aber, dass dieses Problem ab Spätsommer auch zunehmend gelöst wird", heißt es beim Landkreistag.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sieht die Lage entspannter: "Die meisten großen, global operierenden Industrie-Unternehmen haben das Thema offensiv angenommen. Auch der Mittelstand ist auf dem Sprung: Immer mehr mittelständische Unternehmen bereiten sich zielstrebig auf die neuen Zahlungsverfahren vor", sagt BDI-Sepa-Experte Reinhard Kudiß. "In einer aktuellen BDI-Umfrage haben zwei Drittel der Industrie-Unternehmen angegeben, dass sie zumindest punktuell schon den Sepa-Überweisungsverkehr nutzen."

Kudiß erklärt: "Der BDI befasst sich seit mittlerweile acht Jahren intensiv mit dem Thema Sepa. Unsere Unternehmen erhoffen sich davon Kostenersparnisse und mehr Effizienz im europäischen Zahlungsverkehr. Sepa ist ein weiteres Stück europäischer Binnenmarkt." (dpa/rs)