Syrien-Frage

USA setzen Deutschland unter Druck

13.09.2018
Seit Anfang der Woche streitet die Koalition über ein mögliches Eingreifen der Bundeswehr in den Syrien-Krieg. Jetzt formulieren die USA ihre Erwartungen an den Nato-Partner erstmals offen - und bringen die Bundesregierung damit noch weiter in die Bredouille.
Die Amerikaner machen bereits Druck, bevor überhaupt etwas passiert ist.
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Die USA dringen nun auch ganz offen auf eine Beteiligung der Bundeswehr an einem militärischen Vergeltungsschlag bei einem Giftgasangriff in Syrien. "Die beste Art und Weise politische Unterstützung zu zeigen ist nicht eine Rede, sondern militärische Solidarität", sagte der US-Sondergesandte, James Jeffrey, am Donnerstag bei einem Besuch in Berlin vor Journalisten. Die USA würden versuchen, für einen solchen Militärschlag so viel militärische Unterstützung in der Nato zu bekommen wie möglich.

Jeffrey sagte auch offen, dass das Werben der USA um militärische Unterstützung der Verbündeten auch innenpolitisch motiviert sei. "Wir haben auch eine Innenpolitik. Und es ist behilflich, wenn ein Präsident zeigen kann, dass die anderen uns beistehen", sagte er und zog eine Parallele zum Irak-Krieg 2003, an dem sich unter anderen Deutschland und Frankreich nicht beteiligt hatten. "Das war ein großes Problem für uns innenpolitisch."

Bevorstehende Großoffensive gegen Rebellenhochburg Idlib

Ein Bericht der "Bild"-Zeitung, nach dem das Verteidigungsministerium eine deutsche Beteiligung an einem Militärschlag in Syrien prüft, hatte am Montag eine heftige innenpolitische Debatte ausgelöst. Die Prüfung soll von einem Besuch des US-Botschafters Richard Grenell im Verteidigungsministerium in der vergangenen Woche mit Blick auf die bevorstehende Großoffensive gegen die letzte Rebellenhochburg Idlib ausgelöst worden sein. Die US-Erwartungshaltung war bisher aber nicht öffentlich kommuniziert worden.

Sie ist für Deutschland sowohl außen- als auch innenpolitisch äußerst brisant. Die Koalition ist in der Frage gespalten. SPD-Chefin Andrea Nahles hat einen Einsatz der Bundeswehr bereits kategorisch ausgeschlossen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will sich die Entscheidung dagegen offen halten, bis es zu einem Chemiewaffen-Einsatz kommt. Ein Eingreifen der Bundeswehr wäre auch rechtlich äußerst problematisch. Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat ein solches Vorgehen bereits als völkerrechts- und verfassungswidrig eingestuft.

Vergeltungsschläge der USA

Im April hatten die USA auf einen mutmaßlichen Giftgasangriff, für den sie die Regierungstruppen von Präsident Baschar al-Assad verantwortlichen machten, zusammen mit Großbritannien und Frankreich reagiert und mehrere Stellungen in Syrien bombardiert. Die Bundesregierung unterstützte diese Vergeltungsschläge zwar, beteiligte sich aber nicht militärisch. Damals gab es aber auch keine Anfrage der USA.

Jetzt machen die Amerikaner schon Druck, bevor überhaupt etwas passiert ist. Jeffrey betonte, dass der Vergeltungsschlag diesmal viel größer ausfallen werde als im April. "Natürlich suchen wir in so einem Fall so viele Verbündete, so viele Mitspieler wie möglich", sagte er. Was genau die USA von Deutschland militärisch erwarten würden, konnte der Sondergesandte nicht sagen. Er sei in die militärischen Details nicht eingebunden.

Der 72-jährige Diplomat betonte, dass er sich auch früher schon mehr deutsche Beteiligung an Militäraktionen gewünscht hätte. "In den letzten 40 Jahren kann ich mir keinen Fall vorstellen, wo ich nicht erfreut gewesen wäre, die Deutschen bei uns zu haben. Egal bei welchem Konflikt", sagte er. "Das ist meine persönliche Meinung, aber ich gehe davon aus, dass jeder bei uns das sagen würde."

Deutschland achtet das Völkerrecht

Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte am Mittwoch in einem dpa-Interview deutlich gemacht, dass sich Deutschland in der Frage nicht unter Zugzwang setzen lassen werde. "Wir treffen eine autonome Entscheidung, die wir entlang unserer verfassungsrechtlichen Grundlagen treffen müssen, die in Deutschland gelten - und natürlich auch entlang des Völkerrechts", sagte er.

Am Freitag will der SPD-Politiker sich bei Gesprächen mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow bemühen, eine syrische Großoffensive gegen Idlib abzuwenden. "Was die islamistischen Terroristen angeht, die es dort gibt: Auch da muss es Möglichkeiten geben, diejenigen, die durch unfassbare Gräuel in den letzten Jahren auch in Syrien und darüber hinaus aufgefallen sind, zu verfolgen und sie auch zu bestrafen und sie auch einer Bestrafung zuzuführen, aber das rechtfertigt nicht, das Leben von drei Millionen Menschen zu gefährden", sagte Maas. Die Rebellen in Idlib werden von dem Al-Kaida-Ableger Haiat Tahrir al-Scham, der früheren Al-Nusra-Front, dominiert.

Die Vereinten Nationen stellen sich auf eine neue Massenflucht ein. 900.000 Menschen könnten betroffen sein, sagte der humanitäre Koordinator der Vereinten Nationen, Panos Moumtzis, in Genf. Das Deutsche Rote Kreuz warnte vor drohenden Versorgungsschwierigkeiten in der Kriegsregion, vor allem bei einer längeren Belagerung, wie die "Heilbronner Stimme" berichtete. Lebensmittelpreise seien dramatisch gestiegen, 8 von 28 Kliniken in der Region Idlib hätten den Betrieb eingestellt, die anderen können nur eingeschränkt arbeiten. (dpa/rs)