Update: Mit 25 gegen 20 Stimmen bei zwei Enthaltungen beschlossen CDU, SPD, Freie Wähler sowie zwei Mitglieder der 13-köpfigen Fraktion der Grünen des Gemeinderats in Freiburg gestern für die Rückkehr zu Microsoft Office. Auch der grüne Oberbürgermeister Dieter Salomon stimmte dafür.
Der Gemeinderat der Stadt Freiburg besteht aus dem Oberbürgermeister als Vorsitzendem und 48 ehrenamtlich tätigen Stadträten.
CIO.de berichtete zuvor über die Umstiegspläne des Freiburger Gemeinderats:
Die Beschlussvorlage G-12/233 des Bürgermeisteramts lag am Dienstag auf dem Tisch des Freiburger Gemeinderats. Damit soll die Strategie der offenen Standards, die 2007 in der Stadtverwaltung eingeführt wurde, wieder beendet werden.
2007 hatte man die Verwendung von Open Document Format (ODF) als Standardformat festgelegt. Vor fünf Jahren war man von Open Office begeistert: „Der Gemeinderat nimmt den Bericht zum Thema »Open Document Format« zur Kenntnis und stimmt dem Beitritt zur Open Document Alliance sowie der Verwendung von »Open Document« als Standardformat für den elektronischen Geschäftsverkehr der Stadtverwaltung gemäß Drucksache G-07/067 zu", hieß es 2007. Die Städte München und Jena sowie der schweizerische Kanton Waadt waren Wegbegleiter, die Open Office ebenfalls nutzten.
Open Office 3.2.1 wurde nach dem Beschluss von 2007 in Freiburg überall in der Verwaltung eingeführt und sollte eigentlich Microsoft Office 2000 vollständig ablösen. Doch nun legt das Gutachten (Organisationsuntersuchung der städtischen IT) der Excientes Management Consulting den Gemeindevertretern der Stadt Freiburg den Rückzug von Open Office nahe. Als Gründe werden vor allem die mangelnde Benutzerführung und zu hohe Kosten angeführt. Rund 2500 PCs und Thin Clients in der Verwaltung wären von der Rückumstellung betroffen.
Berater empfehlen Microsoft Office
Die Gutachter werben in ihrer 71-seitigen Vorlage für die Abkehr von der bisherigen Politik: „Eine Ein-Produkt-Strategie, die den flächendeckenden Einsatz der aktuellen Version der Office-Suite des Herstellers Microsoft vorsieht, wird aus gutachterlicher Sicht als Zielmodell für die Stadt Freiburg empfohlen", heißt es dort klipp und klar.
Die Gutachter meinen: "Die Nutzung des Quasi-Standards im Bereich Büroanwendung minimiert die Ineffizienzen, Inkompatibilitäten mit Fachanwendungen sowie funktionalen Einschränkungen (z.B. bei Erstellung von Präsentationen)."
Großer Mehraufwand durch Nutzung von Open Office und Microsoft Office
In der Vergangenheit sind nicht alle Mitarbeiter mit Open Office glücklich gewesen. Einzelne Fachverfahren in Freiburg arbeiteten nur mit Microsoft-Programmen zusammen, deswegen gab es schon in der Vergangenheit einen Parallelbetrieb zwischen Microsoft Office und Open Office. „Die Nutzung der Anwendung erfolgt an den meisten Arbeitsplätzen 'auf freiwilliger Basis', da parallel die zuvor genutzte MS-Office-Lösung (MSO) – in der Version Office 2000 – nach wie vor zur Verfügung steht“, heißt es hierzu im Gutachten.
Vertreter der Ämter hatten sich in der Vergangenheit öfter über Probleme mit Open Office und den Aufwand, den der Betrieb beider Systeme verursachte, beschwert. So gab es Formatveränderungen, wenn die Textdokumente mit anderen Programmen geöffnet wurden. Auch zwischen Power Point und Impress kam es zu Unverträglichkeiten.
Zitat: "Durch die zusätzlich bereitgestellte Open Office-Suite entsteht erheblicher Mehraufwand sowohl bei den Fachämtern mit externen Austauschbeziehungen (z.B. durch Korrekturen fehlerhafter Formatierungen bei einem Dateiaustausch zwischen den Office-Systemen Open Office und Microsoft-Office oder durch den Verlust von Bearbeitungsinformationen bei einer kooperativen Erarbeitung eines Dokuments) als auch im IT-Service (Anwendersupport von zwei Systemen, Schaffung und Betreuung von Schnittstellen zu anderen Programmen (z.B. SAP) etc.).“
Das Präsentationsprogramm Impress und das Kalkulationsprogramm Calc wurden zudem im Vergleich als die deutlich leistungsschwächeren Programme eingeschätzt.
Weitere Punkte der Mängelliste
Des Weiteren wurde unter anderem bemängelt:
• Abstürze
• die Problematik einer fehlenden Desktop-Datenbank
• Probleme mit dem Änderungsmodus, also dem gemeinsamen Bearbeiten von Dokumenten sowohl intern als auch mit Externen
• die Erstellung von Serienbriefen
• Fachanwendungen laufen mit Open Office teilweise instabil
• fehlende Barrierefreiheit von Open Office beim Einsatz an Behindertenarbeitsplätzen
Eine vollständige Behebung dieser Probleme in absehbarer Zukunft ist aus Perspektive der Gutachter unrealistisch. Der Mehraufwand führe in den Fachämtern dazu, dass bis heute der Schwerpunkt der Arbeitserledigung unter Nutzung der veralteten Microsoft-Office-2000-Suite erfolge oder sich aber die Fachämter eigenständig PCs beschafft haben, die über eine aktuelle Office-Suite des Herstellers Microsoft verfügen, so die Gutachter.
Die Erwartung, dass viele andere Städte dem Beispiel Freiburg folgen, habe sich ebenfalls nicht erfüllt. Es gebe auch keine Anzeichen dafür, dass sich daran etwas ändere. Die in Freiburg genutzte Version von Open Office werde nicht weiter entwickelt, die Stadt müsste sich jetzt für Libre Office oder Apache Open Office entscheiden. Diese Auseinanderentwicklung der Entwicklergemeinde lähme die weitere Entwicklung.
Auseinanderentwicklung der Community lähmt die Entwicklung
Die Fraktion Junges Freiburg/Die Grünen im Gemeinderat will weiterhin an Open Office festhalten. Die politischen Entscheidungen des Gemeinderats aus den Jahren 2005 und 2007 einen von proprietärer Software unabhängigen Weg in der IT-Verwaltung der Stadt zu gehen, unterstützt unsere Fraktionsgemeinschaft weiterhin", heißt es in einer Erklärung.
Und weiter: „Transparentes Verwaltungshandeln wird künftig seitens der BürgerInnen verstärkt erwartet, auch im Hinblick auf die Bereitstellung von Verwaltungsdaten in maschinenlesbarer Form (Open Data). Die Datennutzung sollte dabei nicht durch die Verwendung nicht-offener Datenformate behindert werden oder gar durch die Verwendung proprietärer Formate die Nutzung und Lizenzierung von kostenpflichtiger Software voraussetzen."
Auch die Piratenpartei des Landes fordert Freiburg auf, das "Leuchtturmprojekt der Open-Office-Migration weiter zu führen". Und weiter: "Unfreie Software wie Microsoft Office speichert Daten in Formaten ab, die andere Programme oft nicht korrekt verarbeiten können. Dies zwingt Bürger und Behörden zu vergleichsweise teuren und stetigen Anschaffungen und bindet sie gleichzeitig an wenige oder sogar an nur einen, sein Monopol ausnutzenden, Hersteller."
Open Source Business Alliance wirbt in Offenem Brief für Open Office
Die in der Open Source Business Alliance e.V. zusammen geschlossenen Organisationen haben sich nun am 15. November in einem offenen Brief an die Gemeindevertreter und die Öffentlichkeit gewandt. Die Stadt würde Äpfel mit Birnen vergleichen, heißt es dort. Die Unterzeichner des Briefes kritisieren die fehlende Berücksichtigung neuerer Version von freien Office Paketen sowie teilweise fehlerhafte Darstellungen im Gutachten und im Bericht der Verwaltung.
Mit der Abkehr von Open Source „würde die Stadt Freiburg einen Weg beschreiten, der nicht mit den Prinzipien einer modernen und freien Informationsgesellschaft mit ihrem Anspruch an Nachhaltigkeit und Offenheit vereinbar ist. Die freiwillige Abhängigkeit (Vendor-Lock-In) von einem Softwarehersteller (in diesem Falle Microsoft), der alleine über Features und Funktionen eines Dateiformates entscheidet, ist nach unserem Dafürhalten nicht mit den Ansprüchen einer von Steuern finanzierten Behörde vereinbar", schreiben die Open-Source-Vertreter.
Nach der Ablehnung des Beschlussvorschlags, wie ihn sich die Open-Alliance-Vertreter erhoffen, sollte ein schnelles Update auf eine neue Version einer freien Office Suite (Libre Office oder Apache Open Office) geprüft werden, schlägt die Allianz dem Gemeinderat vor. Den weiteren Weg hin zu mehr Einsatz Freier Software in Ihrer Stadt sei man gerne bereit, aktiv zu begleiten, heißt es.