Wie ein Ereignis unser Denken verändert, merken wir manchmal erst Jahre später. Mit der Berliner Mauer fiel zugleich die Weltordnung nach zwei Weltkriegen zusammen. Länder- und Systemgrenzen öffneten sich, es begann die Globalisierung, wie wir sie heute kennen. "Erst jetzt erkennen wir, dass die Veränderungen vor 20 Jahren viel tief greifender waren als gedacht", sagte der frühere Außenminister Joschka Fischer in seiner Rede im Terminal 2 des Salzburger Flughafens.
Rund 40 CIOs waren der Einladung des CIO-Magazins und des Telekommunikationsanbieter Telefónica O2 am 13. und 14. November auf dem Obersalzberg in Berchtesgaden gefolgt. Dabei zog sich das Thema "Veränderungen" von Fischers Rede am Abend des ersten Veranstaltungstages durch alle Vorträge und Diskussionen.
Eine zentrale Herausforderung sah Fischer im drohenden ökologischen Kollaps, hervorgerufen durch den Aufstieg von Ländern wie China und Indien. Für die westliche Welt erfordere das nicht weniger, als das eigene Wachstumsmodell zu ändern und eine neue, nachhaltige Wirtschaftsentwicklung zu schaffen. Dabei kommen sogenannten grünen Technologien marktentscheidende Bedeutung zu. Deutschland sei da nicht schlecht aufgestellt. Aber es gibt ein Kopfproblem: Wir fühlen uns vom Wandel bedroht, statt mit einer Angriffsmentalität den Wettbewerb anzunehmen.
Schmerz hilft am besten
Dass Change im Kopf beginnt, hat auch IT-Vorstand Peter Schumann vom Essener Logistikkonzern Schenker AG gelernt. Dabei identifizierte er als wirksamsten Treiber für Veränderungen "operativen Schmerz". Bei Schenker bestand er in einer ineffizienten Sendungsabwicklung mit zu vielen Prozessbrüchen und einem gescheiterten Vor-Projekt.
Im Projekt "Tango" arbeitet seit 2001 ein Team aus 76 Ländervertretern gemeinsam einen global gültigen Workflow für die Luft- und Seefrachtabwicklung aus. Beim fehlgeschlagenen Vorläuferprojekt hatte Schumann noch auf ein Team aus Deutschland gesetzt. Seine Erkenntnis: Internationale Projekte gelingen nur mit internationalen Teams.
Wie das Projekt Tango ist auch das Globalisierungsprojekt von CIO Michael Kollig vom Nahrungsmittelkonzern Danone auf viele Jahre angelegt. Dafür muss es IT-Verantwortlichen gelingen, alle Beteiligen immer wieder neu zu motivieren. Geld sei da ein eher schlechtes Mittel, dagegen eigneten sich neue nichtmonetäre Anreize viel besser, sagte Kollig. Auch muss der CIO eine überzeugende Geschichte erzählen, die Motivationselemente für jede Zielgruppe enthält, vom Management über den Fachbereichsmitarbeiter bis zum Programmierer. Sie sollte keine vergangenen Fehler betonen. Motivierender ist es, Stärken und Potenziale aufzuzeigen.
Change Management ist letztlich People Management. Die Arbeit des CIOs besteht zu mindestens 50 Prozent aus Psychologie, sagte ein Teilnehmer. So sollte der ideale CIO eigentlich der Change Intelligence Officer sein: Er muss Psychologe und Pädagoge sein, vier bis fünf Jahre vorausschauen können, sich mehr Business-Ahnung aneignen und Motivator sein.
Angesichts dieser drohenden Überforderung macht ein Satz von Joschka Fischer Mut. In Abwandlung des Adenauer-Zitats "Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos" sagte er: "Die Lage ist ernst, aber voller Chancen. Wir müssen sie nur nutzen."