Von wegen Stillstand: Beim vermeintlichen Uralt-Thema Outsourcing sagen die Anwender bereits zum vierten Mal in Folge, dass sie noch mehr auslagern könnten. Auf die Frage "Ist das Potenzial für Outsourcing in Ihrem Unternehmen erschöpft?" antworteten 2008 im Rahmen der Computerwoche-Sourcing-Studie noch 44 Prozent der Befragten: Ja, ist erschöpft. 2010 und 2012 waren es nur noch 40 Prozent. Und 2014 rutschte der Wert auf den historischen Tiefststand von 36 Prozent. Im Umkehrschluss heißt das: Ja, das Potenzial wird immer größer. Outsourcing wird immer wahrscheinlicher, die Möglichkeiten wachsen.
Allerdings bleiben die Verantwortlichen vorsichtig, gerade wenn es um die Region geht, aus der die Auftragnehmer kommen sollten. Westeuropa (inklusive Deutschland) bleibt die Lieblingsregion (68 Prozent). Nearshoring nach Osteuropa nennen die Befragten immer öfter als Option (32 Prozent). Offshoring nach Indien gewinnt zwar über die Jahre an Akzeptanz, kommt aber von einem relativ niedrigen Niveau und liegt jetzt erst bei 21 Prozent.
"Das Wachstum geht uns natürlich etwas zu langsam", sagt Ulrich Meister, Senior Vice President für Continental Europe and Africa von Wipro, dem Sponsor der Studie 2014: "Anderseits ist es ja schon gut, dass wir nicht mehr bei 14 Prozent stehen wie in der Erhebung von 2012." China und Nordamerika liegen mit jeweils elf Prozent weiter am Ende der Beliebtheitsskala.
Die Skepsis gegenüber Outsourcing-Partnern aus weiter entfernt liegenden Herkunftsländern wird klarer, wenn man nach den Gefahren des Outsourcings fragt. Als häufigstes Problem nennen die Studienteilnehmer Kommunikation (74 Prozent) - und die ist natürlich schwieriger, wenn weder Auftraggeber noch Auftragnehmer sattelfest in Englisch sind. Das ist der Hauptgrund, warum Indien ähnlich wie China oder Amerika in der Akzeptanz noch hinten liegt.
Hinzu kommen Sorgen um die IT-Sicherheit, die 70 Prozent der Befragten als Gefahr nennen. Die Befragten sehen geringere Risiken in Deutschland und Europa. Mangelnde Qualität finden hingegen nur 61 Prozent bedenklich, ganz unabhängig von Regionen. Das heißt: In den IT-Abteilungen der Anwenderunternehmen ist man einigermaßen fair mit den Anbietern. Wer sich total gegen Wettbewerber von außen sperrt, würde sonst öfter deren Qualität in Frage stellen.
Was genau wird ausgelagert?
Applikationen lassen die Befragten gerne von anderen betreiben. Nur 36 Prozent sagen, dass sie auf diesem Feld kein Outsourcing erlauben. Die anderen lassen sich die entsprechenden Applikationsdienste liefern, gerne von Dienstleistern vor Ort (29 Prozent), Nearshore (23 Prozent) und auch Offshore (13 Prozent). Interessant sind an dieser Stelle die Prognosen. Wenn die Befragten angeben, wo sie ihre Unternehmen in fünf Jahren sehen, sagen schon 25 Prozent, Applikationen könnten sie durchaus auch von Offshore-Anbietern betreiben lassen. Das ist ein Wachstum von ziemlich genau 100 Prozent.
Softwareentwicklung und -anpassung wird ebenfalls gerne an Dienstleister delegiert. Lediglich vier von zehn befragten Anwendern geben diese Aufgabe nicht nach außen. Die übrigen lassen die damit verbundenen Services vor Ort erbringen (29 Prozent), von Nearshore- (22 Prozent) oder Offshore-Unternehmen (zehn Prozent). Auch hier ist das Potenzial bei den Offshorern am größten: Ihr Anteil könnte in fünf Jahren bei 19 Prozent liegen, also wieder um fast 100 Prozent gewachsen sein.
Um die Infrastrukturthemen reißen sich auch immer weniger deutsche IT-Leiter. Nur noch 41 Prozent meinen, diese Aufgaben müssten inhouse bleiben. 26 Prozent geben bereitwillig an Dienstleister vor Ort ab, 23 Prozent an Nearshore- und zehn Prozent an Offshore-Provider. Wieder liegt das größte Potenzial bei den zuletzt genannten, diesmal sogar bei mehr als 100 Prozent. Skeptisch sind die deutschen IT-Chefs nach wie vor im Umfeld von Business Process Outsourcing (BPO).
Knapp zwei von drei Befragten geben solche Aufgaben nicht nach außen - und haben es auch nur in begrenztem Umfang vor. In fünf Jahren wird der Anteil der Verweigerer wohl immer noch bei 41 Prozent liegen. Der Widerstand bröckelt aber auch dort.
Standardisieren und Konsolidieren
Grundsätzlich belegt die Sourcing-Studie 2014, dass die Aufgaben der Anwenderunternehmen so ziemlich dieselben geblieben sind wie in den zurückliegenden Jahren: Standardisierung, Konsolidierung und Integration sahen zwei Drittel der Befragten als ihre wichtigsten Themen, gefolgt von Sicherheit (50 Prozent) und Verfügbarkeit (46 Prozent). Da sind sie also wieder, unsere Uralt-Themen. Hype-Themen, die so oft die Schlagzeilen bestimmen, sind gar nicht so wichtig. Wenn es um Relevanz geht, rangieren in der Prioritätenliste der Anwender weit hinten folgende Themen: Collaboration (21 Prozent), Big Data (14 Prozent) und Social Media (13 Prozent).
Sourcing Day 2015: Erste Ergebnisse
Am 24. Juni 2015 findet in Köln der Sourcing Day der Computerwoche statt. Elf CIOs werden dort über ihre Sourcing-Erfahrungen sprechen und interaktive Workshops zu Vertragsgestaltung, Ausstiegsszenarien und anderen Themen leiten. Dabei werden auch die ersten Ergebnisse der Sourcing-Studie 2015 vorgestellt.