Je näher, desto lieber. Unter diesem Slogan fasst die Studie die derzeitigen Sourcing-Gewohnheiten der Anwenderunternehmen im DACH-Raum zusammen. Die Auslagerung von IT-Services in fremde Kontinente, kurz Offshoring, erscheint vielen Unternehmen noch nicht geheuer. Abgesehen von Softwareentwicklungs-Leistungen, wo indische Anbieter traditionell den Fuß weit in der Tür haben, liegt die Offshore-Quote über alle Outsourcing-Bereiche hinweg unter zehn Prozent. Auch die Auslagerung ins europäische Ausland (Nearshoring) bleibt mit maximal einem Fünftel durchweg hinter den Onshore-Services zurück.
Aber was wird überhaupt ausgelagert? Wie die Anwenderbefragung ausweist, hat sich über die vergangenen Jahrzehnte wenig geändert: Was strategisch ist, bleibt im Haus. Komplexe und unternehmenskritische IT-Aufgaben vergeben Unternehmen nur selten nach außen. Dazu zählen Services rund um die Produktentwicklung, komplette Geschäftsprozesse sowie Einkauf und Beschaffung. In diesen Bereichen ist allenfalls ein Drittel der Befragten zum Fremdgehen bereit.
Potenziale erst zu zwei Fünfteln genutzt
Deutlich lieber ausgelagert werden der Anwendungsbetrieb, den 62 Prozent der Befragten aus der Hand geben, die Infrastruktur (rund 57 Prozent) und die Entwicklung oder Anpassung von Software (56 Prozent). Laut Studie sind die IT-Verantwortlichen jedoch "in hohem Maße" überzeugt, dass sie in fünf Jahren mehr Aufgaben und in größerem Maßstab auslagern.
Derzeit hält mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer die Sourcing-Potenziale zu höchstens 40 Prozent für ausgeschöpft. Im Jahr zuvor vertraten allerdings noch 58 Prozent diese Auffassung. Im Durchschnitt beträgt der von den Befragten genannte Ausschöpfungsgrad 40,4 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es 35,6 Prozent. Man darf daraus wohl auf eine weiter zunehmende Nutzung der Outsourcing-Angebote schließen.
Zwingen die Kosten zum Offshoring?
Ziel der Auslagerung werden in der nahen Zukunft zunehmend fernere Länder sein, so die befragten Business- und IT-Entscheider. Auch "sensible Themen" werden, wenn man der Studie glauben darf, in fünf Jahren "weit häufiger" von anderen Kontinenten aus bearbeitet, als es derzeit der Fall ist. Als Motivation dafür nennen die Befragten vor allem das Kostenargument, das nach ihrer Ansicht weiter an Bedeutung gewinnen wird.
Wie die Autoren der Studie herausarbeiten, steht diese Zukunftsvision der Befragten in klarem Widerspruch zur gelebten Praxis. Tatsächlich sei der Anteil der Offshore-Projekte im vergangenen Jahr - mit Ausnahme des Bereichs Softwareentwicklung - nicht nur nicht gewachsen, sondern sogar gesunken. "Menschen lassen sich ungern von ihren Überzeugungen abbringen", so die Marktforscher, "auch nicht von der Realität."
Das Gros der Befragten ist dabei mit den Outsourcing-Leistungen weitgehend zufrieden - vor allem mit den im Heimatland erbrachten. Hier liegt die Beurteilung nach Schulnoten im Durchschnitt bei 2,36. Nur knapp 16 Prozent zeigen sich tendenziell unzufrieden, mehr als 60 Prozent aber zufrieden oder sogar sehr zufrieden. Bei den Offshoring-Verhältnissen ist der Durchschnittswert um beinahe eine Schulnote schlechter: Er beträgt 3,14.
Kommunikation und Sicherheit fragwürdig
Dazu passen die Angaben zu den Weltregionen, die grundsätzlich für Outsourcing-Projekte in Frage kommen. Neun von zehn Umfrageteilnehmern können sich vorstellen, IT-Services innerhalb Deutschlands auszulagern. Westeuropa sowie Mittel-und Osteuropa gelten mit 45,6 beziehungsweise 35 Prozent noch als halbwegs vertrauenswürdig. Dagegen fällt Südostasien mit 17,5 Prozent ab. Fernost und Nordamerika kommen lediglich auf 10,2 beziehungsweise 9,7 Prozent Zustimmung.
Die Skepsis gegenüber weit entfernten Leistungserbringern hängt sicher auch mit den befürchteten Risiken zusammen. Danach gefragt, was die Vergabe von IT-Services an ausländische Anbieter behindere, nennen die Umfrageteilnehmer vor allem drei Gründe: An der Spitze liegt mit 68,4 Prozent die Furcht vor mangelhafter Verfügbarkeit, langen Reaktionszeiten und sprachlichen Barrieren, kurz: vor Kommunikationsproblemen. 67 Prozent äußern Bedenken hinsichtlich der Einhaltung von Sicherheitsstandards, der nötigen Sorgfalt und möglicher krimineller Handlungen. Qualitätsmängel argwöhnen 66 Prozent.
Outsourcing um der Innovation willen
Das gilt teilweise sicher auch für einheimische oder europäische Anbieter. Deshalb stellt sich die Frage, warum die Unternehmen überhaupt die Sourcing-Option in Erwägung ziehen. Wichtigste Triebkraft ist erwartungsgemäß die Aussicht auf niedrigere Kosten und größere Wirtschaftlichkeit (von 70 Prozent genannt). Mehr als die Hälfte der Befragten (53,4 Prozent) wollen mit dem Sourcing auch oder vor allem die Verfügbarkeit von Ressourcen verbessern. Und mehr als ein Drittel (34 Prozent) hofft, mit dem Outsourcing dem steigenden Innovationsdruck zu begegnen. Darunter subsumieren sie vor allem den Zwang zu immer kürzeren Marktreaktionszeiten, wenn es um neue Services und Produkte geht.
Erstaunlicherweise ist jedoch die Innovationskraft der Anbieter als Auswahlkriterium von untergeordneter Bedeutung. Nur 15 Prozent der Befragten legen darauf gesteigerten Wert. Auf ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis achten dagegen 64,6 Prozent. Fast genauso vielen (63,6 Prozent) sind Technik- und Prozess-Know-how wichtig.
Zum Schluss eine gute Nachricht für CIOs: Bei den meisten Sourcing-Projekten sitzen sie auf dem Fahrersitz. Nur bei Personaldienstleistungen, Geschäftsprozess-Outsourcing und Procurement reden die Geschäftsführer häufig mit.
Mehr zur Studie
Auf den Online-Fragebogen griffen knapp 600 Nutzer zu. In die Auswertung gingen 206 abgeschlossene und qualifizierte Interviews mit Business- und IT-Entscheidern ein.
Für die Ausführung zeichnet IDG Business Research Services verantwortlich. Studienpartner waren Capgemini Infrastructure Services Central Europe und Deloitte.
Die Ergebnisse stehen im CIO Shop gegen ein Entgelt von 299 Euro als PDF-Download bereit.