"Die Technologie für unbemannte Flugzeuge ist längst grundsätzlich vorhanden", verkündete der damalige Chef der Deutschen Flugsicherung, Klaus-Dieter Scheurle, schon vor knapp vier Jahren voller Überzeugung. Nicht zuletzt die Drohnentechnologie hat die Entwicklung beschleunigt, dass der Faktor Mensch auch an Bord moderner Verkehrsflugzeuge nicht mehr gänzlich unverzichtbar erscheint. Die Flugzeugindustrie und mit ihr die Aufsichtsbehörden und die Airlines suchen nach Wegen, die teuersten Angestellten der Branche, die Piloten, schrittweise überflüssig zu machen und perspektivisch durch künstliche Intelligenz zu ersetzen.
Im "Project Connect" will Airbus extreme Langstrecken für eine Zweier-Crew ermöglichen, indem das Flugzeug dank technischer Unterstützung über lange Zeiten nur von einem Menschen gesteuert und überwacht werden müsste. Der oder die andere könnte außerhalb des Cockpits Pause machen, so dass längere Flugzeiten möglich würden. Nach Medienberichten könnte Cathay Pacific Airways bereits im Jahr 2025 derartige Flüge mit einer Airbus A350 durchführen und so den bislang obligatorischen dritten Menschen im Cockpit einsparen.
Doch das ist längst nicht das Ende, denn ohnehin sitzen bereits heute in den meisten Verkehrsflugzeugen nur zwei Piloten. Der früher obligatorische Flugingenieur ist längst Vergangenheit und über lange Zeiten steuert der Auto-Pilot. "Das Cockpit mit einem Piloten werden wir in den kommenden 30 Jahren sicher erleben", sagt der Luftfahrt-Berater Gerald Wissel von Airborne. Bei kleineren Jets mit bis zu elf Passagieren ist der Einzelpilot bereits Realität.
Schrittweise werde die Präsenz auch in den großen Verkehrsflugzeugen abgebaut und an zunächst noch menschliche Controller am Boden verlagert, erwartet Wissel. Zuvor müsse es gelingen, die Datenübertragungszeiten zu verkürzen und die Systeme wirksam vor Außenangriffen zu schützen. Der Experte warnt aber davor, das Fliegen allein in die Verantwortung eines Steuer-Computers zu geben.
Piloten verweisen auf Problemlösungskompetenz
Die Piloten sind alarmiert und bringen über die internationalen Verbände und Gremien gewichtige Gegenargumente in die Diskussion. "Wir glauben nicht, dass sich die Sicherheit erhöht, wenn man auf Piloten verzichtet. Und es wird auch nicht billiger", sagt zum Beispiel der Drohnen-Experte der deutschen Vereinigung Cockpit (VC), Max Scheck.
Der europäische Pilotenverband ECA warnt vor Umstellungsproblemen im gesamten Trainingssystem und verweist auf menschliche Fähigkeiten zur Fehleranalyse und Problemlösungskompetenz im Team. Die sich gegenseitig stützenden und kontrollierenden Crew-Mitglieder sind zudem aus Sicht des Verbandes die letzte Linie gegen Hackerangriffe und Fehlkonstruktionen wie bei der jüngsten Ausgabe der Boeing 737-Max.
Der VC-Vertreter Scheck verlangt bei der Beurteilung von Flugzeugunglücken zudem eine neuartige Sicherheitskultur. Er weist auf Nasa-Studien hin, nach denen bei jedem fünften Flug Unregelmäßigkeiten aufträten, die von den Crews in vielen Millionen Fällen bewältigt worden seien. Diese Ereignisse müssten ebenso berücksichtigt werden wie die wenigen Fehler.
Der Verband ECA verweist zudem auf Fälle, in denen allein die Piloten das Flugzeug und das Leben der Passagiere gerettet haben. Der berühmteste ist sicherlich die Notwasserung eines Airbus A320 auf dem Hudson River bei New York durch Kapitän Chesley B. Sullenberger im Jahr 2009. Auf der anderen Seite hätte im März 2015 ein Controller am Boden sehr wahrscheinlich den Tod von 150 Menschen verhindern können, als ein psychisch kranker Copilot einen Germanwings-Jet in die französischen Alpen abstürzen ließ. Seinen Kapitän hatte der Mann aus dem Cockpit ausgesperrt.
Die Lufthansa hält sich bislang zu den neuen Konzepten bedeckt. Die Zertifizierung sei Sache der Hersteller in Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden, sagt eine Sprecherin in Frankfurt. Man sei immer offen für Ratschläge und Kommentare, sei in dieser Angelegenheit aber weder angesprochen noch Teil des Projekts.
Die große Unbekannte in den Planungen bleibt ohnehin die Einstellung der Kunden, die es bislang noch eher ablehnen, ihr Leben einer Maschine anzuvertrauen. Der frühere Flugsicherungschef Scheurle hielt aber schon 2018 eine grundlegende Änderung für möglich. "Einer weitgreifenden Automatisierung stehen nur die Sorgen der Fluggesellschaften im Wege, die um die Akzeptanz ihrer Passagiere fürchten, wenn vorne kein Pilot mehr im Cockpit sitzt." Allerdings bewege sich die Gesellschaft auf automatisierte Mobilität beim Auto zu. "Wenn es dort funktioniert, wird auch das Vertrauen in unbemannte Flugzeuge wachsen." (dpa/ad)