Es ist eine Frage der Sichtweise: Weil viele Kunden immer noch mit dem betagten SAP R/3 arbeiten, sprechen die einen davon, dass es noch viel Migrationspotenzial auf das modernere SAP ERP 6.0 gebe.
Während die einen das als Chance betrachten, beklagen die anderen bei der Analyse, dass SAP in den vergangenen Jahren ein möglicherweise "zu hohes Tempo" bei der Vorstellung neuer Technologien und Visionen für die Unternehmenssoftware dieses Jahrtausends vorgelegt habe: "Nicht alle Kunden waren in der Lage oder gewillt, dieses Tempo mitzugehen", resümieren die Marktforscher der RAAD Research GmbH aus Münster in der Studie "SAP-Bestandskunden: Themen und Potentiale 2009".
Erstmals sind der Studie zufolge "in der SAP-Bestandskundenbasis mehr ERP-Installationen als R/3-Systeme zu beobachten". Die Argumentation für eine Migration sei mit der Losung "Fünf Jahre kein Upgrade" aber auch einfacher geworden. SAP-Kunden nutzten die SAP-Migration auch, um Systemlandschaften zu konsolidieren.
"Der Parallelbetrieb der letzten Jahre wird abgeschafft, und viele Unternehmen fahren eine Ein-Release-Strategie für ERP 6.0", heißt es bei RAAD. Der Markt für die Betreuung von Alt-Systemen werde daher mittelfristig weiter stark zurückgehen.
Ein Großteil der Unternehmen setzt nach wie vor auf SAP R/3
Genau 57 Prozent der befragten 2.000 Bestandskunden haben schon auf SAP ERP migriert. Weil die meisten Unternehmen gleich aufs aktuelle System ERP 6.0 umgestiegen sind, seien sie technisch damit auf dem neuesten Stand.
Allerdings nutzt mit 43 Prozent ein guter Teil der Bestandskunden noch ausschließlich R/3. Rechnet man einen weiteren Anteil solcher Unternehmen dazu, die R/3 parallel zu ERP 6.0 verwenden, wird deutlich, dass die angeschlossenen Unternehmen mit dem Tempo der Releases bei SAP nicht Schritt halten können.
Oder wollen: "Die zögerliche Annahme der neuen Produkte und Technologien", heißt es bei RAAD, "kann insbesondere darauf zurückgeführt werden, dass die IT in vielen Unternehmen, von einigen technologischen Vorreitern abgesehen, immer eher als Erfüller denn als Enabler gesehen wird."
Dennoch sorgten die aktuelle Version 6.0 von SAP ERP sowie auslaufende Wartungsverträge auch bei Bestandskunden mit alten Versionen für Druck, nun endlich ein Update zu planen. Bei immerhin mehr als einem Drittel der noch bestehenden R/3-Anwender sind laut RAAD daher "konkrete Migrationsplanungen für 2009/2010 zu beobachten". RAAD selber in seiner geht noch weiter: "Der Einsatz des SAP ERP stellt für die Bestandskunden aufgrund auslaufender Wartung eine Notwendigkeit dar", heißt es in den Ergebnissen der Studie.
Branchen verfahren unterschiedlich schnell bei der Migration
Das Tempo bei der Umstellung auf die neuesten ERP-Versionen ist RAAD zufolge von Branche zu Branche unterschiedlich. Vorreiter bei der Umstellung seien zum Beispiel Einzelhandel, Banken und Versicherungen, während Manufacturing und Großhandel noch sehr auf SAP R/3 setzten. Komplett hinterher bei den ERP-Implementierungen hinkt die Öffentliche Hand.
Die Unternehmen, die bereits auf ERP 6.0 umgestellt haben, verfügen im Durchschnitt über eine weit höhere Anzahl von SAP-Usern als solche, die noch mit Altsystemen arbeiten. So haben 50 Prozent der Unternehmen, die SAP ERP einsetzen, aber nur 25 Prozent der R/3-Anwender mehr als 339 SAP-User. "Das bedeutet", so schlussfolgert RAAD, "dass die Zahl der ganz großen Migrationen in Zukunft abnehmen wird". Große Umstellungen werde es nur noch vereinzelt geben, während die "Masse der Migrationen 2009/10 mittelgroß bis kleiner Natur" sein wird.