Telefonieren über das Internet mit Voice-over-IP (VoIP), Konzertkarten mit dem Handy bestellen, Mails mit dem Blackberry oder PDA bearbeiten, Außendienstler mit Online-Zugriff auf den gesamten Produktkatalog und die Bestell-Historie – das alles ist zur technischen Selbstverständlichkeit geworden. Dahinter verbergen sich komplexe Mechanismen, die IT und TK-Techniken mit Applikationen und Datenbanken verbinden.
Für die Älteren unter uns waren Telefon und Computer(netze) immer zwei paar Schuhe. Während die Telefonnetze Sprache übertrugen, dienten Computernetzen zum Austausch von Daten. Mit der Umstellung der ehemals analogen Telefontechnik auf digitale ISDN (Integrated Services Digital Network) Technik in Deutschland vor rund 20 Jahren, wurde Sprache in digitale Form gebracht und ebenfalls als eine Folge von Datenpaketen über Leitungen verschickt. Dennoch waren Netze, Protokolle und Endgeräte grundsätzlich verschieden - ebenso wie die Arbeitsfelder und das Selbstverständnis der TK- und IT-Unternehmen.
Vor gut 20 Jahren hatte ein damaliger „Fernmelder“ der Deutschen Post mit einem Großrechner-Operator (Netzwerk-Experten gab es damals noch nicht) etwa genau soviel gemein, wie ein analoges Wählscheiben-Telefon mit einem Computer-Terminal mit Host-Anbindung. Informations- und Telekommunikationstechnologie haben sich seither rasant entwickelt, allerdings weitgehend getrennt voneinander. Jede Technologie hatte ihr eigenes leitungsbasiertes Netz, später kamen digitale Funknetze zur Übertragung von Sprache und Daten hinzu. Jede technische Disziplin blieb eine separate Insellösung, die Schnittstellen wartungs- und kostenintensive Flaschenhälse.
Kein Wunder also, dass sich Unternehmen bisher vor allem auf die Technik konzentriert haben. Dennoch stellt die Zersplitterung der technischen Landschaft die Enterprise-IT vor gewaltige Herausforderungen: Zu jedem technischen Baustein müssen eigene Service Level Agreements (SLA) vereinbart werden – von LAN, WAN, mobiler Anbindung, VoIP, Hosting über Desktop Services bis hin zu Applikationen. Das Anwenderunternehmen bleibt gleichsam auf dem Integrationsaufwand sitzen. Wer sich aber heute mit der Anschaffung einer hybriden Telefonanlage an der Spitze der ITK-Integration zu bewegen glaubt, liegt völlig falsch.
Denn CIOs haben ganz andere Erwartungen: Sie wünschen sich durchgängige End-to-End Services für IT und TK. Dabei ist es von geringem Interesse, ob die Lösung auf IT oder TK, Festnetz oder Mobilfunk basiert und wie viele unterschiedliche Dienstleister eingebunden sind - Hauptsache der Geschäftsprozess funktioniert. Das aber erfordert einen gemeinsamen Blickwinkel auf IT und TK-Systeme. Ohne Zweifel ergeben sich erhebliche Vorteile bei den Kosten, dem Implementierungs- und Wartungsaufwand, aber auch der Agilität und Flexibilität der Systeme. Vor allem, wenn alle Elemente einer Lösung von vornherein im Hinblick auf das unzertrennliche Zusammenspiel von IT und TK – und bei Bedarf Applikationen – entwickelt werden. Das ist auch Voraussetzung für die Übernahme einer Gesamtverantwortung für die gesamte, an einem Business-Prozess beteiligte ITK von Ende zu Ende. Im besten Fall bekommt der Kunde noch einen SLA für die Gesamtverfügbarkeit vom Router bis zur Rechenleistung mit nur noch einem Vertrag, einem Ansprechpartner und einer Abrechnung.
Diese Entwicklung steht noch am Anfang - spiegelt sich aber deutlich in der Anbieterlandschaft wider: Alle großen Service-Dienstleister – ob sie traditionell aus der TK-Technik kommen wie etwa T-Systems oder Britisch Telekom – oder aus der IT wie IBM oder HP, wollen heute ihren Kunden integrierte IT- und TK-Leistungen aus einer Hand anbieten. Besonders die klassischen TK-Unternehmen sind in Zugzwang: Sie haben die Wahl, zum Massenanbieter mit geringeren Gewinnspannen zu werden, dafür aber mit klarem Fokus auf den Endkonsumenten und auf das traditionelle Kerngeschäft. Oder sie investieren in den Aufbau von IT- und Applikationsressourcen, um zu ganzheitlichen ITK-Anbietern zu werden.
Viele TK-Unternehmen reagieren mit der Aufwertung ihrer Geschäftsmodelle: Beispielsweise durch netznahe IT-Services, wie Managed Workplace Solutions. Oder sie erschließen neue Geschäftsfelder durch die Investition in Next Generation Networks, die etwa das so genannte Triple Play – Übertragen von Sprache, Daten und Video – ermöglichen. Oft werden die dazu benötigten IT-Ressourcen über Partnerschaften oder Zukäufe von IT-Unternehmen erschlossen. Wer den Sprung in die erste Liga nicht schafft, wird sich mit Marktnischen etwa als „Low-cost Pipe Provider“ mit geringen Margen begnügen müssen.
Währenddessen haben die klassischen IT-Service-Provider das Netz als Übertragungsweg ihrer Dienste für sich entdeckt und investieren in eigene Netze oder bilden Partnerschaften mit Netzbetreibern. Ihr Ziel als ITK-Anbieter ist, durchgängige Services und globales End-to-End Management anzubieten. Im Vergleich zu den TK-Anbietern haben sie den Vorteil einer historisch gewachsenen engeren Beziehung zu den Entscheidungsträgern ihrer Kunden wie CIOs, IT-und RZ-Verantwortlichen und dem in der Regel höheren Branchenwissen. Laut Forrester („For Vendor Strategy Professionals“, 04/2008), bedarf es dennoch erheblicher Überzeugungsarbeit, um das Gespräch auf die Geschäftsprozessebene zu lenken. IT-Entscheider seien vorrangig an der Reduzierung von operativen Kosten orientiert und nur zögerlich an einer Diskussion über den Mehrwert von konvergenten ITK-Services interessiert.
Nur wer bisher schon in IT, TK und Applikationen investiert hat und bereits heute integrierte ITK-Lösungen aus kompatiblen Bestandteilen liefern kann, wird sich ein nennenswertes Stück vom großen Kuchen des wachsenden IT-Service-Marktes abschneiden können. Von entscheidender Bedeutung ist in jedem Fall, dass Services integriert gedacht und erbracht werden: Damit wird die enge Verzahnung und Integration der Prozessketten zur Leistungserbringung für die meisten traditionellen Anbieter das vorrangig zu knackende Problem. Die ohnehin sichtbare Konzentration im internationalen Markt für IT-Services auf eine sehr überschaubare Anzahl von Anbietern bekommt so eine weitere Facette: Eine führende Rolle auf dem Weltmarkt werden in Zukunft wohl nur die Service-Anbieter einnehmen, die ITK-Konzepte und -Systeme komplett aus einer Hand anbieten können.
Die amerikanischen Analysten von Forrester Research sprechen beim Zusammenwachsen von IT und TK von „Converged Service Delivery“, der deutsche Marktführer T-Systems prägte dafür den Begriff Real-ICT. Dass es sich dabei nicht nur um Marketing-Vokabeln handelt, belegt eine Untersuchung der Marktforscher von Pierre Audoin Consultants (PAC) aus dem letzten Jahr. PAC befragte 152 CIOs, IT-Leiter und IT-Fachabteilungsleiter aus Anwenderunternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ergebnis: Nur zwei Prozent der Zielgruppe sahen keine Anzeichen für das grundsätzliche technologische Zusammenwachsen der beiden Themen IT und TK, aber fast 80 Prozent konnten diese Entwicklung bereits in ihren eigenen Unternehmen beobachten. Allgemein zeigte sich, dass das Thema Real ICT noch als ein sehr technologie- und infrastrukturlastiges Thema gesehen und in erster Linie über VoIP sowie die gemeinsame Nutzung einer Infrastruktur definiert wird, weniger über ein Zusammenwachsen der Anwendungslandschaften.
Dieses Zusammenwachsen sowie die Konzentration auf die Geschäftsprozesse führen dazu, dass die Mehrheit der Befragten einen steigenden Investitionsbedarf in ITK-Themen sieht. Entscheidungen, die beide Bereiche betreffen, werden in den meisten Fällen schon zentral gefällt. Schwerpunkte dieser Investitionsentscheidungen sind gemeinsame und integrierte Infrastrukturen, die bessere und flexiblere Kommunikation sowie einen kostengünstigeren – weil standardisierten – Betrieb ermöglichen. In diesem Sinne lag auch der Schwerpunkt von Real ICT-Investitionen bisher in den infrastrukturnahen Themen und hier sehr stark in TK-getriebenen Bereichen wie Netzwerk-Services, Mobility und Security.
Aus der Konvergenz von IT und TK versprechen sich die Unternehmen die größten Vorteile in der Kostenersparnis (53 Prozent), der Prozessoptimierung (33 Prozent) sowie der Zeitersparnis (11 Prozent). Für die meisten IT-Verantwortlichen (55 Prozent) ist es wichtig, dass alle ihre IT-, TC- und Applikationsdienstleistungen aus einer Hand bereitgestellt werden. Die größte Sorge macht Ihnen das Thema Sicherheit. Deshalb ist es unabdingbar, ein integriertes Sicherheitskonzept bei der Planung und Entwicklung von integrierten ITK-Systemen mit einzubeziehen und den neuen Anforderungen anzupassen.
Ohne Zweifel: In den nächsten Jahren werden IT und TK weiter verschmelzen. In zukünftigen ITK-Architekturen werden sich klassische IT- oder TK-Komponenten – wie heute etwa Server versus Router – wohl nicht mehr klar voneinander unterscheiden lassen. Aber wichtiger noch als die technische Umwälzung wird für die Anwenderunternehmen das Zusammenwachsen der IT- und TK-Welten auf der Ebene der Geschäftsprozesse. Denn mit einem integrierten Ansatz werden End-to-End-Monitoring und prozessbezogene SLAs realisierbar. Letzten Endes bedeutet das eine grundlegende Veränderung des IT- und TK-Servicemarktes. Für IT-Entscheider wird es deshalb zukünftig zu einer vorrangigen Aufgabe, ihre Sourcing-Strategien im Hinblick auf das Potenzial integrierter ITK-Dienstleistungen zu überprüfen.