Andreas Schumann, Vorstand der Internetpost AG, hat nach dem Fall des Postmonopols 1998 mit der Jonas Post in Leipzig einen der ersten privaten Postdienste in Deutschland gegründet. In den vergangenen zehn Jahren hat er stets bei Papierpost-Unternehmen gearbeitet.
Doch wurde ihm immer deutlicher, dass Papierbriefe durch die digitale Welt ersetzt werden und Kommunikation zunehmend digital stattfindet. Seit 2010 beschäftigt er sich deswegen im Gefolge von E-Postbrief und DE-Mail mit seinem neuen Unternehmen intensiv mit digitalen Postdienstleistungen. Im Juli dieses Jahres will er ein neues Datenschutz- und Informations-Portal starten, das De-Mail und E-Postbrief beflügeln könnte. Schumann will mit einem Datenschutzportal Nachfrage schaffen.
CIO.de: Sie wollten schon länger mit einem Angebot im Bereich De-Mail starten?
Schumann: Es hat sich auch bei uns – wie auch bei De-Mail und E-Postbrief – länger hingezogen als geplant. Unser Ziel war ursprünglich, 2010 den Schwung der hohen Investitionen in diesem Bereich auszunutzen und neben den großen Anbietern als Vorlieferant eine Alternativplattform für die alternativen Postunternehmen und Dienstleister anzubieten.
Da die De-Mail noch nicht vorangekommen und der E-Postbrief sich nach meiner Wahrnehmung nicht etabliert hat, konnten wir auf dieser Welle nicht mitsurfen. Jetzt haben wir unser Geschäftsmodell verändert. Besonders im B2C-Bereich wurde deutlich: Dieses Modell kann nur vom Verbraucher angetrieben werden. Nur wenn er es annimmt, wird es zum Erfolg.
CIO.de: Bisher sieht es bei der Post ja noch nicht nach einem großen Erfolg aus.
Schumann: Dass sie finanziell zu wenig getan hat, kann man der Deutschen Post nicht vorwerfen. Sie setzte eines der größten Werbebudgets der letzten Jahre ein. Es ist ihr aber nicht gelungen, den Verbraucher vom Produkt zu begeistern. Er wartet ab und sieht nicht ein, warum er das braucht. Bei der De-Mail ist die Situation etwas anders: Die Konzeption stammt maßgeblich von Unternehmen und vom Staat und ist auf deren Bedürfnisse zugeschnitten. Das bringt den Unternehmen große Vereinfachungen. Der Verbraucher hat aber auch einige Nachteile zu schlucken, die ins Gesetz eingebaut wurden. Hier kann man noch nicht sagen, ob der Verbraucher davon begeistert sein wird.
CIO.de: Hätte der Gesetzgeber das anders machen müssen?
Schumann: Die Stimme des Verbrauchers hätte viel mehr vertreten sein müssen. Gerade das Thema Beweislast liegt auf den Schultern der Verbraucher. Die Bedenken der Verbraucherverbände wurden nicht berücksichtigt. Das zweite Thema, das konträr diskutiert wird, ist die Verschlüsselung. Es wird immer von der „logischen Sekunde" gesprochen, in der die Daten erst entschlüsselt und dann wieder verschlüsselt werden. Hier können Daten mitgelesen und nach den gesetzlichen Regelungen auch ausgelesen werden. Der Gesetzgeber hat sich hier gegen eine End-to-End-Verschlüsselung entschieden. Das ist nicht verbraucherfreundlich.
CIO.de: Sie glauben aber generell schon an den Erfolg der digitalen Post?
Schumann: Ja, denn die Kommunikation auf digitalem Weg macht viel mehr Spaß als auf dem Papierweg. Ich hatte neulich eine Aktion, bei der ich sehr viele Papierantworten erhalten habe. Das war sehr nervig, die alle zurückzufaxen oder auf Papier zu beantworten.
Dem Verbraucher muss die Sache Spaß machen
Die Umstellung ist im vollen Gange und wird extrem schnell gehen, wenn es für den Verbraucher etwas gibt, was ihm Spaß macht. Man sieht das ja an der Kommunikation über Facebook und Twitter. Das ist eine Riesenexplosion. B2B ist die digitale Kommunikation auch schon sehr weit vorangekommen. Es hapert im B2C-Bereich. Hier geht es nicht um die Briefe, die der Verbraucher schreibt, sondern um die, die der Verbraucher zugeschickt bekommt. Das ist mehr als das Zehnfache. Entweder Sie bekommen die Post auf Papier, oder sie sollen sie auf irgendeiner Plattform abholen.
Hier muss man ansetzen, hier ist das Potenzial. Wenn man den Nutzer mit seiner E-Mail-Adresse als Person identifizieren kann, lassen sich viele Geschäftsmodelle, die heute mit einem Medienbruch verbunden sind, ins Netz verlagern. Wenn es ernst wird, steht bisher immer: Drucken Sie es aus, unterschreiben Sie und faxen es, oder Sie müssen in eine Postfiliale gehen und Postident nutzen. Die Frage ist: Was kann man anbieten, das dem Verbraucher Spaß macht. Knöllchen per DE-Mail zu erhalten, macht ihm jedenfalls keinen Spaß.
CIO.de: Was macht dem Verbraucher denn Spaß?
Schumann: Wenn man sich die häufig genutzten Stellen im Internet anschaut, ist der Verbraucher sehr oft auf Facebook, Twitter oder auch bei Xing, er nutzt gern Google-Mail und andere Free-Mail-Dienste oder Google Maps. Das ist die große Herausforderung für alle Anbieter. Ich muss deswegen meinen Laden in der Haupteinkaufsstraße aufmachen und mich dort integrieren. Dort muss man den Verbraucher abholen. Wenn ich neben Facebook eine Insellösung schaffe, dann habe ich lauter gallische Dörfer, die sich gegen die Social-Media-Welt durchsetzen müssen. Da wundert man sich dann, warum dort keiner vorbeikommt.
CIO.de: Was wollen Sie anders machen?
Schumann: Sie brauchen auch für neue Systeme unbedingt eine einfache Erstregistrierung wie bei den Social-Media-Diensten - nur mit Anmeldenamen und Passwort. Sie müssen dort leicht hineinkommen, und es muss zunächst anonym bleiben, damit die Nutzer es ausprobieren können.
Der Verbraucher will das neue Angebot erst einmal ausprobieren
CIO.de: Ist das ein Problem von De-Mail und dem E-Postbrief?
Schumann: Aus Verbrauchersicht scheint das dort vergessen worden zu sein. Wenn ich aber weiß, dass sofort die volle Wucht des Gesetzes auf mir lastet, schon wenn ich mich zum ersten Mal einlogge, gehe ich da erst gar nicht rein. Wir brauchen einen Raum, wo der Verbraucher die Postdienste ausprobieren und kennenlernen kann. Es fängt an mit Dingen, die ihm Freude machen oder die ihm etwas bringen. Wenn er dann Vertrauen schöpft, dann geht es in die nächste Stufe. Deswegen braucht man meiner Meinung nach auch eine Zwischenstufe zwischen völliger Anonymität und dem Postident-Verfahren. Das wollen wir mit der Identifizierung durch eine mobile TAN lösen.
CIO.de: Womit soll der Nutzer die Dienste kennenlernen, was braucht er?
Schumann: Wir erklären den Verbraucher zur Henne bei dem Henne-Ei-Problem der digitalen Kommunikation. Wir haben uns überlegt, dass das Thema Datenschutz für Verbraucher ein wichtiger Treiber ist. Die Diskussion hat mit Facebook und Google an Fahrt aufgenommen.
Hier sehen wir vier Aspekte: Das Recht des Verbrauchers auf Auskunft seiner personenbezogenen Daten, auf die Sperrung der Daten und auf Löschung sowie ganz generell auf Einwilligung, wenn personenbezogen Daten verwendet werden. Hierfür wollen wir dem Verbraucher Instrumente an die Hand geben. Eine Riesenmenge personenbezogener Daten hat sich bei vielen Unternehmen angesammelt. Diese Profilbildung gibt es nicht nur bei Facebook, sondern etwa auch in Datenbanken von B2C-Unternehmen, bei Adresshändlern und Scoring-Diensten in Deutschland.
CIO.de: Wie funktioniert Ihr Angebot?
Schumann: Im digitalen Zeitalter klären die Verbraucher bilateral, von wem sie Informationen haben wollen und von wem nicht. Bei Twitter haben Sie „Follower" oder Sie „folgen" Leuten. Wenn Sie als Verbraucher einem Unternehmen folgen, bekommen Sie diese Informationen als Tweets in ihren News-Stream. Wenn Sie diese nicht mehr haben möchten, dann „entfolgen" sie, und sie bekommen diese Informationen nicht mehr. Dieses Prinzip sehen wir auch in der digitalen Kommunikation und in der nicht anonymen Welt. Sie sagen, von Dir bin ich bereit, angesprochen zu werden, und wenn Sie das Häckchen wieder herausnehmen, dann sind Sie dazu nicht mehr bereit.
CIO.de: Das Interesse der Firmen auf Auskunft per Knopfdruck ist sicher begrenzt?
Schumann: Bei den Unternehmen mag es zunächst so ankommen, als sähen wir sie im ersten Schritt nicht als unsere Mitstreiter. Wenn die Verbraucher anfangen zu fragen, was über sie gespeichert ist, macht ihnen das zunächst eher Aufwand. Die Firmen sind nach dem Bundesdatenschutzgesetz aber dazu verpflichtet zu antworten. Bisher weiß aber kaum jemand, wie man an die Daten herankommt. Hier setzen wir an. Wir machen Hinweise und Vorschläge, an wen sich die Bürger wenden sollten. Die Nachfrage erfolgt per Klick. Dann muss die Firma antworten. Das kann sie auf Papier tun, sie kann das aber auf Verbraucherwunsch auch digital bei uns machen.
CIO.de: Was hat das mit der E-Post und De-Mail zu tun?
Schumann: Wir erzeugen hier das Interesse über das Selbstbestimmungsrecht an den Daten. Ich kann Firmen ja auch verbieten, mit meinen Daten zu arbeiten. Idealerweise kommunizieren die Unternehmen dann über unsere Plattform mit dem Verbraucher. Sofern diese es wünschen, können dazu aber auch DE-Mail oder der E-Postbrief zum Einsatz kommen. Für die Verbraucher ist das Ganze kostenlos. Die Unternehmen müssen das Internetporto bezahlen. Parallel zu den Auskunftsanfragen, kann der Verbraucher den Unternehmen aber auch per Option mitteilen, dass er bereit ist, Rechnungen oder Informationen zukünftig digital zu bekommen.
CIO.de: Was machen Sie mit den Daten?
Schumann: Auch bei uns entstehen sehr viele wertvolle Nutzerprofile, die sich aus Adresse, eventuell dem Geburtsdatum und den geäußerten Interessen zusammensetzen. Diese Nutzerprofile lagern wir aber in eine Nutzergenossenschaft aus. Wir wollen kein Unternehmen schaffen, das Technik und Nutzerdaten in einer Einheit hat. Wir sehen ja bei Facebook und Google, wohin das führt. An die Genossenschaft wird ein Teil der Gewinne abgeführt. Die Genossenschaft verwaltet die Profile und stellt sicher, dass Gewinne, die daraus entstehen, auch wieder an die Mitglieder zurückfließen. Damit kann man etwa Lobbyarbeit für Verbraucher finanzieren. Der Verbraucher kann Mitglied der Genossenschaft werden, er muss es aber nicht.
"Wir sehen Datenschutz nicht als Angriff auf Unternehmen"
CIO.de: Und die Unternehmen machen mit und bezahlen Sie dafür?
Schumann: Wir werden die Unternehmen nicht vor vollendete Tatsachen stellen. Vier bis sechs Wochen vorher werden die Firmen informiert. Wir bieten ihnen die komplette Datenintegration an. Sie können ihren Eintrag auf der Plattform selber gestalten, wie bei einem Bewerbungsportal.
Wenn Sie sich auf unsere Anfrage nicht positionieren, werden Sie trotzdem freigeschaltet. Sie werden dann aber nicht die Möglichkeit haben, dass die Verbraucher ihnen per Opt-in die Zusendung von Informationen erlauben. Und die Unternehmen müssen sich, wenn Sie dem Verbraucherwillen nach Auskunft nicht nachkommen, fragen lassen, wie sie mit den Daten der Verbraucher umgehen.
Das ist eine starke Motivation, dem Thema aufgeschlossen gegenüberzustehen. Wir sehen den Datenschutz aber nicht als Angriff. Wir wollen das nicht mit Negativenergie aufladen. Für die Unternehmen ist es ja sinnvoll, digital zu kommunizieren. Die Firmen haben etwas davon, wenn der Kunde sagt, ich will jetzt meine Telefonrechnung oder die Briefe meiner Krankenkasse an meine digitale Adresse haben. Uns ist es dabei egal, über welchen Kanal die Information übermittelt wird. Der Verbraucher muss das in Zukunft nicht an zwanzig verschiedenen Stellen erledigen, sondern kann das ganz bequem bei uns an einer Stelle tun.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.