Merger, Akquisitionen, Buy-Outs und Carve-Outs gehören heute zum Wirtschaftsalltag. In solchen Transformationsvorhaben stehen Unternehmen nicht nur vor großen organisatorischen und prozessualen Veränderungen und der Aufgabe ihr Personal motiviert zu halten, sondern immer auch vor einer erheblichen IT-Herausforderung. Die Systeme und Prozesse rund um Warenwirtschaft, Kundenbeziehungen und Finanzen - um nur einige zu nennen - müssen an die neue Unternehmensgröße, Organisation und möglicherweise an die neuen Reporting- und Rechnungslegungsvorgaben angepasst werden. Die Königsdisziplin ist dabei das Handling der Daten und ihrer Datenhistorie in den Systemen.
Im Jahr 2015 gab es in Deutschland durchschnittlich vier Merger und Akquisitionen pro Tag (Quelle: Müller-Stewens/Kunisch/Binder, Mergers & Acquisitions, Verlag Schäffer-Poeschel 2016). Laut Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben mehr als die Hälfte der deutschen Großunternehmen mit Pläne, Unternehmen zuzukaufen. Die Akteure folgen in aller Regel einer unternehmerischen Strategie, die nicht nur Wachstum durch Zukauf sicherstellt, sondern in der Regel auch EBIT-Wachstum und Portfolio-Erweiterung bedeutet.
Meistens sind die beteiligten Manager nach langen Verhandlungen sehr erleichtert, wenn die rechtlichen und kaufmännischen Vereinbarungen in trockenen Tüchern sind. Doch mit dem "Closing" fängt die Arbeit organisatorisch und IT-seitig erst an. Ob die Veränderungen erfolgreich verlaufen, ist stark davon abhängig, wie sie die Umstellung durchführen. Nur wer sich Lotsen mit reichlich Erfahrung für IT-Transformation und Change Management an Bord holt, umschifft sicher die Klippen und Gefahren dieser Transformationsprojekte.
Ganz klar: Das neue Unternehmen wird nur dann ab Tag 1 ("Day One") erfolgreich agieren können, wenn es die relevanten rechtlichen, organisatorischen und IT-technischen Anforderungen bedacht, konsequent umgesetzt und die Mitarbeiter darauf vorbereitet hat.
Die IT-Abteilung steht zum Beispiel vor den Herausforderungen, ganz unterschiedliche Prozesswelten und -infrastrukturen miteinander zu verschmelzen, Buchungs-/ Kostenrechnungskreise zu trennen und Datenhistorien bereitzustellen; oft geht es dabei um SAP-Systeme.
Dafür können Unternehmen aus unterschiedlichen Ansätzen für den Aufbau des neuen Systems wählen. Dabei werden die Ansätze Greenfield-, Brownfield- und Blackfield unterschieden. Mit jedem dieser Ansätze sind bestimmte Vor- und Nachteile verbunden: Erstellt das neue Unternehmen seine Zielsysteme auf der "grünen Wiese" (Greenfield) komplett neu, so ergibt sich zum Beispiel die Möglichkeit, die Prozesse und Daten optimal auf die Unternehmensstrategie und neuen Anforderungen auszurichten. Jedoch geht damit ein teilweiser oder auch kompletter Verlust der Datenhistorie einher.
Wird der Blackfield-Ansatz gewählt, so können mehrere SAP-Mandanten parallel auf einem System betrieben werden. Dies scheint bei einem ersten flüchtigen Blick einfach und kostengünstig durch die gemeinsame Nutzung eines SAP-Systems. Bei genauerer Betrachtung und Bewertung erhöht sich die technische Abhängigkeit der Mandanten voneinander und der Aufwand bei Veränderungen verglichen mit dem Betrieb separater Systeme, beispielsweise wegen gemeinsamer Downtimes und "Frozen Zones".
Nutzt ein neues Unternehmen eine 1:1-Kopie des Systems der Muttergesellschaft (Brownfield) - dies ist der klassische Ansatz bei Carve-Outs - fällt der Konfigurationsaufwand weitgehend weg, die Datenformate müssen nicht angefasst werden und für die Mitarbeiter entsteht kein zusätzlicher Trainingsbedarf. Aber der Aufwand, den relevanten Datenbestand für das Unternehmen bereitzustellen, bleibt bestehen. Denn hier müssen in der Regel im Nachgang Daten gelöscht werden.
Wichtig ist es aber vor allem, zu prüfen, ob die kopierten Prozesse für das neue Unternehmen passen. Die bisher vorhandenen Prozesse könnten für das neue kleinere Unternehmen eine Nummer zu groß sein. Denn bei Carve-Outs löst sich oft ein kleiner Teil eines größeren Unternehmens und es entsteht ein mittelständisches Unternehmen. Für das kleinere Unternehmen ist es sinnvoll, in der Finanzbuchhaltung wie in einem Weltkonzern zu arbeiten. Das zeigt sich dann etwa darin, dass man die Rechnungslegung nicht mehr nach diversen Rechnungslegungen sicherstellen muss oder dadurch, dass man Tausende von Konten aus dem bestehende Kontenplan - aus dem Konzern kommend - nicht mehr benötigt.
Greenfield, Brownfield, Blackfield am Beispiel von SAP ERP • Greenfield-Ansatz: Das ausgegründete Unternehmen installiert SAP ERP "auf der grünen Wiese" und stellt alle relevanten Prozesse neu ein. Üblicherweise werden in einem weiteren Schritt die Daten in das neue System migriert. • Brownfield-Ansatz: Es wird eine Eins-zu-eins-Kopie vom SAP-System der Muttergesellschaft erstellt und als neue SAP-ERP-Lösung für das ausgegliederte Unternehmen bereitgestellt. Anschließend werden aus dieser Systemkopie die Daten zu Organisationseinheiten und die Geschäftsdaten der ehemaligen Muttergesellschaft entfernt. • Blackfield-Ansatz: Es wird der Export oder die Kopie eines SAP-Mandanten erstellt und auf der SAP ERP-Installation der Muttergesellschaft als zusätzlicher Mandant bereitgestellt. |
Das Handling der Daten bei der Transformation eines Unternehmens ist immer ein Spagat, unabhängig davon, ob Unternehmen verschmelzen oder sich aufspalten. Einerseits sind die Unternehmen darauf angewiesen, dass alle relevanten und aus juristischen Gründen unverzichtbaren Daten in dem neuen Unternehmen vorhanden und nutzbar sind. Andererseits dürfen bestimmte Daten aus rechtlichen Gründen nicht in jedem Fall in alle beteiligten Systemen bereitgestellt werden. Zuverlässige Transformationssoftwaretools müssen dafür sorgen, dass die relevanten Daten in den Systemen, in denen diese zur Verfügung gestellt werden müssen, auch prüfungssicher zu Verfügung gestellt werden.
Als wäre das nicht schon schwierig genug, müssen Unternehmen Daten vereinheitlichen, konsolidieren und bereinigen. Dies geht angesichts heutiger Datenmengen nur anhand eines standardisierten Vorgehens mit Checklisten und mithilfe eines weitgehend automatisierten Datenmappings. So werden die Datenmodelle aus unterschiedlichen Quellsystemen angeglichen und Daten auf einander referenziert. Eine der großen Herausforderung dabei ist die Datenqualität, insbesondere das Problem von Dubletten.
Es ist zwar normal, dass zum Beispiel ein Debitor in mehreren der beteiligten Systeme als Stammsatz angelegt ist; Probleme bereiten aber die Dubletten, die bereits in den Ausgangssystemen vorhanden sind. Wenn der gleiche Debitor in einem System viermal und im anderen zweimal angelegt ist, so ist das Ergebnis des automatisierten Mappings kaum vorhersagbar. Erhöhung der Datenqualität vorab in den Quellsystemen reduziert den Aufwand für das Mapping und für das Testing erheblich. Um solche Datensätze zu vereinheitlichen, bedarf es professioneller Vorgehensweisen, zertifizierter Entwickler und Berater und spezialisierter Datenmapping-Tools.
Die schlechte Datenqualität in den Ausgangssystemen ist aber nur einer der Punkte, den die Beteiligten zu Beginn eines Merger- oder Carve-Outs regelmäßig unterschätzen. Beispiele für weitere Herausforderungen sind:
Downtime: Den Unternehmen ist oft nicht klar, wie wenig Downtime zur Verfügung steht. Ein großes Unternehmen, das sich von einer kleinen Einheit trennt, wird selten eine Downtime zu Geschäftszeiten tolerieren. Durch Backup-Prozesse und Arbeit in verschiedenen Zeitzonen stehen oft weniger als 48 Stunden für die Datenmigration und Produktivsetzung der neuen Systeme zur Verfügung. Das bedeutet im Umkehrschluss: Projekte müssen akribisch geplant, die Cutover Planung detailliert vorbereitet und auch in den Testmigrationen durchlaufen werden, damit am Tag X alles reibungslos funktioniert.
Kundenindividuelle Eigenentwicklungen: Häufig passen Unternehmen ihre Systeme mit Eigenentwicklungen stark an, nutzen dabei zusätzlich auch Festwerte in diese Programmen (sogenannte "hard coded Values"), so dass diese nicht mit vertretbarem Aufwand in eine neue IT-Umgebung übernommen werden können. Da diese Eigenentwicklungen aber in der Vergangenheit die Unternehmensprozesse optimal unterstützt haben, geben die Beteiligten diese nur ungern preis. Regelmäßig wird dabei der Arbeitsaufwand der internen IT-Abteilung unterschätzt, diese Programme fit für die Zukunft zu machen.
Frozen Zone: Dieser Begriff beschreibt die Phase in einem Projekt, in denen keine Veränderungen an den Strukturen der Prozesse und Daten mehr vorgenommen werden dürfen. Mit dem Start der Frozen Zone bis zur Go Live Migration darf an den Systemen nichts mehr geändert werden. Es muss sichergestellt werden, dass sich seit dem letzten Test keine neuen Strukturen oder Prozesse ergeben haben, die einen erneuten Test nötig machen würden. Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Mitarbeiter die Frozen Zone nicht beachten, Änderungen vornehmen und damit Migrationsprojekte gefährden. Daher ist es zwingend, dass jegliche Systemänderungen mit der Projekt- und IT-Leitung abgestimmt und bewertet werden.
Die Vielfältigkeit der Herausforderungen zeigt, dass allenfalls spezialisierte IT-Unterabteilungen sehr großer Unternehmen darin ausreichende Übung erlangen können, diese Herausforderungen zu bewältigen. Merger und Acquisitions sind für jedes einzelne Unternehmen eine Ausnahmesituation.
Aber da sie zu unserer ökonomischen Realität gehören, gibt es genauso wie unter Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Personal-Experten auch in der IT Spezialisten dafür: Diese IT-Berater, sogenannte "Transformer", wissen zum Beispiel, wie sie frühzeitig Wirtschaftsprüfer bei der Ausarbeitung der IT-Konzepte miteinbeziehen müssen, wie sie zertifizierte Spezial-Tools zur Datenvereinheitlichung und -migration auswählen und einsetzen, wie sie zeitliche Vorgaben für die Umstellung einhalten, indem sie Prozesse rückwirkend anpassen und wie sie Menschen zusammenbringen und in Workshops zu einer guten Zusammenarbeit motivieren.
Transformationstools
Transformationstools verbinden Beratungs-Know-how mit Software zur Planung, Strukturierung und professionellen Umsetzung von Transformationsprojekten. Sie erlauben es Unternehmen, ihre komplette Daten- und Beleghistorie in ein neues System mit neuen Prozessen mitzunehmen und arbeiten mit den alten Informationen auf den neuen Prozessen und Systemen.
Die Annahme, erfahrene SAP- oder Prozess-Berater könnten eine solche Transformation alleine bewältigen, trügt. Nur wer viele solcher Prozesse begleitet hat, weiß genau, wie er methodisch vorzugehen hat und welche Schritte aufeinander folgen. Alle anderen scheitern schnell und laufen durch mangelnde Erfahrung auf eine der vielen Klippen auf.
Medienberichte und Erfahrungsberichte wimmeln von Beispielen, in denen Merger oder Carve-Outs die angestrebten Ziele verfehlen, weil die neu zugeschnittenen Unternehmen ihren Mitarbeitern keine Vision vermitteln konnten, ihre grundlegendste Infrastruktur nicht in den Griff bekommen und Mitarbeiter sich mit ineffizienten manuellen Prozessen behelfen mussten. Das spiegelt nicht die Realität wider.
In der Regel verlaufen die meisten Transaktionen auf Dauer erfolgreich. Das gilt vor allem, wenn die verantwortlichen Manager diese nicht als reine Finanz- oder IT-Projekte behandeln, sondern ganzheitlich angehen und sich erfahrene Hilfe ins Projekt holen. Es braucht aber ein stringentes, durchgeplantes Vorgehen und eine erprobte Methodik, um das Potenzial des neu zugeschnittenen Unternehmens zu entfalten. Mit der richtigen Methodik lassen sich alle Klippen in Transformationsprojekten erfolgreich umschiffen. Anders gesagt: Die IT-Transformation ist eine Reise, auf der man keine Abkürzungen nehmen darf. Sehr wohl aber schnellere Transportmittel.