Knapp zwei Jahre nach Einführung der digitalen Betriebsprüfung kämpfen die Unternehmen immer noch mit der Umsetzung. Erst jedes achte Mittelstands- und Großunternehmen kann seine Daten dem Finanzamt so zur Verfügung stellen, wie dies der Gesetzgeber vorsieht. Das hat eine Umfrage des Archivierungsspezialisten SER unter 688 Unternehmen ergeben. Selbst wenn man dem Lösungsanbieter ein Interesse daran unterstellt, die Situation zu dramatisieren, so bleiben die Zahlen erschreckend: Nur neun Prozent aller Unternehmen können laut SER ihre steuerrelevanten Daten in dem durch die Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) vorgesehenen, einheitlichen technischen Beschreibungsstandard zur Verfügung stellen. "Die Anwender schwanken zwischen Unwissenheit und Angst, ihre Situation darzulegen. Dabei wird übersehen, dass im kommenden Jahr die finanziellen Sanktionen im Umfeld der GDPdU und der Verrechnungspreisdokumentation voll zuschlagen werden. Wer sich heute noch nicht vorbereitet hat, ist bereits im Hintertreffen", erläutert Ulrich Kampffmeyer, Geschäftsführer der Project Consult Unternehmensberatung.
Bei den für die digitale Betriebsprüfung benötigten steuerrelevanten Daten sind technische von inhaltlichen Aspekten zu unterscheiden. Inhaltlich geht es darum, welche Informationen die Steuerprüfer im Rahmen der Außenprüfung einsehen dürfen. Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden, denn die Daten variieren von Unternehmen zu Unternehmen je nach Geschäftstätigkeit. Da sich durch die GDPdU nichts am Umfang und Inhalt der Prüfung ändert, sondern lediglich die Bereitstellung der Daten, der Zugriff und die Auswertung elektronisch erfolgen, können Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer wie bisher die relevanten Informationen ermitteln.
Drei Viertel der Daten im ERP-System
Technisch gesehen geht es darum, die im Unternehmen entstehenden Rohdaten für den elektronischen Zugriff und die digitale Auswertung durch die Steuerbehörden bereitzustellen. Dazu sind Entstehungsorte, Formate und Speicherplätze der relevanten Daten zu ermitteln. Die meisten Informationen, die für die digitale Prüfung in Frage kommen, sind in ERPProgrammen (Enterprise Resource Planning) enthalten. Etwa 78 Prozent der Unternehmen bewahren dort laut SER-Studie ihre steuerrelevanten Daten auf.
Hersteller wie SAP und Microsoft Business Solutions haben neuere Versionen ihrer Systeme bereits an die Anforderungen der GDPdU angepasst und bieten Datenextraktions-Tools und Schnittstellen zu IDEA (Interaktive Daten-Extraktion und -Analyse), der offiziellen Prüfsoftware der Finanzverwaltung. Im SAP-System lassen sich steuerrelevante Daten mit Schlüsselbegriffen versehen ablegen und mit Hilfe des Datenextraktions-Tool DART (Data Retention Tool) auswerten. Die gewonnenen Textdateien können als DART-Files zwischengespeichert und auf dem Server archiviert werden. Auch Microsoft Navision stellt in den aktuellen Versionen Tools zum Datenexport zur Verfügung. So kann der Prüfer die relevanten Daten direkt am Produktivsystem prüfen oder sich die Daten nach seinen Anweisungen durch einen Mitarbeiter oder auf einem Datenträger bereitstellen lassen.
"Die Umstellung des Systems war für uns mit großem Aufwand verbunden. Beim Auslesen der steuerrelevanten Daten mussten wir zunächst händisch vorgehen und jeden unserer 40 Mandanten einzeln ansprechen, um die entsprechenden Daten auszulesen. Erst die Einführung einer neuen Version unserer Navision-Software hat das Auslesen der Daten aus dem Produktivsystem vereinfacht", beschreibt Heinz Oberhauser, IT-Administrator bei der Landshuter Werkstätten GmbH, seine bisherigen Erfahrungen.
Einige ältere Produktivsysteme, darunter auch Versionen von Navision und SAP, verfügen nicht über die notwendigen Schnittstellen und Tools zu Datenauswertung und Export. Auch bei vorgelagerten Systemen wie Kassen- oder Zeiterfassungsanwendungen und Nebensystemen wie Personalwirtschaftsanwendungen besteht häufig noch erheblicher Handlungsbedarf seitens der Hersteller. So kostete ein mittelständisches Unternehmen der Baubranche mit etwa 500 Mitarbeitern die Einführung entsprechender Schnittstellen und die Umrüstung des Produktivsystems nach GDPdU-Kriterien insgesamt etwa 40 000 Euro. Weitere Details über das Projekt waren nicht in Erfahrung zu bringen. Aus Angst, die verspätete Einführung entsprechender Technologien könnte ein schlechtes Bild auf das Unternehmen werfen, erteilte die Geschäftsleitung ihren Mitarbeitern Redeverbot.
Eine kostengünstigere Möglichkeit zur Extraktion der relevanten Daten liegt im Einsatz herstellerunabhängiger Datenkonverter und Extraktionswerkzeuge. TransData beispielsweise, ein Datenkonverter der AvenData Softwaresysteme, extrahiert Steuerrelevantes aus beliebigen Datenbeständen und überführt sie in die vom Finanzamt vorgesehenen maschinell auswertbaren Formate. Speziell für kleine und mittlere Unternehmen bietet DocuPortal eine kombinierte Collaboration-, Dokumentenmanagement- und Wissensmanagement-Software, mit deren Hilfe sich Inhalte zusammenführen und revisionssicher ablegen lassen.
Entstehen in Produktiv- und Nebensystemen große Datenmengen, sind Archivsysteme und Dokumenten-Management-Systeme (DMS) sinnvolle Ergänzungen. Die digital erfassten Belege im DMS und die Datenbestände aus dem Archivsystem lassen sich mit einem gemeinsamen Index versehen. So kann bei der Prüfung der Buchungsdaten eine direkte Verbindung zu den entsprechenden Belegen hergestellt und über eine einheitliche Benutzeroberfläche direkt auf diese zugegriffen werden.
Das bedeutet allerdings nicht, dass alle bislang in Papierform vorliegenden Daten nun elektronisch aufzubewahren sind. Die Aufbewahrungspflicht gilt nur für originär elektronische Daten, also Informationen, die durch Verarbeitungsschritte im kaufmännischen System entstanden sind oder aus elektronischen Quellen, etwa anderen Datenverarbeitungssystemen, EDI oder E-Mail, stammen. Da sie bereits elektronisch zur Verfügung stehen, müssen sie auch im Originalformat und mit den zugehörigen Entstehungs- und Eingangsdaten vor Veränderung geschützt sowie maschinell auswertbar bereitgestellt werden.
Archivsysteme besser als CDs im Tresor
Für die revisionssichere Aufbewahrung der Datenbestände ist der Einsatz von Archivsystemen sinnvoll. Sie kommen dann zum Einsatz, wenn die steuerrelevanten Daten aus den operativen Haupt- und Nebensystemen extrahiert und im Zuge der Reorganisation ausgelagert werden. Die Ausgestaltung der Archivsysteme lässt ein breites Spektrum an technischen Möglichkeiten zu. Im einfachsten Fall werden die indizierten Daten mit den zugehörigen Strukturinformationen auf CD oder DVD gebrannt und im Tresor gelagert. Diese Möglichkeit eignet sich besonders für Kleinanwender, die alle Daten einer Periode auf einem Medium unterbringen. Je nach Betriebsgröße und Datenaufkommen lassen sich durch die Einführung einzelner Archivierungskomponenten oder komplexer elektronischer Archive auch Kosten für Aktenauslagerung und Archivräume einsparen. Entsprechend der eingesetzten Systeme werden die Daten dann auf speziell abgesicherten Festplattensubsystemen, WORM-Medien oder Tape-Libraries gespeichert. Für alle Speichermedien gilt jedoch der Grundsatz, dass die steuerrelevanten Daten unveränderbar und vollständig auch nach Jahren noch anzeigbar, auswertbar, auslesbar und verarbeitungsfähig zur Verfügung stehen müssen.